„Wir müssen die Sportförderung komplett revolutionieren“
Die deutsche Spitzensportförderung und das Hoffen auf Besserung
Dabei sein ist längst nicht alles. Für viele Spitzen-Sportler geht es bei Olympia immer auch um Medaillen. So auch bei Leonie Menzel. Die Düsseldorferin rudert seit ihrer Kindheit und hat es geschafft: Bronze im vergangenen Jahr in Paris. Trotzdem ist sie mit ihrer Situation nicht zufrieden.
„Man kann nicht von uns verlangen, dass wir nichts bekommen, aber nur Medaillen holen“
Leonie Menzel ist eine von 33 deutschen Medaillengewinnern der Olympischen Spiele 2024. Doch der Weg aufs Treppchen war alles andere als einfach. Bis zu 30 Stunden Training pro Woche, ein Studium der medizinischen Biologie und ein Nebenjob in einer Versicherung – das alles hat die 25-Jährige gleichzeitig gestemmt. Ihre finanzielle Unterstützung als Sportlerin beläuft sich auf gerade einmal 1.000 Euro im Monat, gezahlt von der Stiftung Deutsche Sporthilfe. Damit liegt sie deutlich unter dem Mindestlohn. „Wir sind jeden Tag von 8:00 bis 16:00 Uhr mindestens am Stützpunkt. Und das nicht nur unter der Woche, sondern auch am Wochenende. Dass man dann nicht genug Geld bekommt, um alles bezahlen zu können, das ist natürlich nicht ganz optimal,“ so Menzel.

Das Fördersystem: Intransparent und ineffektiv
Mit den Geldsorgen ist Leonie Menzel nicht allein. Eine Studie aus dem Jahr 2021 zeigt, dass rund ein Drittel der von der Sporthilfe geförderten Athleten sich nicht hinreichend auf ihren Sport konzentrieren können. Grund: Die Einkommenssituation. Der Kölner Sportwissenschaftler Ingo Froböse fordert deswegen eine grundlegende Reform des Fördersystems: „Wir brauchen dringend eine zielgerichtete Förderung von Spitzensportlern und Spitzensportlerinnen, und das muss so viel Volumen haben, dass Unabhängigkeit entsteht. Denn nur dann kann richtig trainiert werden.“ Das Problem: Das Bundesinnenministerium gibt zwar fast durchgängig mehr Geld für den Spitzensport aus. Aber nur wenig davon kommt bei den Sportlern an. Das System gilt als bürokratisch und intransparent. Viel Geld versickert in den Strukturen der Verbände und erreicht die Sportler oft nicht.
Koalitionsvertrag verspricht große Änderungen
Die neue Bundesregierung will vieles im deutschen Sport anpacken. Im Koalitionsvertrag stehen unter anderem folgende Punkte:
Die Förderung soll: „effizienter, flexibler und weniger bürokratisch“ werden.
Es soll einen Staatsminister für Sport im Bundeskanzleramt geben.
Die Sportler sollen sozial besser abgesichert werden.
Trainer sollen besser bezahlt werden.
Der Verein Athleten Deutschland begrüßt diese Versprechen. Der Lobbyverband für Spitzensportler spricht von einem sehr guten Ergebnis. Leonie Menzel hingegen fordert weiter eine Grundsicherung für die Athleten.
Breitensport bleibt weiter Hoffnungsträger
Doch alles, was im Koalitionsvertrag steht, sind erstmal nur Versprechen für die Zukunft. Was schon heute klar ist: Der Breitensport boomt. Noch nie gab es so viele Mitgliedschaften wie jetzt. Vereine wie der Ruderclub Germania Düsseldorf – Leonie Menzels Heimatverein – zeigen, wie wichtig die Gemeinschaft auch für den Spitzensport ist. Stephan Ertmer, Leistungssportvorsitzender des Vereins, betont: „Wir haben Mitglieder, die sind seit 70 Jahren Mitglied in diesem Verein und bleiben dem treu, obwohl sie nicht mehr aktiv rudern können.“
Höher, schneller, weiter – aber zu welchem Preis?
Der deutsche Spitzensport steht am Scheideweg: Top 5 im olympischen Medaillenspiegel oder Absturz in die internationale Bedeutungslosigkeit? Um letzteres zu verhindern, braucht es eine bessere finanzielle Absicherung für Athleten, modernere Sportstätten und weniger Bürokratie. Die olympische Bronzemedaillengewinnerin Leonie Menzel bringt es auf den Punkt: „Ich bin auf jeden Fall der Meinung, dass man die Erwartungshaltung nicht senken sollte. Aber man sollte halt entsprechende Erwartungshaltung auch fördern.“