Bondscoach Frank de Boer vor dem Aus

Frühes EM-Aus gegen Tschechien - Holland ist nicht mehr als ein Sitzriese

Frank de Boer, Niederlande
Frank de Boer (l.) droht das Aus als Bondscoach.
Imago Sportfotodienst

Doei, Holland! Nach dem 0:2 gegen Tschechien ist die EM für die Niederlande schon vorbei. Klar, dass nach der Enttäuschung die Kritik groß ist, vor allem an Bondscoach Frank de Boer. Der muss nun um seinen Job bangen und die Fans sich damit abfinden, dass es keine Neuauflage des Turnier-Klassikers gegen Deutschland geben wird.

Tschechien offenbart Hollands wirkliche Stärke

Die schlimmsten Zeiten für den niederländischen Fußball sind vorbei. „Ohne Holland fahr’n wir zur EM“ konnte in Deutschland und auch sonst wo diesmal keiner mehr singen, weil die Elftal im Gegensatz zu 2016 wieder dabei war. Der Start war auch verheißungsvoll mit drei Siegen in der Gruppenphase, aber der Schein vom wieder erstarkten Holland trügte. Die Gruppe mit Österreich, Ukraine und Nordmazedonien war einfach zu schwach, um zu zeigen, dass die Niederlande noch lange nicht zurück ist in der Elite der Nationalmannschaften.

Dass mit Tschechien ein Team diese Erkenntnis offenlegt, das ebenfalls weit weg ist von diesem Kreis, ist dagegen schon überraschend wie auch erschreckend. Mit relativ einfachen Mitteln knackten Patrik Schick und Co. die Holländer. Sie stellten sich geballt hinten rein und lauerten auf Konter. Der Elftal fiel nichts ein und als dann auch noch Abwehrchef Mathijs de Ligt wegen seines Handspiels Rot sah, war es endgültig vorbei. Da reichte dann auch ein hoher Ball in den Strafraum, um für totale Verwirrung im niederländischen Strafraum und das 1:0 zu sorgen.

Vize-Weltmeister von 2010 mit klarer Kante

Klar, dass jetzt im eigenen Lande jede Menge Kritik auf die Nationalmannschaft einprasselt – wohl auch zurecht. Nigel de Jong – genau, der mit diesem üblen Tritt gegen den Spanier Xabi Alonso im WM-Finale 2010 – rechnete hinterher mit der Elftal ab. „Das war wirklich eine armselige Vorstellung. Es hat an allem gefehlt - Mentalität, Aggression, Führungsqualitäten. Nach der Roten Karte war der Glaube weg, das Spiel gewinnen zu können. Wir hatten auch niemand, der vorangeht“, sagte er als Experte des englischen Senders ITV.

Besonders zur Brust nahm sich der ehemalige HSV-Profi Bondscaoch Frank de Boer – und da wird de Jong nicht der einzige in Holland bleiben. „Nach dem Platzverweis hätte er umstellen sollen. Aber er ist weiter bei fünf Verteidigern geblieben. Wofür denn bitte? Für mich sah es so aus, als wollte er so lange wie möglich das 0:0 halten. Er hat es auch nicht geschafft, der Mannschaft den Glauben an sich selbst zu vermitteln. Er sollte am Montag besser nicht in die Zeitung schauen“, sagte der Ex-Mittelfeldabräumer.

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De Boer droht der Rausschmiss

Dass de Boer seinen Job behält, ist nach dem frühen EM-Aus äußerst zweifelhaft. Zumal sich der ehemalige Weltklasse-Verteidiger an eine Tradition herangewagt hat. Anstatt im klassischen Holland-4-3-3 ließ er seine Mannschaft mit einer Dreier- bzw. Fünferkette a la Jogi Löw auflaufen. Doch selbst Banner-Hinweise von Flugzeugen konnten de Boer nicht überzeugen, zur Formation zurückzukehren, mit der die Niederlande einst eines der besten Teams der Welt stellte – und nun dürfte er dafür die Quittung bekommen.

„Wir haben alle einen großen Kater. Wir müssen über alles nachdenken“, sagte der 51-Jährige, der selbst nicht das Handtuch werfen wollte. „Man sollte jetzt keine Entscheidungen treffen. Ich werde diese bittere Pille schlucken.“ Und die könnte wohl nach Rauswurf schmecken.

Denn Holland hat von den Einzelspielern her das Potenzial, wieder ganz oben dabei zu sein. Da sind die Verteidiger de Ligt und Stefan de Vrij, im Mittelfeld Frenkie de Jong und Georgino Wijnaldum, vorne ein Memphis Depay – alle Kicker mit Weltklasse-Format. Und die wurden flankiert von jeder Menge Talent. Aber de Boer hat es nicht geschafft, daraus eine Einheit zu formen.

Kein weiteres Holland-Deutschland-Kapitel

Angesichts des Turnierbaums gab es bereits die ersten, die von einem Halbfinale zwischen Deutschland und Holland geträumt haben. Ein weiteres Kapitel der Geschichte epischer Duelle der beiden Lieblingsfeinde. Die Niederländer haben diesen Traum nun platzen lassen. Und das auch zurecht. So ist Holland nämlich keine Mannschaft für ein EM-Halbfinale.

Und deshalb wird nun Tschechien oder Dänemark der potentielle Gegner der DFB-Elf sein. Aber die muss erstmal gegen England ihr Achtelfinale am Dienstag (18 Uhr) erfolgreich bestreiten. Und für Deutschland gilt ja das Gleiche wie für die Niederlande: Bei dieser EM zeigt sich, ob die Mannschaft wieder zur Elite gehört. Für Holland trifft das schonmal nicht zu. (sho)