Über 100 Minuten Fußball

Warum die Nachspielzeit bei dieser WM so lange dauert

21.11.2022, Katar, Doha: Fußball, WM 2022 in Katar, England - Iran, Vorrunde, Gruppe B, Chalifa International Stadion, Die Großbildleinwand zeigt die vierzehnminütige Nachspielzeit am Ende der ersten Halbzeit. Foto: Martin Rickett/PA Wire/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
14 Minuten Nachspielzeit - so geschehen beim WM-Spiel Iran gegen England
spf, dpa, Martin Rickett

Der erste (sportliche) Trend der umstrittensten WM der Fußball-Geschichte ist jetzt schon klar erkennbar: Fußballspiele dauern nicht mehr gut 90 Minuten, sondern ziehen sich auch gerne mal über 100 Minuten. Was steckt dahinter?

Rekordspiele bei der WM 2022

Zuschauer des WM-Spiels England gegen Iran wurde Zeugen eines historischen Ereignisses. Das 6:2 der Three Lions gegen den Iran erstreckte sich von An- bis Abpfiff über sagenhafte 117 Minuten. 14 Minuten Extrazeit in der ersten Hälfte, zehn in der zweiten, die dann auch nochmal gesprengt wurde. Das Tor des Iraners Mehdi Taremi fiel gar in der 13. Minute der Nachspielzeit. Statistiker haben nachgeguckt: So spät fiel seit Einführung der detaillierten Statistik 1966 noch nie ein Tor bei einer WM. Das Tor des Niederländers Davy Klaassen (90.+9) war das zweitspäteste. Es fiel auch an diesem Montag.

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Nun lag die Kaugummi-Nachspielzeit im Fall Iran-England zu einem gewichtigen Grund daran, dass der iranische Keeper Ali Beiranvand nach einem heftigen Zusammenprall mit einem Gegenspieler lange an Kopf und Nase behandelt und anschließend mit Verdacht auf eine Gehirnerschütterung ausgewechselt werden musste, hinzu kam ein längerer Videobeweis. Die verlorene Zeit setzte der Referee Raphael Claus dann richtigerweise hintendran. Auch bei der WM-Sensation Saudi-Arabiens gegen Argentinien führte unter anderem eine Behandlungspause zu einer längeren Nachspielzeit (14 Minuten zusätzlich). Dennoch wurde auch aus einem anderen Grund die Nachspielzeit zweistellig.

Collina erklärt die Hintergründe

Der lautet ganz einfach: Es ist vom Weltverband, also der FIFA, so gewollt. Der Ball soll rollen. Das ist die Anweisung. Schon vor Monaten hatte Schiedsrichter-Legende und FIFA-Schiri-Chef Pierluigi Collina angekündigt, dass die Spiele auch mal knapp 100 Minuten dauern können.

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„Wir werden die Nachspielzeit sehr sorgfältig kalkulieren und versuchen, die Zeit auszugleichen, die durch Zwischenfälle verloren geht“, sagte Collina. „Wir wollen nicht, dass es in einer Halbzeit nur 42 oder 43 Minuten aktives Spiel gibt, das ist nicht akzeptabel. So solle die Zeit, die durch Torjubel, Auswechslungen, Verletzungen oder Platzverweise verloren gehe, in jedem Fall nachgespielt werde. „Sieben, acht, neun Minuten Nachspielzeit“, seien in einem normalen WM-Spiel in Katar durchaus zu erwarten, erklärte der Italiener.

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Gesucht: das größtmögliche Spektakel

Schon im April hatte eine Meldung aus Italien für Aufsehen erregt. Der „Corriere dello Sport“ hatte damals geschrieben, dass die effektive Spielzeit bei der WM ausgedehnt werden solle, so könnten Spiele auch mal bis zu 100 Minuten dauern. Zunächst las sich die Meldung vielerorts so, dass die dafür sogar Spielregeln geändert werden sollten, also von 90 Minuten auf offiziell 100 Minuten Spielzeit. Dem war nicht so, wie die FIFA dann auch schnell mit einem offiziellen Statement klar machte. Offiziell geht ein WM-Spiel 90 Minuten. Plus Nachspielzeit eben.

Angesichts der ersten Spiele aber lässt sich sagen: Die Spiele dauern dann mit Nachspielzeit dann de facto doch fast 100 Minuten – oder sogar länger. Die Ausdehnung soll auch auf Wunsch von Fifa-Boss Gianni Infantino forciert worden sein. Der Hintergrund: Studien hätten gezeigt, dass der Ball in der Champions League nur 60 Prozent der Zeit rolle. Und die Anweisung ist eben: Die Show soll in den Vordergrund. "Ziel ist, den Zuschauern das größtmögliche Spektakel zu bieten", sagte Schiri-Boss Collina. (msc)