Die Antwort liegt weit in unserer VergangenheitNervenkitzel frei Haus! Warum faszinieren uns Thriller so sehr?

Frau liest Horrorbuch im Dunkeln.
Thriller und Krimis ziehen viele von uns magisch an – aber warum?
iStockphoto

Liebt auch ihr den Nervenkitzel?
Angst und Spannung faszinieren viele von uns – ob in Buchform oder in Filmen. Eine Psychologin und Bestsellerautor Sebastian Fitzek erklären, warum uns das Böse in Thrillern beinahe magisch anzieht – und was wir daraus für uns selbst lernen können.

Wir lieben die Ausnahme! Niemand interessiert sich nur für positive Meldungen

Es ist absurd, dass so viele Menschen in ihrer Freizeit freiwillig Geschichten über Killer und grausame Mordserien lesen.

Doch Sebastian Fitzek weiß: „Es ist evolutionär bedingt, dass wir uns immer mit der Ausnahme beschäftigen.” Serienkiller, Axtmörder, Stalker seien nicht die Regel. Der Mensch sei im Grunde gut. „Die absolute Mehrheit hält sich an Regeln wie ‘Du sollst nicht töten’. Aber es ist wichtig zu wissen: ‘Wo gehe ich lieber nicht lang?’, weil dort Gefahren lauern könnten”.

Lese-Tipp: Nicht nur an Halloween! Deswegen schauen wir so gerne Horrorfilme

Diese Beschäftigung mit der Ausnahme, sagt Fitzek, habe den Menschen das Überleben gesichert. Er findet: „Das ist auch der Grund, weshalb Medien mit nur positiven Meldungen wohl niemand lesen würde. Uns interessiert der Konflikt, der Krieg, der Unfall, Mord, Tod. Auch Liebesromane handeln von Konflikten.”

Außerdem betreffe das Thema Tod jeden: „Wir verdrängen unsere Sterblichkeit, doch irgendwann merken wir: ‘Ich muss mich damit auseinandersetzen.’ Schlagzeilen, Mord und Totschlag triggern das. Wir wollen uns im angstfreien Ambiente diesem Thema nähern, ohne uns selbst in Gefahr zu bringen”.

Die Faszination für das Böse reicht weit zurück

Zu einer ähnlichen Einordnung kommt die Psychologin Corinna Perchtold-Stefan von der Universität Graz in Österreich. Die Wissenschaftlerin setzt sich in ihrer Forschung mit den Fragen auseinander, wieso sich Menschen für Geschichten wahrer Verbrechen interessieren und ob dies Auswirkungen auf das Verhalten im Alltag haben kann.

Lese-Tipp: „Die interessieren sich für die dunkle Seite der Macht!” Das sagen eure liebsten Kinderhörspiele wirklich über euch aus

Perchtold-Stefan erklärt, unabhängig davon, ob Geschichten auf wahren Begebenheiten beruhen oder fiktional sind, begleite die Faszination für das Böse die Menschen schon sehr, sehr lange. Bereits seit der Entwicklung der Sprache erzähle man sich Gruselgeschichten.

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

„Wie ein mentales Fitnessstudio”

Eine psychologische Theorie besage, dass die Lust an der Angst und die Lust am Gruseln tatsächlich eine Art evolutionären Sinn habe, sagt die Psychologin. „Wenn wir uns mit solchen negativen Dingen in einem kontrollierten Rahmen auseinandersetzen, den wir selbst bestimmen können, behalten wir auch die Kontrolle über unsere eigene Erfahrungswelt.”

So könne man ein Buch zur Seite legen, wenn es zu gruselig wird, oder einen Podcast kurz ausschalten und später weiterhören. „Es kann durchaus sinnvoll sein, gewissermaßen zu üben: Wie gehe ich denn eigentlich mit solchen negativen, fürchterlichen, angsteinflößenden Dingen um?”, sagt Perchtold-Stefan.

Die Idee dahinter sei, dass man so tatsächlich etwas Sinnvolles über sich selbst, über die Welt und die eigenen Emotionen und Gedanken lernen könne. „Wie ein mentales Fitnessstudio, in dem wir uns mit allen schlimmen Eventualitäten der Welt auseinandersetzen, um dann eben daran zu wachsen”.

Fitzek sieht Bücher auch als eine Art Hypnose. „Wenn es gut gemacht ist, ist man für Stunden in einer anderen Welt.” Das sei wichtig. „Ich bekomme in wahnsinnig vielen Zuschriften gespiegelt, dass Leser Angst vor der Gegenwart haben, die sagen: ‘Ich brauche etwas, was mich rausreißt aus der Gegenwart, etwas, das möglichst weit weg ist von meinem eigenen Leben, was ich aber trotzdem nachvollziehen kann.’”

Streaming Tipp

Deutscher Buchhandel: Krimis sind hoch im Kurs

Krimis und Thriller sind nach wie vor hoch im Kurs bei Leserinnen und Lesern. Die Sparte Spannung sei nach der Erzählenden Literatur das zweitgrößte Segment der Belletristik, wie Thomas Koch, Sprecher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, mitteilt.

Zahlen des Marktforschungsunternehmens Media Control zeigen demnach, dass 2024 die Unterwarengruppe Spannung innerhalb der Belletristik einen Umsatzanteil von 21,5 Prozent eingenommen hat. Der Krimi-Markt bewegt sich in Deutschland laut Angaben von Media Control bei knapp unter 200 Millionen Euro Jahresumsatz.

Vergangenes Jahr wurden in dem Genre rund 3.570 Bücher neu veröffentlicht. Die Popularität von Krimis und Thrillern führt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels besonders auf deren Vielfalt zurück. Die Auswahl reiche von spannungsgeladenen Thrillern bis hin zum hochliterarischen Roman. Viele Leserinnen und Lesern schätzten zudem Krimis mit Lokalkolorit, weil sie etwa aus der Region kämen, sie diese im Urlaub kennengelernt hätten oder schon immer einmal dort sein wollten. (dpa, vho)

Verwendete Quelle: DPA