Afghanische Fußballerinnen in Todesangst

„Die Frauen haben ihre Hoffnung verloren“

Afghanische Nationalspielerinnen
Afghanische Nationalspielerinnen im Jahr 2011.
Imago Sportfotodienst

In Afghanistan herrschen wieder die islamistischen Taliban. Mit ihnen kehrt die Angst zurück. Vor allem Frauen sind betroffen. Die Spielerinnen der Fußball-Nationalmannschaft fürchten um ihr Leben. Das beschreibt die Koordinatorin des Teams in bedrückend ehrlichen Worten.
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„Sie weinen, sie weinen einfach und sind traurig"

FILE - This Tuesday, March 8, 2016 file photo shows Khalida Popal, the former Afghanistan national women's team captain, in Copenhagen. The footballers in the Afghanistan women’s team Popal helped to establish now fear for their lives after the Taliban swept to regain control of the country after two decades. (AP Photos/Jan M. Olsen, File)
Khalia Popal lebt seit 2016 in Dänemark.
LT**LON**, AP, Jan M. Olsen

Die Taliban haben in Kabul die Macht übernommen und in der Hauptstadt des kriegsgebeutelten Landes geht die Angst um – besonders unter Frauen wie den afghanischen Sportlerinnen. Statt Fußball heißt es für sie nun: überleben.

Khalida Popal, früher Spielerin und nun Koordinatorin der Nationalelf, berichtet von existenziellen Sorgen der jungen Frauen. Popal lebt inzwischen in Dänemark, sie erzählt von verzweifelten Anrufen und Sprachnachrichten aus ihrer Heimat.

Ihr bitterer Rat: flieht. Flieht vor den Taliban. „Ich rate allen, ihre Social-Media-Kanäle zu entfernen, Bilder runterzunehmen, sich zu verstecken“, erklärte Popal der Nachrichtenagentur AP. „Das bricht mir das Herz, weil wir das über Jahre aufgebaut haben, dass sich Frauen zeigen dürfen. Und nun muss ich den afghanischen Frauen sagen, dass sie schweigen und verschwinden sollen, weil sie sich in Lebensgefahr befinden“, sagte Popal weiter.

Die Situation der Spielerinnen sei besorgniserregend – die Frauen leiden. „Sie weinen, sie weinen einfach und sind traurig. Sie haben so viele Fragen. Es ist nicht fair, was mit ihnen geschieht“, so Popal.

Die widerstandslose Aufgabe erschüttert die Frauen

Die meisten versuchen offenbar bei Bekannten oder Verwandten Unterschupf zu finden. Zu groß sei die Gefahr in der eigenen Wohnung zu bleiben. „Sie verstecken sich, da die Nachbarn wissen, dass sie Spielerinnen sind. Die Taliban sind überall und erzeugen Angst.“

Die widerstandslose Übergabe der Macht der bisherigen afghanischen Regierung an die Taliban habe emotionale Spuren hinterlassen. Bei den Spielerinnen und Popal. „Es war schmerzhaft zu sehen, dass die Regierung aufgegeben hat. Die Frauen habe ihre Hoffnung verloren.“

Dabei war eben jene Hoffnung nach dem Umsturz vor fast 20 Jahren langsam zurückgekehrt, beschreibt Popal. 2007 war sie als Spielerin dabei, als die afghanische Auswahl ihre Premiere feierte. „Wir waren so stolz, dieses Trikot zu tragen.“ Es sei das „schönste und beste Gefühl“ gewesen, erinnert sich die 34-Jährige.

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"Die Taliban lieben Cricket"

Doch von diesem Gefühl ist nun, im Jahr 2021, nichts mehr übrig. Unter der Bedrohung leiden nicht nur die Fußballerinnen. Hoffnungslos ist auch die Situation der beiden Para-Athleten aus Afghanistan. Zakia Khudadadi und Hossain Rasouli sollten eigentlich bei den Spielen in Tokio im Taekwondo antreten. Wegen der Ereignisse in ihrem Heimatland wird ihr Traum unerfüllt bleiben. Das bestätigte das Internationale Paralympische Komitee (IPC).

„Aufgrund der sehr ernsten Situation im Land sind alle Flughäfen geschlossen worden. Wir hoffen, dass das Team und die Offiziellen in dieser schwierigen Zeit in Sicherheit bleiben, sagte IPC-Sprecher Craig Spence.

Ganz anders scheint die Situation beim Cricket. Der Präsident des nationalen Verbandes versicherte in einem Statement: „Die Taliban lieben Cricket. Sie haben uns von Beginn an unterstützt und stören unsere Aktivitäten nicht.“ Die Cricket-Sportler und deren Familien müssten sich keine Sorgen machen.

Eine Aussicht, von der die afghanischen Fußballerinnen nur träumen können. (msc)