Doping-Drama um Kamila Walijewa
Das fragwürdige Team des Superteenies

An diesem Montag will der Internationale Sportgerichtshof CAS bekannt geben, ob Kamila Walijewa trotz eines positiven Dopingtests weiter an den Winterspielen teilnehmen darf. Die Diskussionen in Peking drehen sich aber längst nicht mehr nur um das Eiskunstlauf-Wunderkind.
Eine abgebrühte Betrügerin?
Während sich das Doping-Drama in Peking der Entscheidung näherte, gab sich Kamila Walijewa betont gelöst. Lachend verließ sie nach dem Training am Sonntagmorgen das Eis, das Kurzprogramm sitzt, die Vierfachsprünge landete sie spielend leicht. Von Aufregung scheinbar keine Spur, obwohl ihr Schicksal zu diesem Zeitpunkt längst in den Händen der Sportrichter lag.
Noch für den Abend hatte die Ad-hoc-Kommission des CAS die Anhörung in der Affäre um das Eiskunstlauf-Wunderkind angesetzt. Sie endete Informationen der Sportschau zufolge nach sieben Stunden tief in der Nacht. Das Ergebnis soll am Montag gegen Mittag folgen, einen Tag vor Beginn der Frauenkonkurrenz, in der Walijewa ihr zweites Gold gewinnen kann - wenn der juristische Krimi zu ihren Gunsten ausgeht und wenn sie im tosenden Sturm die Nerven behält.
"Wir müssen daran denken, dass eine 15-Jährige in dieser Situation steckt", sagte Christophe Dubi, Exekutivdirektor des IOC, am Sonntag. Ein Mädchen, das kaum als abgebrühte Betrügerin gelten kann, das aber mittlerweile Teil einer Debatte ist, die weit über den Fall hinausgeht, der in Peking sogar die Schlagzeilen über Coronamaßnahmen oder Menschenrechtsverletzungen verdrängte.
Die eiskalte "Schneekönigin"
Die Fragen, die sich vor allem das Internationale Olympische Komitee gefallen lassen muss, lauten: Ist Russland für den massiven Betrug bei und nach den Spielen 2014 in Sotschi ausreichend bestraft worden? Reichen die Sanktionen, um einen nachhaltigen Kulturwandel zu bewirken? Und warum stehen im Team der Russen noch immer Trainer und Betreuer mit einer dunklen Vergangenheit?
Das IOC versicherte zumindest, die Hintergründe beleuchten zu wollen. "Wir haben die Entourage-Kommission", sagte Sprecher Mark Adams, "und wir wollen, dass die WADA das Team in diesem Fall untersucht." Zu diesem Team gehören unter anderem eine Trainerin, deren harte Methoden in der Eiskunstlaufwelt berüchtigt sind, und ein Arzt, der überführt wurde, Sportler gedopt zu haben.
Eteri Tutberidse trägt in Russland den Spitznamen "Schneekönigin", weil sie ihre oft minderjährigen Schützlinge im Training eiskalt antreibt, etliche Athletinnen und Athleten sind so schnell wie sie zu Stars aufgestiegen wieder verglüht. "Ich ziehe es vor, meinen Athleten die Wahrheit zu sagen, weil sie Schmeicheleien von anderen hören werden", erklärte Tutberidse im Dezember bei Channel One ihre Vorgehensweise.
Teamarzt ist bekannt für Dopingverstöße
Ein Teamarzt der russischen Eiskunstläufer heißt Filipp Schwezki, der nach Recherchen der ARD-Dopingredaktion russischen Ruderern vor den Sommerspielen 2008 verbotene Infusionen verabreicht hatte und deswegen gesperrt wurde.
Das IOC spricht von einer "ziemlich harten Sanktion" für Russland und meint den Bann der Flagge und der Hymne von den Spielen. Dennoch sind in Peking mehr als 200 Athletinnen und Athleten im Namen des Russischen Olympischen Komitees ROC am Start - und mit ihnen reisen Trainer wie Juri Borodawko, der wegen Dopings gesperrt war und in China Alexander Bolschunow zu Langlaufgold führte.
Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA hatte Russland Ende 2019 für vier Jahre von sportlichen Großveranstaltungen ausgeschlossen, der CAS halbierte die Strafe, auch mit der Begründung, man wolle "die nächste Generation der russischen Athleten ermutigen, am sauberen Sport teilzunehmen". Sportlerinnen wie die Europameisterin und Team-Olympiasiegerin Walijewa, die bei den russischen Meisterschaften im Dezember einen positiven Dopingtest abgab und nun vor einer ungewissen Zukunft steht.