"Grindadráp": Zwiespalt zwischen Tradition und ModerneEin Meer aus Blut: Hunderte Grindwale werden jährlich auf den Färöer-Inseln geschlachtet

Für die Bewohner der zu Dänemark gehörenden Färöer-Inseln ist es eine jahrhundertealte Tradition, für Tierschützer einfach nur ein grausames und unnötiges Abschlachten: Beim jährlichen "Grindadráp" rückt die Dorfgemeinschaft beladen mit Messern und Haken aus, um Jagd auf Grindwale zu machen. Die Tiere werden in Buchten zusammengetrieben und getötet – eine Lösung des Konflikts scheint nicht in Sicht.
Angestellte und Schulkinder bekommen frei
Das Meer vor den Färöer-Inseln färbt sich blutrot an diesem Tag. Leblose Walkörper säumen eine Bucht, Menschen stehen bis zu den Hüften im Wasser. Sie durchtrennen den Tieren mit Messern das Rückenmark im Nacken und die Halsschlagader. Mütter sind mit ihren Kindern gekommen, zahlreiche Menschen schippern in ihren Booten zwischen den toten Tieren umher. Für die Dorfgemeinschaft ist es ein großes Spektakel.
Auf den Färöer-Inseln hat der Walfang eine jahrhundertelange Tradition. Die Wale ziehen mit ihren Kälbern aus den warmen Gewässern in Richtung Arktis, um zu fressen. Dabei kommen sie an der Inselgruppe im Nordatlantik vorbei. Werden die Wale im Wasser vor den Färöer-Inseln gesichtet, wird versucht, möglichst viele Boote für die Jagd einzusetzen. Angestellte und Schulkinder bekommen in der Regel frei. Je mehr Menschen teilnehmen, desto schwieriger wird es für die Wale, zu entkommen. Wer eine Walsichtung nicht meldet, muss laut „Newsweek“ seit Mai 2015 mit umgerechnet 3.000 Euro Strafe rechnen – im Wiederholungsfall können sogar bis zu zwei Jahre Haft verhängt werden.
Grindwale kämpfen in Buchten der Färöer-Inseln minutenlang mit dem Tod

Die Tiere werden unter Aufsicht der Behörden mit einem langen Tau, an dem Steine befestigt sind, in eine Bucht getrieben, eingekesselt und in Panik versetzt, bis sie schließlich stranden. In den seichten Gewässern werden sie geschlachtet. Zwar wollen die Einwohner eigenen Aussagen zufolge die Tiere mit dem Schnitt innerhalb von Sekunden töten, Videos auf Twitter zeigen jedoch, dass die Wale mitunter einen minutenlangen Todeskampf führen. Die Wale, die nicht gestrandet sind, werden an die Küste gezogen. Dazu setzen die Jäger einen Haken an einem Seil ein, der den Walen durch ihr Blasloch gerammt wird.
Auf diese Weise werden jedes Jahr mehrere hundert Grindwale getötet, die meisten von ihnen im Juli und August. Die Tierschutzorganisation „Save the Reef“ postete am 29. Juni auf Instagram, dass auf den Färöer-Inseln in den letzten 24 Stunden 131 Grindwale getötet worden seien. Zusammen mit anderen Organisationen wie "Sea Shepherd" und „Greenpeace“ kämpfen die Tierschützer seit Jahren gegen das Ritual. Obwohl Dänemark Mitglied der Europäischen Union ist, die jegliche Art von Walfang verbietet, wird kein Druck auf Kopenhagen ausgeübt. Die Färöer verwalten sich zum einen autonom und sind kein Mitglied der Europäischen Union. Zum anderen ist der "Grindadráp" eine fest verankerte Tradition, die schon vor Jahrhunderten dem Nahrungserwerb der Färinger diente, als die Versorgungslage auf den Inseln noch anders aussah. Das Fleisch der Grindwale wird nach Angaben der Färinger nicht kommerziell gehandelt, sondern an alle Inselbewohner verteilt. Laut „Sea Shepherd“ landet das Fleisch der Tiere dennoch regelmäßig auch auf Speisekarten in Restaurants, so dass es auch Besucher der Inselgruppe Zugang dazu haben.
Verzehr von Walfleisch ist bedenklich
Doch der Verzehr von Walfleisch ist nicht unbedenklich: 2008 riet die färöische Gesundheitsbehörde erstmals davon ab, Fleisch von Grindwalen zu verzehren, da dieses eine hohe Belastung mit Umweltgiften wie Quecksilber und Dioxinen aufweist. Seit 2011 gilt die Empfehlung, höchstens einmal im Monat Grindwalfleisch zu essen. Dies führt auch bei den Bewohnern der Inselgruppe zu Diskussionen: Seit der Veröffentlichung der Ergebnisse wird auf den Färöern darüber gesprochen, ob die Zeit gekommen ist, die Grindwaljagd ganz einzustellen. „Manche meinen, die Grindwaljagd gehört der Vergangenheit an. Umfragen haben jedoch gezeigt, dass die überwiegende Mehrheit dafür ist, weiterhin Grindwale zu essen“, heißt es auf der Seite „Whaling.fo“, die von der Regierung der Inselgruppe betrieben wird.
Die Färinger entgegnen der Kritik an dem blutigen Abschlachten laut „High North“, dass große Teile der zivilisierten Bevölkerung sich von den Grundfesten der tierischen Nahrungsgewinnung entfremdet haben und Walfang im Vergleich zu Zuständen auf modernen Schlachthöfen harmlos sei. „Hätten die Färinger die Verbindungen zur eigenen Nahrung nicht aufrecht erhalten, müsste viel mehr importiert werden. Dies hätte auch erhebliche zusätzliche Auswirkungen auf die Umwelt, wenn man bedenkt, wie viel Kraftstoff für den Transport benötigt wird“, schreibt die Regierung der Inseln auf „Whaling.no“. Nach neuesten wissenschaftlichen Schätzungen belaufe sich die Grindwalpopulation im östlichen Nordatlantik rund 380.000 Tiere, davon 100.000 im Gebiet um die Färöer. Der durchschnittliche Grindwalfang auf den Färöern in den letzten 20 Jahren habe bei etwa 600 Walen pro Jahr gelegen.
(mst)