Lehrer am LimitBurnout mit Anfang 30: Lehrerin aus Gießen schreibt seitenlangen Hilferuf

„Desperate Teacher“ lautet der Absender der vier Din-A4-Seiten langen Mail, die eine Lehrerin aus dem hessischen Gießen in völliger Verzweiflung anonym an die lokale Tageszeitung Gießener Allgemeine geschickt hat. Die Anfang Dreißigjährige beklagt die unerträglichen Arbeitsbedingungen für sie und ihre Kollegen – auch jenseits der Corona-Krise.
Schulklassen zu groß, Räume zu klein
In ihrem Schreiben setzt die junge Lehrerin zu einem Rundumschlag an: Es gäbe viel zu viel Schüler in den Klasen, die Unterrichtsräume seien zu eng – Gruppenarbeit sei unmöglich. Sie habe für jeden Schüler im Schnitt nur eine Minute Zeit – an individueller Betreuung fehle es komplett. „Es zerbricht mir das Herz“, schreibt sie und erwähnt den traurigen Fall eines Schülers. Dieser habe ohne die nötige Betreuung keine Chance auf seinen Abschluss – er sei zwar super integriert, aber sprachlich vollkommen benachteiligt.
Burnout bei Lehrern: Unterrichtsbedingungen haben sich drastisch verändert
Erziehungsarbeit, Betreuung und das Unterrichten der Kinder würden immer anspruchsvoller, schreibt die verzweifelte Lehrerin weiter. Sie habe oft das Gefühl, sie habe nicht genug getan für ihre Schüler, es sind einfach zu viele. Außerdem sei der Lärmpegel in der Klasse kaum mehr auszuhalten, vieles müsse sie aufgrund fehlender Konzentration im Klassenzimmer zuhause erledigen.
Corona-Bedingungen verschlechtern Lage zusätzlich
Die aktuelle Lage macht den Alltag von Lehrern und auch Schülern nicht leichter: Homescooling, Maskenpflicht im Unterricht, Angst vor einem erneuten Lockdown belasten betroffene Lehrer und Familien zusätzlich.
„Und dann wundern wir uns, wieso ein Kind irgendwann hinschmeißt, die Schule meidet oder ausrastet. Oder belächeln gute Lehrer, die mit ihrer ach so großen Freizeit Burnout bekommen“, beklagt sich die Lehrerin.
Social Community reagiert mit Mitgefühl
Kays Al-Khanak, Redakteur der Gießener Allgemeinen Zeitung, ist überrascht, wie viele Leser die Meinung der Lehrerin unterstützen. Bei den Reaktionen auf den Artikel sei nicht viel zu sehen vom bösen Klischee „faule Lehrer“. „Eltern denken ja auch, dass die Lehrer ihren Job übernehmen.“ oder „Es ist so, wie die Lehrerin es beschreibt. Die Kinder sind frustriert und fühlen sich nicht wahrgenommen“, heißt es dort zum Beispiel. Außerdem sei das Thema rege in Whatsapp-Gruppen unter Lehrern verbreitet und diskutiert worden. Reaktionen von öffentlicher Stelle wie dem Kultusministerium habe es aber bisher noch nicht gegeben.