Rührende Szene der BVB-IkoneDie Pokal-Tränen des Łukasz Piszczek

Soccer - DFB Cup - Final - RB Leipzig v Borussia Dortmund - Olympiastadion, Berlin, Germany - May 13, 2021 Borussia Dortmund's Lukasz Piszczek celebrates winning the DFB Cup with teammates Pool via REUTERS/Annegret Hilse DFB regulations prohibit any use of photographs as image sequences and or quasi-video.
Bewegender Moment: Łukasz Piszczek wird von seinen BVB-Mitspielern gefeiert.
jb, Pool via REUTERS, ANNEGRET HILSE

Es ist die wohl emotionalste Szene nach dem Pokaltriumph. Die Fußballer von Borussia Dortmund schnappen sich Łukasz Piszczek und werfen ihren weinenden Kollegen in die Luft. Für den Polen ist es das perfekte Ende einer beeindruckenden Karriere.

Mit all seiner Ruhe und Routine

Ein bisschen Kraft war noch da. Als Erster machte sich Łukasz Piszczek an diesem Donnerstagabend auf den Weg zum goldenen Pokal. Als Erster nahm er die Medaille für den Pokaltriumph von Borussia Dortmund entgegen. In diesem Jahr übrigens nicht von den hohen Herren des heillos zerstrittenen Deutschen Fußball-Bunds (DFB), sondern in diesem Jahr von zwei Nachwuchsfußballern aus Berlin. Eine schöne Sache. Ob sie eine Zukunft hat? Möglich. Für einen aber ist das völlig egal: für Łukasz Piszczek. Der Pole zieht nach dieser Saison aus dem Profifußball zurück. Er wechselt in seine Heimat, zur LKS Goczałkowice. In die fünfte Liga.

Nun aber, bevor der 35-Jährige in anderthalb Wochen zur letzten Schicht in die schwarzgelbe Malocherkluft steigt, holte er sich in Berlin die finale Belohnung für elf Jahre harte Maloche ab. Auch weil er seine rechte Abwehrseite gegen das durchaus stürmische RB Leipzig wieder einmal mit Ruhe und Routine souverän beackert hatte, durften sich die Borussen zum fünften Mal in der Vereinsgeschichte den goldenen Pokal abholen. Piszczek nahm beim phasenweise so furiosen 4:1 (3:0)-Erfolg eine Rolle ein, die er in seiner Karriere so oft eingenommen hatte. Er war Leistungsträger, aber nicht der Protagonist. Das waren nun der starke Kapitän Marco Reus, der spielfreudige Jadon Sancho und der im Akkord über den Platz walzende Erling Haaland.

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Plötzlich wieder wichtig

Dass es aber gerade in der zweiten Halbzeit, die RB spielerisch klar bestimmte, auch immer mehr auf Leute wie Piszczek ankam, das geht im allgemeinen Furor um die spektakulären Überfälle der Offensive ein wenig unter. Dass Piszczek in seiner letzten Saison beim BVB überhaupt nochmal in die Rolle des Leistungsträgers kommen musste, ist auch so eine erstaunliche Geschichte. Denn bis vor wenigen Wochen war er für Trainer Edin Terzic keine Option. Immer wieder stand der Pole im Kader, nie spielte er. Erst als Mateu Morey sich im Halbfinale gegen Holstein Kiel so schwer verletzt hatte, war "Piszu" wieder gefragt. Bis zu diesem tragischen Momente drohte seine Karriere ebenso trostlos auszuklingen, wie jene von Ex-Kapitän Marcel Schmelzer. Gerade in den Jahren mit Jürgen Klopp bildeten "Schmelle" und Piszczek ein starkes Duo auf Außen.

Terzic und die sensible Trainerfrage des BVB"Wie wichtig er für Borussia Dortmund war, kann man überhaupt nicht in Worte fassen", bekannte Terzic. "Lukasz hat komplett den Tank leergemacht, alles an Leistung und Emotion herausgeholt, um diesen Pokal zu gewinnen. Ich wundere mich, dass er überhaupt noch weinen konnte." Bei der Siegerehrung trug der Pole übrigens das Trikot von Schmelzer, dessen BVB-Zeit ja ebenfalls zu Ende geht.

Die Geschichte des 35-Jährigen ist so bemerkenswert wie sein Abgang. Nach dem letzten Pfiff von Schiedsrichter Felix Brych wurde er von seinen Emotionen wuchtig überwältigt. Während seine Mitspieler ihn in die Luft warfen, schrie er vor Glück und heulte minutenlang hemmungslos. "Das waren pure Emotionen", bekannte er nach dem krönenden Abschluss seiner Laufbahn: "Auch die früheren Titel waren toll, aber den Tag nehme ich mit für mein Leben." Zweimal wurde er mit dem BVB Deutscher Meister, dreimal gewann er den nicht ganz so wichtigen Supercup. Und nun stemmte er auch zum dritten Mal den DFB-Pokal in die Luft. Als zweiter Mann nach Kapitän Reus.

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"Ihr wisst gar nicht, wie kaputt ich bin"

Im Sommer nun ist endgültig Schluss. Ausgelaugt von der harten Maloche tritt er ab. "Ihr wisst gar nicht, wie kaputt ich bin", hatte er Ende April gesagt. Immer wieder hatte er sich und seinen Körper in den Dienst der Mannschaft gestellt. War da, wenn seine Qualitäten von immenser Bedeutung waren. Und das waren sie oft. Vor allem, wenn es in den legendären Titelduellen gegen den FC Bayern und Frank Ribéry ging. Was haben die Beiden sich für epische Duelle geliefert. Im heimischen Signal-Iduna-Park und in der Münchner Allianz-Arena. Sportlich überragend, emotional immer an der Grenze, manchmal auch darüber hinaus.

Dass Piszczek mit den Jahren immer mehr zum heimlichen Königstransfer der Dortmunder aufgestiegen war, das war im Sommer 2010 alles andere als vorhersehbar. Der damals 25-Jährige kam als "Multitasker" ablösefrei von der Hertha aus Berlin. Seine vorrangige Aufgabe sollte sein, so schrieb der "Kicker", dass Rechtsverteidiger-Monopol von Amtsinhaber Patrick Owomoyela zu brechen. Das gelang dann auf bemerkenswerte Weise. Ab dem fünften Spieltag war er bei Klopp gesetzt, spielte jedes Ligaspiel über 90 Minuten und legte sieben Tore auf. Insgesamt kommt er nun 381 Pflichtspiele für den BVB, er kommt auf 19 Treffer und 64 Vorlagen. Noch beeindruckender: Er flog trotz der zahlreichen intensiven Duelle, die er auf rechts führte, nie vom Platz.

Zwei Spiele hat er nun noch für den BVB zu gehen. In beiden Spielen, gegen Mainz und Leverkusen, werden seine Qualitäten gefragt sein. Es geht noch immer um die Qualifikation für die Champions League. Piszczek wird wieder alles geben, was er hat. Aber dann, dann ist Schluss. Dann ist Genuss. "Ich werde nur zum Spaß spielen. Mit Profifußball hat das nichts mehr zu tun - ich will mich nur fit halten und mit meinen Freunden kicken." Auch dort wird man zu ihm aufschauen, wie in Dortmund. "Gebt ihm ein wenig Zeit", sagte Erling Haaland, als er am späten Donnerstagabend siegestrunken Piszczeks Sky-Interview crashte: "Big legend.