Expertenkommission stellt neuen Risikoplan für Atomunfälle in Deutschland vor

Drei Jahre sind seit der Reaktor-Katastrophe im japanischen Fukushima vergangen. Fast genauso lange hat eine Expertenkommission der Bundesregierung gebraucht, um einen neuen Risikoplan für Atomunfälle in Deutschland zu entwickeln. Dieser sieht schärfere Regeln für den Katastrophenschutz vor.

ARCHIV - Glühend rot ist der Himmel beim Sonneuntergang am Sonntagabend (21.08.2011) hinter den Kühltürmen des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld (Unterfranken). Der Ausstoß von Treibhausgasen steigt dramatisch an, die Erderwärmung könnte unbeherrschbar werden. Dennoch scheint ein Durchbruch für mehr globalen Klimaschutz in einer Woche beim UN-Gipfel in Durban kaum möglich. Überlegt wird schon, einfach die Sonne abzuschirmen. Foto: Daniel Karmann dpa/lby (zu (THEMENPAKET Klimagipfel - zum 28. November, Letzte Ausfahrt Sonnenabschirmung?)  +++(c) dpa - Bildfunk+++
Im Falle eines Atomunglücks sollten nach Ansicht einer Expertenkommission zukünftig schärfere Regeln gelten.

Die Strahlenschutzkommission empfiehlt nach Informationen der 'Süddeutschen Zeitung‘, Bewohner aus einem Umkreis von fünf Kilometern im Falle eines schweren Atomunfalls binnen sechs Stunden zu evakuieren. Bislang war diese 'Zentralzone‘ auf zwei Kilometer begrenzt. Außerdem solle die sogenannte 'Mittelzone‘ von zehn auf 20 Kilometer ausgeweitet werden. "Die Evakuierung ist so zu planen, dass sie in der Mittelzone 24 Stunden nach der Alarmierung der zuständigen Behörden abgeschlossen werden kann", zitiert das Blatt aus den Empfehlungen. Durch die Ausweitung würden mehrere Großstädte, darunter München und Hamburg, in die 'Außenzone‘ rutschen.

Die Kommission fokussiert sich vor allem auf die Folgen eines Atom-Unfalls. Behörden sollen dementsprechend gerüstet sein, die Bevölkerung im Radius von 100 Kilometern mit Jodtabletten zu versorgen. Eine gängige Maßnahme, um die Schilddrüse zu sättigen, und so eine Aufnahme von radioaktivem Jod zu verhindern. Für Schwangere und Kinder solle dieser vorbeugende Schritt in jedem Fall bundesweit gelten.

EU strebt Vereinheitlichung der Katastrophenpläne an

Nun liegt es bei den Innenministern der Bundesländer, die neuen Regeln zu verabschieden. Ihre Zustimmung gilt jedoch als wahrscheinlich. Umweltministerin Barbara Hendricks unterstützt die Vorschläge. Ein Atomunfall wie in Fukushima sei zwar "praktisch auszuschließen", sagte die SPD-Politikerin der 'Rheinischen Post‘. Trotzdem müssten "die Katastrophenschutzplanungen unabhängig von kerntechnischen Eintrittswahrscheinlichkeiten stattfinden". Wie das Blatt unter Berufung auf Ministeriumskreise meldet, werde auch eine Vereinheitlichung der Katastrophenpläne in der EU angestrebt.

Die Grünen fürchten, dass die Verbesserungen erst in einigen Jahren in die Praxis umgesetzt werden. "Geht es in dem bisherigen Schneckentempo weiter, ist der nukleare Katastrophenschutz erst funktionstüchtig, nachdem die letzten deutschen AKW abgeschaltet sind", sagte die atompolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Sylvia Kotting-Uhl.

Laut einer Greenpeace-Studie 'Alternde Atomreaktoren: Eine neue Ära des Risikos‘ beträgt das Durchschnittsalter der 151 Atomkraftwerke in Europa 29 Jahre. Ausgelegt seien die meisten Kraftwerke auf 30 oder 40 Jahre Betrieb. Mehr als 60 Kraftwerke seien aber bereits älter als 30 Jahre, einige sogar älter als 40 Jahre - darunter das 1969 ans Netz gegangene Kraftwerk Beznau (Schweiz) sowie das 1975 angelaufene Kraftwerk Tihange in Belgien. Zu den störanfälligsten Meilern Europas gehören laut Greenpeace die französischen Atomkraftwerke in Fessenheim von 1978 und Cattenom von 1987.

Am 11. März 2011 hatten ein Erdbeben und eine Flutwelle zu dem Atomunfall im japanischen Fukushima geführt. Wasserstoff-Explosionen zerrissen die Außenhüllen von drei Reaktorblöcken.