Weinlese nach der Flut

An diesen Trauben hängt die Zukunft der Region

Abreißen, aufräumen, saubermachen - so sieht momentan der Alltag gut zehn Wochen nach der tödlichen Flutwelle im Ahrtal aus. Auch viele Winzerbetriebe sind betroffen. Die Region lebt vom Weinbau, und jetzt sind die Trauben reif. Die Zukunft des Tals entscheidet sich in diesen Tagen auf den Hängen oberhalb der Ahr.
Das Tal liegt in Trümmern, die Hoffnung liegt jetzt auf den Trauben. Und die Zeit drängt: die Früchte drohen zu verfaulen. Winzer Bernd Gilles aus Marienthal steht zwischen seinen Rebstöcken und strahlt trotz der Flutkatastrophe Zuversicht und Gottvertrauen aus: „Solange ich denken kann sind die Trauben immer alle gelesen worden. Und da habe ich gesagt: Dann werden die auch dieses Jahr geerntet.“

„Die Winzer haben andere Probleme“

Normalerweise ernten Freunde und Verwandte die Trauben. Aber alle sind selbst von der Flut betroffen. Gilles ist deshalb froh über die Freiwilligen aus ganz Deutschland, die morgens per Helfershuttle an die Ahr kommen. Nach einer kurzen Einweisung geht’s in die steilen Hänge zur Weinlese. Petra Thomas ist mit ihrem Sohn aus dem nahen Siegburg gekommen: "Wir waren früher zum Wandern hier und auf Winzerfesten, und jetzt ist hier alles kaputt. Ich will einen ganz kleinen Beitrag leisten, dass es hier wieder aufwärts geht."

Klaus Schwäbig, IT-Experte aus Bonn, hat extra Urlaub genommen: "Die Winzer haben andere Probleme als nur die Weinlese. Die müssen sehen, dass Haus und Hof wieder ans Laufen kommen."

Eine zerstörte Produktionshalle für Wein im Ahrtal.
Die zerstörte Produktionshalle von Winzer Gilles nach der Flut.
Moritz Gilles

Neuanfang aus Trümmern

Haus und Hof sind bei vielen unbewohnbar, so wie bei Ahr-Winzer Gilles. Die Produktionshalle, der Weinkeller, alles war verwüstet. "Am Tag nach der Flut war hier erstmal Open Holland, alles offen, das ganze Dach voll Treibgut, da habe ich zuerst mal dumm geguckt“, erklärt er und zeigt auf das Hallendach, das mittlerweile notdürftig geflickt ist. Wein kann er hier in diesem Jahr nicht verarbeiten. Was ihm bleibt für den Neuanfang: Ein paar Geräte und 6000 Liter Spätburgunder. Darum ist die Ernte in diesem Jahr entscheidend. Ob er es schafft? „Ich will es hoffen“, sagt der 55-Jährige. Aufgeben – für ihn keine Option.

Neben Gebäuden und Geräten hat die Flut auch Weinreben in den unteren Lagen umgerissen. Rund 10 Prozent der gesamten Weinbaufläche an der Ahr sind zerstört. Darum kommt es jetzt auf jede Traube an.

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In der Winzergenossenschaft im Nachbarort Dernau blieben die Anlagen verschont.

Hier kann auch Bernd Gilles seine Ernte abladen und verarbeiten lassen. Dass es an der Ahr mit dem Weinbau weitergeht, liegt an der Hilfe der Freiwilligen, aber auch an Winzern aus anderen Weingebieten. Die haben Keltergeräte und Pressen gespendet, Trecker repariert und haben beim Entlauben vor der eigentlichen Ernte geholfen.

Winzer Gilles steht zwischen seinen Rebstöcken und prüft den Zuckergehalt der Trauben. Es war auch zu feucht im Juli und August. Trotzdem ist er sicher: "Da machen wir was gutes draus.“

Die Trauben geben den Menschen an der Ahr Hoffnung, auch wenn das Tal noch in Trümmern liegt. (hwe)