Deutliche Worte16 großartige Songs gegen Rassismus

So wie einst Woody Guthrie - Gitarre mit Statement
So wie einst Woody Guthrie - Gitarre mit Statement
RTL.de

Dass Rassismus nach wie vor ein relevantes Thema in unserer Gesellschaft ist, zeigt sich daran, dass es sich stark in unserer Kultur widerspiegelt. Egal, ob Film, Theater, Kunst, Literatur oder Musik. An dieser Stelle deshalb ein Blick auf mehr oder weniger bekannte Songs, die sich kritisch mit Rassismus auseinandersetzen.

Strange Fruit – Billie Holiday

Billie Holiday bei einem Auftritt in New York 1947.
Billie Holiday bei einem Auftritt in New York 1947.
akg-images

Der bekannteste und wohl älteste Song in der populären Musik, der sich mit diesem Thema auseinandersetzt. Ursprünglich war es ein Gedicht von Abel Meeropol (unter dem Pseudonym Lewis Allan). Inspiriert wurde Meeropol von einem Foto, das den Lynchmord an Thomas Shipp und Abram Smith in Marion (US-Bundesstaat Indiana) zeigt. Er vergleicht die toten, entstellten Körper, die an den Ästen hängen, mit Früchten. Der frische Duft der Magnolien kann den Gestank verbrannten Fleisches nicht übertünchen.

Im galanten Süden wird eine bittere Ernte eingefahren. Billie Holidays Plattenfirma wollte den Song weder aufnehmen noch veröffentlichen, gab ihr aber die Chance, es für eine andere Firma aufzunehmen. Der Musikproduzent Ahmet Ertegun nannte den Song „eine Kriegserklärung“ und „den Beginn der Bürgerrechtsbewegung“. Der Autor David Margolick vergleicht das Lied in seiner Wirkung und Symbolkraft Liedes mit der Aktion der Bürgerrechtlerin Rosa Parks, die sich 1955 weigerte, ihren Sitzplatz im Bus einem Weißen zu überlassen.

Say It Loud, I'm Black And I'm Proud - James Brown

James Brown
Der "Godfather of Soul" James Brown im Tonstudio.
Geo Television / © 2014 Mr

James Brown war der „Godfather of Soul“ und er machte den Funk berühmt und salonfähig. Ein ähnlich kulturell umwälzende Bedeutung kann man seinem Lied „Say It Loud, I’m Black And I’m Proud“ zurechnen. Denn damit wurde James Brown in den 60er Jahren zur Identifikationsfigur für die Schwarze Bürgerrechtsbewegung in den USA und prägte ein neues soziokulturelles Selbstbewusstsein der Black Community.

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Fight The Power - Public Enemy

Die Hip-Hop-Gruppe Public Enemy hat mit „Fight The Power“ in den späten 80er Jahren ein deutliches Statement gegen Polizeigewalt und bestehende Machtverhältnisse gesetzt. Die Zeit für einen friedlichen Protest ist vorbei, vielmehr müsse man sich gegen die rassistisch motivierte Polizeigewalt zur Wehr setzen. Inhaltlich anknüpfend an die politische Bewegung der Black- Panther-Party schafften Public Enemy nicht zuletzt mit dem Song „Fight The Power“ die Hip-Hop-Kultur und Gangsta-Rap im US-Mainstream zu etablieren.

Black Parade - Beyoncé

ARCHIV - Beyonce tritt am 12.02.2017 in Los Angeles, USA, während der 59. Verleihung der Grammy Awards im Staples Center auf. Beyoncé präsentierte bei den Grammys nicht nur ihre Lieder, sondern auch ihren Baby-Bauch. (zu dpa «Beyoncés Babybauch und Obama-Tweet: Was 2017 im Netz angesagt war» vom 07.12.2017) Foto: Matt Sayles/Invision/AP/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Beyoncé bei ihrem Auftritt bei der 59. Grammy-Verleihung in Los Angeles, USA.
AK PM DC CJ NS DA hjb wck cgt bs, dpa, Matt Sayles

Vier Wochen nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd veröffentlichte R’n’B- und Pop-Superstar Beyoncé Knowles mit dem Song „Black Parade“ eine Hymne für die „Black Lives Matter“-Bewegung. Zum ersten Mal hören konnte man „Black Parade“ während des amerikanischen Gedenktags „Juneteenth“. Das Datum war bewusst gewählt, denn der Gedenktag ist für die afroamerikanische Bevölkerung von besonderer Bedeutung: am 19. Juni 1865 wurde im texanischen Galveston offiziell das Ende der Sklaverei erklärt.

Wildfires - SAULT

HANDOUT - 23.12.2020, ---: Das Cover des Albums "Sault - Untitled (Black Is) des anonymen britischen Projekts Sault (undatierte Aufnahme). Keine Band wird 2020 so gefeiert wie  Sault. Mit zwei Alben zwischen Polit-Soul und Hip-Hop liefern die Musiker einen kraftvollen Soundtrack für «Black Lives Matter». Foto: Sault/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit einer Berichterstattung über das Album und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++
Das Plattencover zu dem Album "Untitled (Black Is)" von SAULT
sab, dpa

Das Londoner Künstlerkollektiv SAULT hat 2020 auf gleich zwei Alben den Soundtrack zur „Black Lives Matter“-Bewegung aufgenommen. Die Band bleibt anonym im Hintergrund, im Vordergrund stehen die Musik und die Message. Der Song „Wildfires“ lässt sich textlich auf den durch einen weißen Polizisten gewaltsam getöteten George Floyd beziehen: „Take off your badge, we all know it was murder“. In den Jahresbestenlisten der Musikpresse belegten die beiden Alben „Untitled (Black Is)“ und „Untitled (Rise)" fast durchweg die Spitzenplätze. Der vielfältige Soul-Sound der Band knüpft direkt an die gesellschaftspolitische „Black is Beautiful“-Bewegung aus den 70er Jahren an und verdeutlicht somit: seither hat sich zu wenig getan und der weltweite Kampf gegen den strukturellen Rassismus wird – leider – noch weiter andauern.

This Is America - Childish Gambino

Der US-amerikanische Schauspieler und Filmproduzent Donald Glover ist als Childish Gambino auch als Musiker äußerst erfolgreich. Mit dem Song „This Is America“ und dem dazugehörigen Musikvideo hat der Künstler ein bedrückendes Statement über den allgegenwärtigen Rassismus in den USA gesetzt – und das im Jahr 2018. Der Song und das Video funktionieren als künstlerische Einheit. Glover vermischt Gospel, Rap und Soul, erinnert in der beeindruckenden Tanzperformance des blutgetränkten Videos an die Sklaverei, die unwürdigen Ministrel-Shows und die Jim-Crow-Gesetze und muss am Ende vor weißen Polizisten fliehen – leider immer noch traurige Alltagsrealität für viele People of Colour in den USA.

Ich bin schwarz - SXTN

SXTN, die Rapperinnen Juju und Nura
Das Hip-Hop-Duo SXTN setzt sich künstlerisch mit Rassismus in Deutschland auseinander.
Pressebild, FKP Scorpio

Nicht nur im englischsprachigen Raum wird das Thema Rassismus in Songs verarbeitet. Bekannte deutsche Künstler wie Die Ärzte, Die Toten Hosen oder Samy Deluxe haben sich in verschiedenen Songs deutlich gegen Ausgrenzung, Diskriminierung und Neonazis positioniert. Das cleverste Statement hat in der jüngsten Vergangenheit das Berliner Hip-Hop-Duo SXTN abgeliefert. In „Ich bin schwarz“, dessen Hookline die bekannte Melodie das Neue-Deutsche-Welle-Hits „Ich Will Spaß“ von Markus zitiert, nehmen die Rapperinnen Juju und Nura provokativ die Klischees auseinander, mit denen sich People of Colour in Deutschland tagtäglich konfrontiert sehen. Die Textzeile „Ich bin schwarz, ich hab’ Arsch!“ offenbart einen doppelten Boden. Sie demaskiert rassistische Zuschreibungen und funktioniert gleichzeitig als Empowerment für die Schwarze Community in Deutschland.

American Skin (41 Shots) – Bruce Springsteen

Bruce Springsteen und Saxofonist "The Big Man" Clarence Clemons
Bruce Springsteen und Saxofonist "The Big Man" Clarence Clemons auf der Bühne am 14.04.1981 in der Festhalle in Frankfurt am Main.
picture alliance

Hintergrund: In einer Februarnacht 1999 schossen vier Zivilpolizisten in New York 41 Mal auf Amadou Diallo. Die Polizisten gaben später an, ihn mit einem gesuchten Vergewaltiger verwechselt zu haben. Außerdem hatte Diallo in seine Jacke gegriffen, um seine Geldbörse herauszuholen. Ein Polizist dachte, er würde eine Waffe ziehen. Diallo war jedoch unbewaffnet, wie sich schließlich herausstellte. Die Polizisten wollen eine Warnung ausgesprochen haben, Zeugen wiederum gaben an, keine solche Warnung gehört zu haben. Springsteens Fazit aus diesem Vorfall: „Es ist kein Geheimnis – Du kannst getötet werden, wegen Deiner amerikanischen Haut.“ Und er gibt aus der Sicht einer afroamerikanischen Mutter gleich eine zynische Verhaltensregel mit auf den Weg: „Wenn Dich ein Polizist anhält, sei besser immer höflich, renn nicht weg und versprich Deiner Mutter, dass Deine Hände immer zu sehen sind“

Don’t Drag Me Down – Social Distortion

Mike Ness, Social Distortion, Coachella Music and Arts Festival in Indio, Kalifornien, 14. April 2013
Mike Ness, Social Distortion, Coachella Music and Arts Festival in Indio, Kalifornien, 14. April 2013
picture alliance / dpa | Steven C. Mitchell

Worum es in dem Song geht, hat niemand besser erklärt als Social-Distortion-Sänger Mike Ness: „Dies ist eine fröhlich kleine Nummer über Ignoranz. Es tut mir leid, sagen zu müssen, dass sie immer noch existiert. Lasst mich nur eine Sache sagen: Adolf Hitler nahm eine Zyanid-Kapsel, hielt sich eine Waffe an die Schläfe und blies sich das Gehirn weg. An alle, die an „White Surpremacy“ glauben: Folgt eurem Führer!“

Why I Sing The Blues – B.B. King

B.B. King am 22. August 2012 bei einem Konzert auf dem Gelände einer Baumwollfarm in Indianola, Mississippi, auf der er als Jugendlicher arbeitete.
B.B. King am 22. August 2012 bei einem Konzert auf dem Gelände einer Baumwollfarm in Indianola, Mississippi, auf der er als Jugendlicher arbeitete.
picture alliance / AP Photo

„Die Leute fragen mich, warum ich immer noch den Blues singe“, wiederholt King etliche Male in diesem Bluessong. Der Blues hat seine Ursprünge in Afrika und entwickelte sich unter aus den Liedern, die Sklaven bei der Arbeit sangen. Und genau auf diesen Punkt nimmt King bei seiner Frage Bezug. Die Sklaverei ist zwar abgeschafft, aber die Ungleichheit existiert immer noch. Der Song ist ein achtminütiger Ritt durch die Geschichte der afroamerikanischen Bevölkerung – sie beginnt mit den Peitschenhieben während der Schiffüberfahrt von Afrika nach Amerika und endet beim noch immer anhaltenden Kampf um Anerkennung und Gleichberechtigung. Und so lange es die nicht gibt, „sing ich weiter den Blues“

A Change Is Gonna Come – Sam Cooke

Sam Cooke im Studio, 1964
Sam Cooke im Studio, 1964
Library of Congress, picture alliance / Everett Collection | Courtesy Everett Collection

Sam Cooke schrieb diesen Song, nachdem man ihn an einem Motel wegen seiner Hautfarbe abgewiesen hatte. Darüber hinaus hatte ihn Bob Dylans „Blowin‘ in the Wind“ sehr beeindruckt, so dass Cooke sich wunderte, dass ein solch ergreifender Song über Rassismus von einem Weißen stammte. Gleichzeitig war es ihm beinahe peinlich, dass er selbst noch keinen Song zu dem Thema geschrieben hatte. Nach der Veröffentlichung von „A Change is gonna Come“ im Jahre 1964 avancierte der Song zu einer Art Hymne der Bürgerrechtsbewegung. Nach seiner Wahl zum Präsidenten im Jahr 2008 nahm Barack Obama auf den Song Bezug, als er sagte: "It's been a long time coming, but tonight, change has come to America."

Free Your Mind - En Vogue

Rhona Bennett, from left, Terry Ellis and Cindy Herron, from En Vogue, perform "Free Your Mind" at the Billboard Music Awards on Wednesday, Oct. 14, 2020, at the Dolby Theatre in Los Angeles. (AP Photo/Chris Pizzello)
En Vogue - in der Zwischenzeit zum Trio geschrumpft - live bei den Billboard Music Awards in Los Angeles im Oktober 2020 performen ihren größten Hit "Free Your Mind".
PM DC, AP, Chris Pizzello

Die vier „funky Divas“ von En Vogue sangen 1992 mit „Free Your Mind“ einen kraftvolle Hymne gegen Vorurteile, die vor allem in den USA und im Vereinigten Königreich die Charts stürmte. Die vier Sängerinnen Terry Ellis, Dawn Robinson, Cindy Herron und Maxine Jones setzten dabei nicht nur ein starkes Zeichen gegen Rassismus, sondern auch gegen Sexismus und andere Stereotypen: „Free your mind, and the rest will follow, be colour-blind, don't be so shallow!“

Silver and Gold - U2

Der Sänger der irischen Rockband U2, Bono, tritt am 15.09.2010 in München (Oberbayern) im Olympiastadion auf.  Bono ist nach Angaben seines Arztes bei seinem Sturz vom Rad im New Yorker Central Park schwer verletzt worden. Wie der Unfallchirurg der US-Zeitschrift «Rolling Stone» am Mittwoch (19.11.2014) mitteilte, erlitt Bono bei dem Unfall am Sonntag mehrere Knochenbrüche, darunter im Gesicht, am Schulterblatt und am Oberarm. Foto: Tobias Hase/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Der Sänger der irischen Rockband U2, Bono, in München, 15.09.2010.

Hier hat sich dankenswerterweise der Autor des Textes, U2-Sänger Bono, zu Wort gemeldet, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, worum es in dem Lied geht. Zu sehen und zu hören in dem Film „Rattle and Hum“: Geschrieben für die Aktion „Artists against Apartheid“. „Ein Song über einen Mann in den Vororten von Johannesburg. Über einen Mann, der es satt hat, von den Weißen in Südafrika unterdrückt zu werden. Über einen Mann, der an dem Punkt angelangt ist, sich mit Waffengewalt gegen seine Unterdrücker zu wehren. Über einen Mann, der das Vertrauen in die Friedensstifter des Westens verloren hat, wegen ihrer Rederei und ihrem Versagen, einen Mann wie Bischof Tutu und dessen Forderung nach Sanktionen gegen Südafrika zu unterstützen.“

Biko - Peter Gabriel

Peter Gabriel in Südafrika, auf seiner Stirn die Häftlingsnummer von Nelson Mandela.
Peter Gabriel in Südafrika, auf seiner Stirn die Häftlingsnummer von Nelson Mandela.
picture-alliance / dpa | Wayne_Conradie

Wie „Silver and Gold“ von U2 setzt sich aus Peter Gabriels Song „Biko“ mit der Apartheid und dem Rassismus Südafrikas auseinander. Der Song beschreibt den Tod des Bürgerrechtlers Stephen Biko, der 1977 verhaftet und von der Polizei zu Tode gefoltert wurde.

All You Fascists – Woody Guthrie / Billy Bragg & Wilco

Woody Guthrie
Woody Guthrie mit seiner bevorzugten "Waffe".
Library of Congress, picture alliance / United Archives/WHA

Woody Guthrie (1912-67) vertraute auf die Macht der Musik im Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit und Rassismus, seine Gitarre war seine Waffe. Der Schriftzug „This Machine kills Fascists“ zierte sein Instrument. Doch es ist ein langer Kampf. Dass Billy Bragg und Wilco Ende der 1990er Jahre speziell diesen Text Guthries aus den Archiven ausgruben und vertonten, zeigt, dass er weiter andauert. Zieht man jedoch zusätzlich in Betracht, dass der Text bereits während des Zweiten Weltkriegs entstand, beschrieb er mit den Worten „You fascists are bound to lose“ immerhin das Schicksal, dass Nazi-Deutschland bevorstehen sollte.

Rednecks - Randy Newman

HOLLYWOOD, CA - FEBRUARY 27:  Composer Randy Newman, winner of the award for Best Original Song for 'We Belong Together' from 'Toy Story 3', poses in the press room during the 83rd Annual Academy Awards held at the Kodak Theatre on February 27, 2011 in Hollywood, California.  (Photo by Jason Merritt/Getty Images)
Randy Newman bei der Oscar-Verleihung 2011.

Dieser Song ist wahrscheinlich eines der komplexesten Anti-Rassismus-Statements überhaupt. Beim ersten Hören durchaus misszuverstehen, holt Randy Newman zum Rundumschlag gegen alle möglichen Arten des Rassismus aus – von Antisemitismus über offen zur Schau getragenen Hass gegenüber Menschen nichtweißer Hautfarbe bis hin zum strukturellen Rassismus in den Großstädten Nordamerikas. Das Ganze tut Newman aus der Sicht eines rassistischen Südstaatlers, der sich darüber ereifert, dass ein Fernsehmoderator (den er als „Smart ass New York Jew“ bezeichnet) Georgias rassistischen Vize-Gouverneur Lester Maddox lächerlich macht, dann offen zugibt, überzeugter Rassist zu sein, um anschließend die Bigotterie des Nordens anzuklagen, wo man Gleichberechtigung predigt, die sich aber in der Gesellschaftsstruktur nicht wiederfindet. Newman bezieht sich auf den Auftritt Maddox’ in der „Dick Cavett Show“, bei dem Maddox mitten im Gespräch beleidigt das Studio verlies. Der Auftritt schrieb Fernsehgeschichte.