RTL-Interview mit Bernd Neuendorf

Der DFB-Boss verrät uns seinen größten Fußball-Wunsch

Voller Fokus auf die Heim-EM 2024. Nach der vergeigten Weltmeisterschaft in Katar setzt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) auf die Kraft eines Neuanfangs. DFB-Präsident Bernd Neuendorf hofft beim Heim-Turnier im kommenden Jahr auf eine ähnliche Stimmung im Land wie 2006 beim viel zitierten „Sommermärchen“. Im großen RTL/ntv-Interview spricht er über die EM-Mammutaufgabe, die beendete Kapitänsbinden-Debatte und den neuen Sportdirektor Rudi Völler.
Die wichtigsten Aussagen sehen Sie oben im Video.

Die EM im eigenen Land ist eine große Chance

Bernd Neuendorf (61) ist seit gut einem Jahr Präsident des DFB. In diesen zwölf Monaten hat er schon so einiges erlebt. Unter anderem ein erneutes Vorrunden-Debakel bei einer WM, politisierte Fußball-Debatten (One-Love-Binde), Machtkämpfe und plötzliche Finanzprobleme beim einst so gut betuchten Verband.

Wenn er sich etwas für den deutschen Fußball wünschen könnte, dann geht sein Blick in die mittelnahe Zukunft.

„Der größte Wunsch wäre natürlich in der Tat, dass wir eine tolle EM erleben“, sagte der 61-Jährige im exklusiven RTL/ntv-Interview. „Der Blickwinkel und der Fokus, das merke ich jetzt auch beim DFB, gehen sehr stark auf dieses Turnier.“ So ein Turnier habe man nicht so oft im eigenen Land, so Neuendorf weiter. „Ich erinnere noch mal daran: Die letzte Europameisterschaft war 1988 - da stand die Mauer noch. Und daran kann man erkennen, wie selten man so eine Chance bekommt für den deutschen Fußball.“

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Das Turnier sei eine Chance, „weil wir uns ein Stück weit rehabilitieren können, was die Nationalmannschaft betrifft.“ Die EM sei aber auch eine Chance für den Sport insgesamt, betonte der DFB-Boss. „Es löst immer Begeisterung aus, gerade bei Kindern und Jugendlichen. 2006 haben wir einen Boom gehabt nach diesem Turnier. Junge Leute, die in die Vereine strömen. Und das ist ja das, was wir wollen: Dass mit dem Turnier diese Faszination im Stadion da ist und auf den Plätzen, aber dass sie sich trägt bis weit runter in den Amateurbereich, wo junge Leute zum Fußball kommen.“

"Die Spannung steigt"

Um die vielbeschworene Symbiose zwischen Fußball-Land und Fußball-Nationalmannschaft herzustellen, braucht es aber wohl noch die ein oder andere Handreichung – und einen Kickstart auf dem Rasen. Neuendorf sieht immerhin erste positive Schritte. Eine Begeisterung sei „auf jeden Fall da“. Einen Hauch Euphorie im Fußball-Land entdeckte der DFB-Chef bereits vor dem anstehenden Länderspiel-Doppelpack. Das DFB-Team empfängt am Samstag in Mainz (Kapazität bei internationalen Spielen: 27.000 Zuschauer) Peru und am Dienstag darauf in Köln (Kapazität: gut 46.000 Zuschauer) Belgien um Trainer Domenico Tedesco.

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Die Partie gegen Peru in Mainz sei ausverkauft, berichtete Neuendorf. Der DFB sei zudem guten Mutes, dass auch die zweite Partie in Köln vor voller Kulisse stattfinden werde. „Und das zeigt, es gibt ein Interesse auch an den neuen Spielern, die jetzt vielleicht dazukommen. Und das zeigt auch ein bisschen, dass die Spannung steigt in Richtung Europameisterschaft im eigenen Land.“ Die Erwartungen, die man mit der Verpflichtung von Rudi Völler hatte, scheinen sich zu erfüllen, sagte Neuendorf. Der Weltmeister sei „sehr nahbar“ und habe erste Akzente gesetzt. Die Mannschaft absolviere zum Beispiel öffentliche Trainings, das werde „sehr gut angenommen“.

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Binden-Debatte: Schwarz-Rot-Gold statt One Love

Umso wichtiger ist also, dass die DFB-Elf in den kommenden Partien spielerisch das Publikum überzeugt und abholt. Zur Erinnerung: Die Partie gegen die Südamerikaner ist der erste Auftritt seit dem WM-Desaster in Katar. Und soll der Anfang einer Reise sein, die das Team erfolgreich durch die EM trägt. Mit jedem Sieg, mit jedem beherztem Auftritt steigen die Chancen, dass der Fußball-Stimmungswandel zwischen Flensburg und Bodensee tatsächlich eintritt.

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„Der sportliche Erfolg ist für uns wichtig, rein atmosphärisch und für das Land und für die Fans, dass wir wieder mal ein Turnier bestreiten, wo man relativ weit kommt und mit der Unterstützung der Fans im eigenen Land“, sagte Neuendorf. Wieder geht sein Blick 17 Jahre zurück. „Das haben wir 2006 gesehen - da ist sehr, sehr viel möglich. Ich glaube, insgesamt ist es so, dass wir nach drei Turnieren, die jetzt nicht so erfolgreich verlaufen sind, aber schauen müssen, dass wir in der Tat diesen Sprung über die Vorrunde auf jeden Fall schaffen, dass wir dann auch möglichst weit kommen“, so der DFB-Präsident mit Blick auf die Heim-EM 2024. Ein sportliche Zielvorgabe will er aber nicht ausgeben – wie auch schon bei der WM in Katar nicht.

Die Wüsten-WM war teilweise von der Debatte über die One-Love-Binde überlagert worden. Nach Strafandrohungen der FIFA verzichtete der DFB und Kapitän Manuel Neuer auf das Tragen der Binde mit dem Spruch „One Love“, von dem sich Gastgeber Katar brüskiert fühlte. In den vergangenen Tagen hatten der neue Sportdirektor Rudi Völler und der neue Kapitän Joshua Kimmich diese Debatte vorerst beendet. Ab sofort heißt es wieder: Schwarz-Rot-Gold statt One-Love-bunt.

„Das war eine sehr aufgeladene Diskussion, die wir da erlebt haben rund um diese Binde“, so Neuendorf. Die Entscheidung sei mit der Mannschaft und Kimmich abgestimmt. Tenor: Man wolle wieder mehr Konzentration auf Fußball und den Sport. “Ich persönlich muss ehrlich sagen, kann das auch mitgehen, weil ich glaube: Wofür steht die Deutschlandfahne? Für mich steht die Deutschlandfahne für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung. Für mich steht die Deutschlandfahne für das Grundgesetz. Und wenn man in unsere Verfassung schaut, dann sind da die Werte hinterlegt, für die der DFB auch eintritt, nämlich Vielfalt und Toleranz und solche Aspekte. Dafür steht für mich die Deutschlandfahne und nicht für das, was einige aus dem rechten Spektrum darin gerne sehen.“

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Völler hat "das Herz am rechten Fleck"

Empfohlen hatte die Rückkehr zu Schwarz-Rot-Gold auch Rudi Völler. Seit gut zwei Monaten ist er in seiner neuen Rolle als Sportdirektor das Gesicht der Nationalelf. Der DFB-Boss sieht in ihm einen wichtigen Faktor für die Weiterentwicklung des Teams. Völler passe „neben seinen ganzen sportlichen Erfahrungen“ auch menschlich „sehr gut“ zur Mannschaft. Er hole die jungen Spieler ab und habe „das Herz am rechten Fleck“. Einer, der den Spielern helfen könne, auch wenn es einem „vielleicht nicht mal so gut geht oder man eine Frage hat“.

Auf Völler ruhen vor der EM viele Hoffnungen, Fans und DFB-Elf zu versöhnen. 15 Monate haben Völler, Neuendorf, der DFB und die Mannschaft noch, um aus dem Fünkchen Begeisterung ein neues Feuer anzufachen. So wie 2006. Die Zeit läuft.

Einen ausführlichen Bericht zum Interview von RTL-Moderator Florian König mit dem DFB-Präsidenten sehen Sie in der Nacht von Freitag auf Samstag in einem „RTL Nachtjournal Spezial“ mit dem Titel „FIFA, Fehler, Fußball-EM - DFB-Präsident Bernd Neuendorf im Interview“ um 00.25 Uhr. (msc)