Djokovic-Drama in Australien

Viele Fragen, viele Verlierer

Die Rekordjagd von Novak Djokovic bei den Australian Open endet vermutlich schon vor der offiziellen Einreise. Australische Grenzschützer ließen den Tennis-Star nicht durch, annullierten das Visum, weil es offenbar ungültig war. Das Djokovic-Drama ist nicht nur für den Weltranglisten-Ersten peinlich.

Djokovic-Image leidet

Die Posse um die Einreise von Novak Djokovic produziert nicht nur viel Aufsehen, sondern auch einige Verlierer. Als prominentesten sicherlich Djokovic selbst. Der ohnehin als Impfskeptiker bekannte Tennis-Star beschwor das Bild eines Profis herauf, der mit einer angeblichen Sonderbehandlung die strengen Einreiseregeln umgehen will. Seinen Impfstatus hat er bislang nicht öffentlich gemacht. Erst am Dienstag teilte er mit, dass er mit einer medizinischen Ausnahmegenehmigung einreisen wolle. Wer nicht doppelt geimpft ist, braucht eben jene zur Einreise „Down Under“.

Schon vor der Visum-Panne schäumte die australische Presse, sprach unter anderem von „kranker Heuchelei“ und einer“ schallenden Ohrfeige“ für alle Australier, die die strikten Regeln im Land bislang befolgt hatten. Die Stimmung war gelinde gesagt: Anti-Djoker.

Das Image des 34-Jährigen bekam schon im vergangenen Jahr Schrammen ab. Bei seiner von ihm organisierten Adria-Tour im Frühjahr 2020 steckten sich viele Spieler – darunter er selbst - mit dem Coronavirus an. Feier-Bilder statt Corona-Abstände gingen um die Welt. Einsicht? Eher weniger. Den Ruf als zumindest Impfskeptiker hat er ohnehin schon weg, die vergangenen Tage waren nicht gerade behilflich, daran etwas zu ändern.

Und statt der Chance auf den glamourösen Grand-Slam-Rekordsieg Nummer 21 geht es jetzt wohl zurück. Der Titelverteidiger, der bereits neunmal in Melbourne siegte, muss die Australian Open wohl vor dem TV verfolgen.

Turnierdirektor setzte sich für Djokovic ein

Ein großer Unterstützer des Serben war Turnierdirektor Craig Tiley. Nach der scharfen Kritik wegen der Ausnahmegenehmigung stellte er sich hinter den Athleten, bat ihn allerdings um die Nennung der Gründe. Und tatsächlich würde man nicht nur als Sportfan gerne wissen, was es damit denn nun genau auf sich hat respektive hatte? Die Vorwürfe, da bekomme ein hoch dotierter Superstar eine Extra-Wurst spendiert, wollte er schnell zerstreuen. Djokovic habe einen „völlig legitimen Antrag“ gestellt und den notwendigen Prozess durchlaufen.

Dass Djokovic also nun nicht einreisen darf - eine peinliche Nummer für den Turnierdirektor. Peinlich pikiert dürfte auch die beiden unabhängigen Expertengremien sein, die laut Tiley die Genehmigung durchgewinkt hatten. Auch das Zusammenspiel zwischen Bundestaat, Turnierleitung und Nationalstaat wirkt chaotisch. Warum wurde Djokovic zugesichert, er könne damit einreisen, nur um dann Stunden später die Einreise-Watschn zu kassieren. War es nur Djokovics Schuld? Die falschen Papiere? Ist die medizinische Ausnahmegenehmigung valide? Wie kann ein Profi mit einer solchen Ausnahmegenehmigung überhaupt spielen? Welche Absprachen gab es? Welche Rolle spielte der australische Tennisverband bei der Ausnahmegenehmigung? All das würde man gerne erfahren. Die Behörden des Bundesstaates Victoria verweigerten Djokovic nach einer Kontaktaufnahme nun die Unterstützung. Das hätte der Serbe sicher gerne auch vorher gewusst.

Die Festsetzung des Tennisspielern schien dann sogar zu einer Art diplomatischen Spannung zu führen. Serbiens Regierungschef tobte. „Ganz Serbien steht hinter ihm“, schrieb der serbische Präsident Aleksandar Vucic in der Nacht zum Donnerstag nach einem Telefonat mit Djokovic auf Instagram. „Unsere Behörden werden alle Maßnahmen ergreifen, um die Schikanierung des besten Tennisspielers der Welt binnen kürzester Zeit zu beenden.“ Was auch immer das in der Praxis heißt.

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Schatten über dem Turnier

Und selbstverständlich leidet der Sport an sich unter diesem Theater. Denn was ist ein Grand-Slam noch wirklich wert, wenn die Nummer eins der Welt nicht mitspielen darf? Obwohl sie kerngesund und in Form ist – und sogar um den Rekordtitel spielt. Falls Djokovic wirklich nicht einreisen darf und nicht am Turnier teilnimmt, schmälert es automatisch auch den Erfolg des kommenden Champions. Ob mehr oder weniger, sei dahingestellt. Die Causa Djokovic wird wohl in Teilen das Turnier überlagern, die Frage wird über allem schweben: Was wäre, wenn er dabei gewesen wäre?

Vielleicht aber gibt es in dieser irren Geschichte aber noch eine weitere Wendung. Die Anwälte von Djokovic gehen gegen die Einreise-Verweigerung vor – bis Montag soll ein Richter entscheiden.

Tennis im Jahr 2022. (msc)