Wahlsystem der USASo wählen die Amerikaner ihren Präsidenten - oder ihre Präsidentin

So knapp war es noch nie!
Die ganze Welt schaut auf die USA. Mehr als 240 Millionen Wähler können darüber entscheiden, wer in Zukunft im Weißen Haus sitzt - und die Geschicke der ganzen Welt mit lenkt.
Entweder der Republikaner Donald Trump, der schon von 2017 bis 2021 der 45. US-Präsident war, oder die Demokratin Kamala Harris, als erste Frau in diesem Amt. Aber wie wählen die Amerikaner eigentlich ihren Präsidenten oder ihre Präsidentin? Und warum mitten in der Woche und immer am ersten Dienstag nach dem 1. November? Die Antworten auf diese Fragen haben sehr viel mit Tradition und mit der geografischen Größe des Landes zu tun.
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Wie wählt Amerika?
Das Wichtigste vorweg: Die Amerikaner wählen den Präsidenten nicht direkt. Sie geben in jedem Bundesstaat und im Stadtdistrikt der Hauptstadt Washington ihre Stimme sogenannten Wahlleuten. Die 50 Bundesstaaten und der Stadtdistrikt Washington entsenden dann diese Wahlleute in das „Electoral College“, das dann tatsächlich den Präsidenten wählt. Jeder Staat entsendet so viele Wahlleute, wie er Abgeordnete im Kongress hat. Der Kongress setzt sich aus Senat und Repräsentantenhaus zusammen, wobei jeder Bundesstaat zwei Senatoren stellt. Die Anzahl der Abgeordneten richtet sich nach der aktuellen Bevölkerungsstärke der Bundesstaaten (Zählung alle zehn Jahre). Der bevölkerungsreichste US-Bundesstaat ist Kalifornien mit rund 39 Millionen Einwohnern. Kalifornien stellt 52 Abgeordnete des Repräsentantenhauses und hat zwei Sitze im Senat – somit entsendet Kalifornien 54 Wahlleute ins „Electoral College“. Wyoming stellt als bevölkerungsärmster Staat (knapp 577.000 Einwohner) einen Kongressabgeordneten, hinzu kommen zwei Senatoren, macht drei Wahlleute. Insgesamt finden sich im Electoral College 538 Wahlleute zusammen, entsprechend der 100 Senatoren und 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses. Hinzu kommen drei Wahlleute aus Washington D.C., da die Hauptstadt der USA keinem Bundesstaat angehört. Sie wird – vereinfacht gesagt – wie der bevölkerungsärmste Bundesstaat behandelt, was auf die Einwohnerzahl gerechnet (rund 690.000 Einwohner) ungefähr hinkommt. Ungefähr Mitte Dezember (genauer gesagt am Montag nach dem zweiten Mittwoch im Dezember, dieses Mal also am 16. Dezember 2024) versammeln sich die Wahlleute in den jeweiligen Hauptstädten der 50 Bundesstaaten und in Washington D.C. und wählen in zwei verschiedenen Wahlgängen den Präsidenten und Vize-Präsidenten. In manchen Bundesstaaten ist die Wahl geheim, in anderen nicht.
Sind die Wahlleute an das Wahlergebnis gebunden?
In Washington D.C. und 26 Bundesstaaten sind die Wahlleute entweder durch das Gesetz oder ein entsprechendes Gelöbnis dazu verpflichtet, den Willen des Wählers zu befolgen. In 24 Staaten sind die Wahlleute in ihrer Entscheidung frei. Sie könnten also theoretisch das Wahlergebnis ignorieren. In der Praxis nominieren die Parteien im Regelfall immer Wahlleute, die sich zuvor eindeutig positioniert haben. Bisher hat sich das „Electoral College“ in seinem Votum noch nie dem Willen der Wähler grundsätzlich „widersetzt“, dennoch kommt es vereinzelt zu Abweichlern, sogenannten Faithless Electors (treulose Wahlleute).
„Popular Vote“ vs. „Electoral College“
Bei der Wahl in den Bundesstaaten gilt das relative Mehrheitsrecht. Wer die meisten Stimmen bekommt, gewinnt den Bundesstaat. Wer den Bundesstaat gewinnt, bekommt alle Wahlleute zugesprochen, sie werden also nicht anteilig vergeben. Dieses sogenannte The-Winner-Takes-It-All-Prinzip hat aber zur Folge, dass alle Stimmen, die nicht auf den Sieger entfallen, unter den Tisch fallen. Das kann dazu führen, dass ein Kandidat US-weit zwar die Mehrheit der Wählerstimmen („Popular Vote“) auf sich vereinen kann, nicht aber die Mehrheit der Wahlleute, welche aber letztlich ausschlaggebend ist. Dies ist auch schon vorgekommen, zuletzt 2016, als mehr Menschen für Hillary Clinton stimmten als für Donald Trump. Im Jahre 2000 erhielt der demokratische Kandidat Al Gore mehr Stimmen als der spätere Präsident George W. Bush.
Nur in zwei der 50 Bundesstaaten, Maine und Nebraska, werden die Stimmen unter den Kandidaten aufgeteilt. Dies macht aber kaum einen Unterschied, da beide Staaten zusammen gerade mal neun Wahlleute stellen (Maine: vier, Nebraska: fünf).
Verteilung der Wahlleute
Da sich die Anzahl der Wahlleute, die die Wähler eines Bundesstaates vertreten, nicht ausschließlich an der Bevölkerungsstärke orientiert, sondern jedem Staat auch Wahlleute für seine zwei Senatssitze gewährt werden, sind die bevölkerungsarmen Staaten übermäßig stark repräsentiert. Die 54 Wahlleute Kaliforniens vertreten jeweils mehr Einwohner als beispielsweise Wyoming oder Vermont insgesamt haben, die jeweils drei Wahlleute entsenden dürfen.
Was sind „Swing States“ und warum sind sie so wichtig für die Wahl?
In den USA gibt es verhältnismäßig wenig Wechselwähler. In den meisten Bundesstaaten haben die Demokraten oder die Republikaner eine stabile strukturelle Mehrheit. Ein Wahlsieg der jeweiligen Partei in diesen Staaten gilt als sicher. Bei den Demokraten zählen zu diesen Staaten zum Beispiel die bevölkerungsreichen Staaten an der Westküste wie Kalifornien, Oregon oder Washington und die flächenmäßig eher kleinen Staaten im Nordosten wie Vermont, Massachusetts oder New Jersey. Die Republikaner dominieren den Süden in Staaten wie Texas, Louisiana oder Oklahoma und den eher schwach besiedelten mittleren Westen in Montana, Wyoming oder Idaho. Bei knapp 40 Staaten sind sich nicht nur Experten sicher, wie die Wahl dort ausgehen wird. Deshalb werden sie auch neutral als „Safe States“ (sichere Staaten) oder je nach politischer Farbe „Red States“ (rote Staaten, Republikaner) oder „Blue States“ (blaue Staaten, Demokraten). Als „Swing States“ (Schaukelstaaten) werden die Staaten genannt, die mal in die eine, mal in die andere Richtung neigen. Deshalb sind das die Staaten, in denen sich die Wahl entscheiden wird. Als umkämpft gelten bei der Wahl 2024 vor allem Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, North Carolina, Pennsylvania und Wisconsin mit insgesamt 93 Wahlleuten. Ein knappes Rennen wird auch in Florida, Minnesota, New Mexico (45 Wahlleute) erwartet.
Und warum ausgerechnet Dienstag?
Dass am ersten Dienstag nach dem 1. November gewählt wird, hat heute eher traditionelle Gründe. Früher in den Anfangstagen der USA hatte das pragmatische Gründe. Zunächst hatten die Wahllokale in den verschieden Bundesstaaten - wie bei der ersten Wahl über einen längeren Zeitraum geöffnet. Als man dann auf der Suche nach einem festen Tag für alle war, einigte man sich auf besagten Dienstag, um den Wählern in den ländlichen Gebieten entgegen zu kommen. Anfang November war die Ernte eingefahren. Sonntags gingen die meisten Menschen in die Kirche, das wollte man ihnen nicht verwehren. Deshalb fiel auch der Montag aus, da der Weg zum Wahllokal oft weit war und ein Reisetag nötig war. Samstag war normalerweise Markttag, der freitags vorbereitet wurde. So kam man schließlich auf Dienstag - und dabei ist es geblieben.


