Was bedeutet das nun?
Arbeitszeiterfassung verpflichtend: Der Arbeitsrechtsexperte ist skeptisch
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Das Bundesarbeitsgericht hat ein Urteil mit weitreichenden Folgen gefällt: Demnach sind Arbeitgeber künftig verpflichtet, die Arbeitszeiten ihrer Angestellten systemisch zu erfassen. Abseits der altbekannten Stechuhr gibt es mittlerweile viele modernere, technische Möglichkeiten, mit denen das auch einfach umsetzbar ist. Aber macht das wirklich vieles einfacher? Wo lauern Probleme? Wir haben mit einem Experten für Arbeitsrecht gesprochen – im Video klärt er uns auf.
Gerichtsurteil soll eigentlich Arbeitnehmer schützen
Franz-Josef Rose erklärt das Gerichtsurteil und die damit verbundene Intention des Arbeitsgerichtes noch einmal – konkret solle das System verstärkt für Gerechtigkeit sorgen: „Der Europäische Gerichtshof hat gesagt: Es muss händelbar sein. Es muss also auch für den Kleineren und Mittleren machbar sein. Es soll eigentlich nur überprüft werden, ob Arbeitnehmer, die im Arbeitszeigesetz vorgegebenen Höchstgrenzen einhalten. Es soll sich also niemand zu Tode arbeiten.“ Dementsprechend wäre die Umsetzung der Pflicht eigentlich eine gute Sache, gäbe es da nicht noch eine Reihe ungeklärter Fragen.
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Der Teufel steckt im Detail
Und tatsächlich entstehen durch die Umstellung auf ein exaktes Zeiterfassungssystem viele kleine Probleme, die auf den ersten Blick gar nicht so ersichtlich sind. Wann genau wird die Zeit erfasst? Gerade in größeren Betrieben ist diese Frage gar nicht so leicht zu beantworten: „Wenn ich an der Schippe stehe sozusagen, dann fängt erst die Arbeit an. Also die Zuwegung zur Arbeit, auch die Wegung im Werk, also vom Werkstor bis an den Arbeitsplatz, ist keine Arbeitszeit. Die Arbeit fängt erst am Schreibtisch, an der Werkmaschine an“, erklärt uns Franz-Josef Rose, Fachanwalt für Arbeitsrecht.
Darüber hinaus bedarf es einer Klärung für kleine Pausen. Werden Arbeitnehmer dann in Zukunft gezwungen, in jeder Raucherpause aus- und wieder einzustempeln? Die Zunahme von Arbeit im Home Office macht die Zeiterfassung noch intransparenter. Laut Rose sorge die Digitalisierung dafür, dass sich die Arbeit immer weiter vom Arbeitsplatz entfernt, die Kontrolle der Arbeitszeit wird also zwangsläufig an manchen Arbeitsstellen auf Vertrauensbasis geführt werden müssen.
Arbeitgeberverband kritisiert Urteil
Kritik kommt nun von denen, die durch das Gesetz teils umständliche und mitunter auch teure Systeme zur Zeiterfassung in den eigenen Betrieben installieren müssen. Die Arbeitgebervereinigung BDA bezeichnet das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) als „überstürzt und nicht durchdacht“. Das Gericht überdehne mit seiner Entscheidung den Anwendungsbereich des Arbeitsschutzgesetzes deutlich, sagt BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter. „Damit werden Beschäftigte und Unternehmen ohne gesetzliche Konkretisierung überfordert. Diese Entscheidung darf nicht dazu führen, dass bewährte und von den Beschäftigten gewünschte Systeme der Vertrauensarbeitszeit in Frage gestellt werden.“ (dpa/kmü/fbr)