Ulrich Wessel im RTL-Gespräch zu Flug 952516 Schüler starben bei Germanwings-Absturz 2015: Schulleiter erfuhr per WhatsApp vom Todes-Flug

Ulrich Wessel leitet das Joseph König Gymnasium in Haltern am See (NRW).
Ulrich Wessel leitet das Joseph König Gymnasium in Haltern am See (NRW) zum Zeitpunkt der Katastrophe. Noch heute fühlt er sich Eltern und seinen Schülerinnen und Schülern in dieser schweren Zeit verpflichtet.
RTL
von Julian Schlauch und Alexander Schölzel

„Die Gräber schreien noch wie am ersten Tag.”
Am 24. März 2015 zerschellt ein Germanwings-Flugzeug mit 150 Menschen an Bord an einem Bergmassiv in den französischen Alpen. Niemand überlebt. Zu den Opfern gehören 72 Deutsche, unter ihnen 16 Schülerinnen und Schüler und zwei Lehrerinnen des Joseph König Gymnasiums in Haltern am See. Ulrich Wessel (66) ist zu dieser Zeit Schulleiter – eine Woche vor dem 10. Jahrestag erinnert er sich im RTL-Gespräch an den Tag, der das Leben vieler für immer veränderte.

Die Fluggesellschaft stimmte, die Route stimmte

Schulleiter Ulrich Wessel ist gerade in einer Schulleiterkonferenz, als ihn seine Sekretärin per WhatsApp über den Absturz informiert. Zu dieser Zeit ist nicht gewiss, dass es eine Klasse seines Gymnasiums getroffen hat. Ulrich Wessel solle dringend zurückrufen, schreibt seine Mitarbeiterin ihm. „Ich bin dann herausgegangen, habe angerufen und da hieß es nur, ein Flugzeug sei abgestürzt. Und die bange Frage, das werden wohl nicht unsere Schüler sein, die kommen doch heute zurück“, schildert er den Moment. Und weiter: „Die erste Meldung war dann: Flugzeug auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf abgestürzt.“

Lese-Tipp: Flugnummer 4U9525 – Chronik eines beispiellosen Verbrechens

Kurze Zeit später wird klar: Es ist der Flug mit seinen Schülern an Bord. „Die Schule hat der Katastrophe das Gesicht gegeben“, sagt er. „In solchen Augenblicken funktioniert man nur“, so Wessel, doch es dauert Tage, bis er begreift, was überhaupt passiert ist. Eine ganze Armada an Schulpsychologen hilft, das Erlebte zu verarbeiten. „Wir haben die Schule offen gehalten und ab Mittwochmorgen hatten wir die Unterstützung von sehr vielen Schulpsychologen aus ganz Nordrhein Westfalen“, so Ulrich Wessel. „Kein Kollege musste alleine in die Klasse treten“, sagt er.

Video-Tipp: Zehn Jahre nach dem Germanwings-Absturz

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Schul-Aula zur Gedenkstätte umfunktioniert

Die Schüler hätten teilweise Geschichten geschrieben oder Bilder gemalt. „Wir haben die Aula umgestaltet für die ersten Tage zu einem Ort des Gedenkens. Viele Schüler sind auf den Schulhof gegangen, haben bei den Kerzen gestanden, es war der Versuch, gemeinsam mit den Schülern ein wenig Trauerarbeit zu leisten“, erklärt der Schulleiter. Jetzt, zehn Jahre nach der Katastrophe, ist der Schmerz noch immer spürbar. Zusammen mit seiner Frau besucht Wessel noch heute Gräber seiner ehemaligen Schüler. Die Gräber würden schreien wie am ersten Tag, so Wessel.

„Der zehnte Jahrestag hat, was das Leid angeht, wahrscheinlich keine besondere Bedeutung im Vergleich zu anderen Tagen“, glaubt Wessel und fährt fort: „Ich glaube, dass einfach nach zehn Jahren Abstand bei den Eltern vielleicht das Entsetzen noch mal besonders präsent wird, wenn man auch noch mal die zehn Jahre überdenkt, was die Jahre auch mit den Eltern gemacht haben.“

Absturz der 4U 9525: Tausende Einzelteile des Airbus A320 von Germanwings lagen zerstreut in den französischen Alpen.
Die Absturzstelle von Flug 4U 9525: Tausende Einzelteile des Airbus A320 von Germanwings lagen zerstreut in den französischen Alpen.
DPA BF

Schulleiter reist am Gedenktag zur Absturzstelle

Im Ort Le Vernet in der Nähe der Absturzstelle ist am Montag (24. März) eine Gedenkzeremonie geplant, zu dem nach Angaben französischer Medien etwa 400 Menschen erwartet werden, viele von ihnen Angehörige der Opfer. Die meisten von ihnen kamen aus Deutschland und aus Spanien. Am Morgen soll ein Blumengebinde auf dem Gemeinschaftsgrab auf dem Friedhof von Le Vernet niedergelegt werden.

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Lehrer und Schulleiter dürfen die Eltern zum Gedenktag in die französischen Alpen begleiten. „Ich glaube, es ist wichtig, an einem Jahrestag aller 149 Getöteten zu gedenken, mitzuhelfen, dass diese nicht in Vergessenheit geraten und einfach auch da zu helfen, wo man helfen kann“, so Ulrich Wessel. „Das war einfach eine Selbstverständlichkeit“, gibt er an und das sei es noch heute.