"Ich sitze hier stellvertretend, ich bin eine von vielen"

Frau sitzt tagelang im Schaufenster - was hinter der Aktion steckt

Joana Vau sitzt im Schaufenster, weil ihre Wohnung gekündigt wurde.
Berlin - Joana Vau (35) startet Schaufenster-Aktion, weil sie verzweifelt auf Wohnungssuche ist.
Heinz Kegl, RTL
von Marylin Müller

Es ist ein ungewöhnlicher Anblick im Berliner Wrangelkiez: Statt einer Puppe sitzt täglich ein echter Mensch im Schaufenster. Umgeben von Plakaten, auf denen unter anderem „Keine Verdrängung. Stadt für alle!“ steht. Es ist die 35-jährige Joana Vau, die mit ihrer Aktion auf den schwierigen Berliner Wohnungsmarkt aufmerksam machen möchte. Sie selbst muss aus privaten Gründen aus ihrem Untermietvertrag raus, findet allerdings keine neue, bezahlbare Wohnung in Berlin. Durch die Aktion erhofft sie sich, „mehr Reichweite in ihrem Kiez“ zu erhalten und vielleicht so wieder eine neue Bleibe zu finden, „ohne aufs Land ziehen zu müssen“. Auch möchte sie zeigen „wie groß der Bedarf“ allgemein ist.

"Wer soll das zahlen?"

"Was wenn Frau einfach nur wohnen will"
"Was wenn Frau einfach NUR wohnen möchte?"
RTL

Dass sie sich für mehrere Stunden am Tag in ein Schaufenster setzt, war „eine spontane Idee“, erzählt Joana Vau uns im Gespräch. Die Aktionskünstlerin hat eine Art gesucht, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen und mögliche, hilfreiche Kontakte für die Wohnungssuche zu knüpfen. Eine bezahlbare Wohnung hat sie bisher nämlich noch nicht gefunden. Nicht einmal zu einer Wohnungsbesichtigung kam es bei ihr bisher.

„Alle Angebote, die ich gefunden habe, waren Tauschwohnungen, aber ich habe keine Wohnung zum Tauschen.“ Denn aus ihrer Wohnung muss sie ausziehen. Alle anderen Wohnungen seien zu teuer: „Ich habe beispielsweise eine 42 Quadratmeter Wohnung für 1.200 Euro warm gefunden. Wer soll das zahlen?“

Diese Preise übersteigen ihr Budget und das vieler Wohnungssuchenden deutlich: „Die Miete soll maximal ein Drittel des Nett- Einkommens betragen. Wenn man mehr Kapital hat, kann man sich natürlich auch mehr leisten. Alle anderen müssen ihren Lebensmittelpunkt verschieben und sind gezwungen, aus der Stadt rauszuziehen.“ Die Wohnung, die sie sich leisten kann, soll maximal 550 Euro Warmmiete kosten und zwischen 40 und 45 Quadratmeter groß sein: „Viele werden jetzt wahrscheinlich lachen, aber so ist es nun mal. Da kommen ja auch noch Kosten wie Strom und Gas dazu. Und die Kosten steigen immer weiter.“

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"Viele Leute sind in der gleichen Situation"

Joana Vau: "Ich freue mich über den Austausch"
Joana Vau: "Ich freue mich über den Austausch"
Heinz Kegl, RTL

Durch die Schaufenster-Aktion ist Joana Vau mit vielen Mitmenschen in ihrem Viertel in Kontakt getreten: „Viele sind vorbeigekommen und haben mir ihre Geschichten erzählt. Viele Leute kommen her und sagen, hey, ich suche auch.“ Das hilft ihr zwar nicht direkt bei der eigenen Wohnungsproblematik, aber „auch der Austausch ist wichtig.“

Gerade, dass so viele Menschen auf sie zukommen und „das Feedback zu der Aktion so toll“ ist, zeigt ihr: „Es besteht Handlungsbedarf!“. Die 35-Jährige sieht sich selbst als das Sprachrohr: „Ich sitze hier stellvertretend, ich bin eine von vielen.“

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Erster Hoffnungsschimmer

Vielen Leuten konnte sie ihre Kontaktdaten mitgeben, gemeldet hat sich bisher noch niemand bei ihr. Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es aber doch: „Ich habe von meinem Nachbarn einen heißen Tipp bekommen. Vielleicht kann ich mir eine Wohnung des städtischen Wohnungsbaus anschauen.“

Ihrer Erfahrung nach klappt es mit der Wohnungssuche dann eben doch meistens „wenn jemand jemanden kennt.“. Mit der Schaufenster-Aktion mache sie jetzt erstmal Schluss, „es war überwältigend“.