Bundesverfassungsgericht

Hohe Zinsen bei Steuernachforderung vom Finanzamt sind verfassungswidrig

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Hohe Zinsen auf verspätete Steuernachzahlungen und Steuerrückzahlungen sind verfassungswidrig.
Robert Guenther, picture alliance

Urteil betrifft Steuernachzahlungen und auf Steuererstattungen

Die hohen Steuerzinsen von sechs Prozent im Jahr sind angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase seit 2014 verfassungswidrig. Das gelte für Zinsen auf Steuernachzahlungen und auf Steuererstattungen, teilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Mittwoch mit – und ordnete eine rückwirkende Korrektur an.

Ab 2019 keine Nachzahlungszinsen von sechs Prozent jährlich erlaubt

In der am Mittwoch veröffentlichten Entscheidung heißt es, "die Verzinsung von monatlich 0,5 Prozent ist angesichts der Niedrigzinsphase seit dem Jahr 2014 evident verfassungswidrig." Allerdings darf der Zinssatz bis zum Jahr 2018 noch angewendet werden, erst auf Steuerbescheide ab 2019 sind Nachzahlungszinsen von sechs Prozent jährlich nicht mehr möglich. Rückzahlung können allerdings nur Steuerpflichtige erwarten, deren Bescheide noch nicht rechtskräftig sind. Wie hoch der Zinssatz sein darf, hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts nicht festgelegt. Es ist jetzt Sache des Gesetzgebers bis zum 31. Juli 2022 eine Neuregelung zu treffen. (AZ: 1 BvR 2237/14 u.a.)

„Tatsächlich haben die Finanzämter seit Mai 2019 alle Steuerbescheide in dieser Hinsicht als vorläufig gekennzeichnet. Sie können an die Steuerbescheide auch wieder ran“, sagt Finanztip-Chefredakteur Hermann-Joseph Tenhagen gegenüber RTL/ntv.

Nachzahlungszinsen fallen an, wenn ein Steuerpflichtiger seine Einkommen-, Körperschafts-, Umsatz oder auch Vermögens- und Gewerbesteuer-Erklärung verspätet abgibt und Steuer nachzahlen muss. Zwar gilt immer eine Karenzzeit von 15 Monaten ab Fälligkeit. Innerhalb dieser Frist werden keine Verspätungszinsen erhoben. Ab dann fallen auf Nachzahlungen jedoch 0,5 Prozent pro Monat an. Dabei ist es egal, ob die Verspätung allein vom Steuerpflichtigen verschuldet ist oder das Finanzamt lange für die Bearbeitung brauchte oder eine Außenprüfung des Finanzamts zu einer Nachzahlung führte.

Da die Karlsruher Entscheidung auch die Erstattungen umfasst, werden wohl nicht alle Steuerzahlerinnen und -zahler profitieren. Wer nachzahlen musste, dürfte einen Teil der Zinsen zurückbekommen. Aber wer vom Finanzamt zu viel gezahlte Steuern zurückerhalten hat, wird möglicherweise die Verzinsung teilweise zurückzahlen müssen.

Steuerzinsen sind grundsätzlich erlaubt

Grundsätzlich hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts Nachzahlungszinsen gebilligt. Damit solle der Vorteil abgeschöpft werden, dass der Steuerpflichtige das Geld für die Nachzahlung lange behalten und anlegen konnte. Aber die unveränderte Höhe von sechs Prozent jährlich sei durch die Niedrigzinsphase seit 2014 nicht mehr gerechtfertigt. Der Erste Senat billigte dem Gesetzgeber zwar zu, die Zinshöhe noch bis 2018 anzuwenden, aber ab 2019 ist der Zinssatz nicht mehr anwendbar.

Die Höhe der Nachzahlungszinsen liegt seit Jahrzehnten unverändert bei sechs Prozent. In der historischen Niedrigzinsphase nach Ausbruch der Finanzkrise 2008 war dadurch eine viel kritisierte Schieflage entstanden: Denn die Zinsen sollen potenzielle Gewinne ausgleichen, die in dieser Höhe am Kapitalmarkt derzeit gar nicht zu erzielen sind.

In Karlsruhe hatten zwei Unternehmen geklagt, die nach einer Steuerprüfung allein Zinsen in sechsstelliger Höhe nachzahlen sollten. Weil es hier um Zeiträume zwischen 2010 und 2014 ging, hatte nur eine dieser Verfassungsbeschwerden teilweise Erfolg. (aze/dpa/reuters)