Deutschland 83: Interview mit Schauspieler Jonas Nay

Moritz Stamm (Jonas Nay) in der achtteiligen RTL-Event-Serie "DEUTSCHLAND!"
Moritz Stamm (Jonas Nay, r.) in der achtteiligen RTL-Event-Serie "Deutschland 83".

Im Interview spricht Jonas Nay über seine Rolle Moritz Stamm in der RTL-Event-Serie "Deutschland 83". Für den Schauspieler ist "Deutschland 83" eine "besondere Serie", an der er sehr gerne mitgewirkt hat.

In "Deutschland 83" spielst du den Spion Moritz Stamm, der in den Westen geschleust wird, um dort an geheime Informationen für die Stasi zu gelangen. Was hat dich an dieser Rolle gereizt? Was hat dich an dem Drehbuch fasziniert?

Jonas Nay: "Die Zusage, Moritz Stamm zu spielen, stand tatsächlich schon lange bevor die Drehbücher fertig wurden. Ich hatte nur die Entwürfe der ersten beiden Episoden gelesen. Diese lasen sich großartig, spannend, mutig, irgendwie anders als alles, was ich bisher gelesen hatte. Und von Anfang an fühlte ich mich mit meiner Rolle sehr verbunden.

Martins Motivation, für die lebensrettende Operation seiner Mutter alles hinter sich zu lassen, in die Rolle des Moritz Stamm zu schlüpfen und als DDR-Spion tätig zu werden, war für mich als ausgesprochenen Familienmenschen dermaßen nachvollziehbar, wie es nur selten bei Rollen der Fall sein kann. Und die Art und Weise, wie dieser neue Moritz Stamm seine Erfahrungen in Sachen Freiheit, Zwang, Lügen macht und schließlich auch seinen ganz eigenen Weg geht, hat mich begeistert und gefordert zugleich. Dann kam eine spannende Castingphase mit Edward Berger als Regisseur. Und um es kurz zu machen und auf den Punkt zu bringen: So stelle ich mir uneingeschränkt eine tolle, sich gegenseitig befruchtende Zusammenarbeit vor.

Ausschlaggebend war schlussendlich auch ein Treffen mit Anna Winger als Headautorin und ihrem Mann Jörg Winger als Produzenten. Die zwei Schöpfer des Serienstoffs teilten ihre Vision für die Reise des Moritz Stamm im Verlauf der Serie so begeistert mit mir, dass schnell klar war, wir wollen zusammen diese besondere Serie drehen. Und ich persönlich als Zuschauer liebe besondere Serien."

Jonas Nay: "Ich bin mit der Musik der 80er groß geworden!"

Du selbst bist nach der Wiedervereinigung geboren, hast keine eigene Erinnerung an das geteilte Deutschland. Wie hast du dich auf die Rolle vorbereitet?

Jonas Nay: "Die Winger-Family, die UFA FICTION und auch die Producerin Henriette Lippold haben mich im Vorhinein mit vielerlei Materialien zu der Zeit und natürlich auch zum Thema Ost-West-Spionage versorgt. Dazu gehörten allerhand Dokumentationen, Berichte und Bücher, von denen ich wahrscheinlich nicht einmal die Hälfte geschafft habe. Und ich würde mich auch niemals als Experten dieser Zeit sehen. Was ich neben der Drehbucharbeit versucht habe in meinem Kopf zu verbildlichen, sind die vielen, in den fiktionalen Handlungsstrang verwobenen, wahren historischen Begebenheiten.

Hierzu gehörten neben Fürchterlichkeiten wie dem Bombenattentat auf das "Maison de France" und der Abschuss der koreanischen Passagiermaschine über der Sowjetunion auch scheinbar nebensächliche Alltagsphänomene im Leben des Moritz Stamm, wie der Kontakt zu Bhagwanis, Aktivisten der Freiheitsbewegung und die alltäglichen Bundeswehrabläufe in seiner Position als Ordonnanzoffizier. Viele Dinge, die ich in meiner Vorbereitungszeit lernen musste, hatte Martin Rauch auch zu lernen, um nicht sofort als Ostdeutscher aufzufliegen.

Nichtsdestotrotz waren bei mir als 90er-Jahrgang natürlich die Lücken groß und es gab viele Fragen. Für die meisten Fragen, die sich rund um mein Dasein als Ostspion drehten, war stets ein Militärberater und NATO-Experte am Set. So richtig spannend wurde es aber, wenn die Teammitglieder anfingen, sich über ihre Erinnerungen auszutauschen, wenn sie in eine der vielen so liebevoll ausgesuchten und anschließend ausgestatteten Locations kamen."

Was verbindest du mit den 80er Jahren? Hast du beispielsweise einen Bezug zu der Musik, die auch in der Serie einen wichtigen Platz einnimmt?

Jonas Nay: "Oh ja sehr! Ich bin untypischerweise für meine Generation trotz allem mit der Musik der 80er groß geworden – was daran liegt, dass mein Vater mit seiner Gitarre sämtliche 80er-Hits rauf und runter spielte und dazu sang und ich als kleiner Junge darauf brannte, ihn auf dem alten Klavier in unserem Wohnzimmer zu begleiten und mitzusingen. Dies war ausschlaggebend für meine ganze musikalische Karriere, die mit Klavierunterricht im Alter von sieben Jahren begann und bisher einen langen und schönen Weg neben meinem Schaffen als Schauspieler genommen hat – insbesondere mit meiner Band 'Northern Lights'."

"Deutschland 83" thematisiert ein besonders brisantes Jahr der deutschen und auch weltpolitischen Lage. Hat dich die Arbeit an diesem Projekt für politische Fragestellungen sensibilisiert und dein Interesse verstärkt?

Jonas Nay: "Es ist immer schön, einen solch intuitiven und kreativen Weg zu finden, sich einer fremden Zeit zu nähern, und ich nehme von allen meinen historischen Rollen, die ich spielen darf, tatsächlich sehr viel mit. Weniger Daten und Zahlen, eher ein Gefühl, das sich festigt und das sich bei mir zum Beispiel im Geschichtsunterricht in der Schule leider oft so gar nicht einstellen wollte.

Gerade die Zeit des Kalten Krieges schien dort rückblickend Großteiles weggelassen oder nur angerissen worden zu sein – vielleicht ist dies auch einfach noch zu junge Geschichte für die Lehrliteratur und auch viele meiner damaligen Lehrer. Aber schaut man auf die Ost-West-Politik heute, ist das Thema doch wieder mehr als brisant, und man sollte zwingend auch aus diesem Teil der Geschichte lernen.

Im Nachhinein auf den Drehprozess schauend, habe ich den Eindruck, dass selbst viele Beteiligte der Serie, die diese Zeit aktiv miterlebt hatten, nachträglich geschockt davon waren, wie dicht wir damals wirklich an einem nuklearen Erstschlag und damit an einem möglichen Dritten Weltkrieg vorbeigeschlittert sind. Das hat mich umso mehr dafür sensibilisiert, mir viel öfter die Frage zu stellen, was wir wohl jetzt gerade alles nicht so richtig mitbekommen."