Forscher finden immer mehr tote Seeschwalben und Basstölpel

Das große Vogelsterben an der Nordsee - ganze Kolonien in Gefahr!

Tote Seeschwalben im niedersächsischen Wilhelmshaven.
Tote Seeschwalben im niedersächsischen Wilhelmshaven.
Dr. Sandra Bouwhuis
von Carmen Gocht

Vogelforscher machen sich große Sorgen. Seeschwalben stehen auf der roten Liste der bedrohten Tiere und sterben in große Zahlen und auch die einzige Brutkolonie von Basstölpeln in Deutschland ist in Gefahr.

Ein Drittel der Basstölpel-Nester sind leer

Tote Küken liegen in der Basstölpel-Kolonie auf Helgoland.
Tote Küken liegen in der Basstölpel-Kolonie auf Helgoland.
Jochen Dierschke

Dr. Jochen Dierschke von der Vogelwarte auf Helgoland und sein Team können nicht genau sagen, wie viele Basstölpel bereits gestorben sind: „Die Zahl ist auf jeden Fall dreistellig. Das Problem ist, dass wir an die meisten Vögel nicht heran kommen, weil sie ins Wasser gefallen sind und in unzugänglichen Stellen der Kolonie liegen.“ 1485 Brutpaare gibt es aktuell auf Helgoland – der einzigen Kolonie in Deutschland. „Ein Drittel der Nester die bereits bezogen waren, sind jetzt leer und wurden aufgegeben. Es kann sein, dass die Altvögel gestorben sind oder, dass sie gemerkt haben dass die Bedingungen in diesem Jahr nicht gut sind – das können wir nicht genau sagen.

"Die Lage ist dramatisch"

Da die Kolonie so unzugänglich ist und nicht genau gezählt werden kann, wie viele Vögel tatsächlich tot sind, werden die konkreten Auswirkungen erst Anfang nächsten Jahres ersichtlich sein, wenn die Basstölpel wieder in die Kolonie kommen um zu brüten. Dierschke sagt aber schon jetzt: „Die Lage ist dramatisch, weil so viele Altvögel tot sind“. Sie können dann ihre Küken nicht mehr versorgen und auch in den kommenden Jahren keinen Nachwuchs mehr aufziehen. Basstölpel werden eigentlich bis zu 40 Jahre alt. „Die Auswirkungen auf die Population können dramatisch sein“, sagt der Vogelforscher.

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Mindestens ein Viertel der Seeschwalben ist tot

Bei den bedrohten Seeschwalben meldet Dr. Sandra Bouwhuis, Direktorin des Institus für Vogelforschung in Wilhelmshaven, aktuell 509 tote Vögel. Zu Spitzenzeiten kamen am Tag auch mal 45 dazu, zurzeit finden sie einen toten Vogel pro Tag am Banter See. Mindestens 25 Prozent der Population der bedrohten Vögel sind gestorben. „Das ist eine Katastrophe für die Flussseeschwalbe“, sagt die Vogelforscherin. In den Niederlanden habe es mehr als die Hälfte von Populationen dahin gerafft und auch in Frankreich, Norwegen, England, Irland und Schottland sterben die bedrohten Vögel. Das Tragische: Seeschwalben ziehen ihre Küken immer zu zweit auf, stirbt nur ein Elternteil, können die Küken nicht mehr versorgt werden.

Erstmals Vogelgrippe bei Seevögeln nachgewiesen

Der Grund für die Vielzahl toter Seevögel ist die Vogelgrippe. In Wilhelmshaven wurde das Virus H5N1 bei den Tieren festgestellt und auch auf Helgoland wurden bereits in zwei Proben toter Vögel der positiv auf den Erreger getestet. Es sei das erste Mal, dass Seevögel von der Krankheit betroffen sind, sagen die Vogelforscher wie Jochen Dierschke: „Das ist eine besondere Situation: Wir hatten noch nie die Vogelgrippe in Brutkolonien.“ Dr. Sandra Bouwhuis ergänzt: „Es hat uns komplett überrascht, wir wussten nicht einmal, dass es überhaupt die Möglichkeit gibt.“ Bisher trat die Vogelgrippe bei Hausgeflügel oder Wildvögeln wie Schwänen, Gänsen und Enten auf. Wie und warum das Virus jetzt auf Seevögel übertragen wurde, untersuchen zurzeit Forscher vom Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) in Hannover. Ein Ergebnis wird in den kommenden Monaten erwartet.

Vogelgrippe ist übertragbar auf den Menschen

Wer schwache Vögel entdeckt, sollte sie liegen lassen und auf keinen Fall anfassen. In seltenen Fällen könne sich der Mensch bei engem Kontakt mit dem Vogel infizieren, warnt Vogelwart Dierschke.