Album Nummer Fünf und eine besondere Tour zum Album Nummer Eins

Zehn Jahre White Lies: Harry McVeigh und Charles Cave sprechen über Meilensteine der Bandgeschichte

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Zehn Jahre White Lies: Harry McVeigh, Jack Lawrence-Brown und Charles Cave
Steve Gullick, Steve Gullick

Von Mirjam Wilhelm
Das Jahr 2019 bedeutet gleich mehrere Meilensteine für die britische Indie-Rockband White Lies. "Five" heißt bezeichnenderweise ihr fünftes Album* – zehn Jahre nach der Veröffentlichung ihres Debüts "To Lose My Life"*. Dazwischen liegen "Ritual" (2011"), "Big TV" (2013) und "Friends" (2016). Nach einer ausgiebigen Tour mit dem aktuellen Album „Five“ stehen nun im Herbst einige ganz besondere Gigs an, die nur dem ersten Album „To Lose My Life gewidmet sind. Frontmann Harry McVeigh und Bassist Charles Cave verraten unter anderem, was ihr Debüt-Album heute für sie bedeutet, wo die Band nun nach zehn Jahren steht und was das skurrilste Erlebnis bisher auf einer Tour war.

Vor zehn Jahren habt ihr euer erstes Album veröffentlicht. Wie war eure musikalische und persönliche Entwicklung in dieser Zeit?
Harry McVeigh: Es ist schwer zu sagen, denn wir waren sehr jung, als das erste Album herauskam und mussten viel lernen. Aber wir hatten immer das Glück, tolle Leute um uns herum zu haben, die uns gezeigt haben, worauf es ankommt. Wir hatten immer gute Plattenlabels, und vor allem einen sehr guten Tourmanager. So sind wir immer gut vorangekommen, aber natürlich lernen wir immer noch, wie man Dinge noch besser machen kann. Auch wir selbst haben natürlich eine Entwicklung durchgemacht. Jack und ich sind mittlerweile beide verheiratet, Charles lebt in einer langjährigen Beziehung, wir haben alle unseren Lebensmittelpunkt gefunden. Das fühlt sich jetzt alles richtig erwachsen an! Aber trotzdem können wir in unserem Job natürlich auch kindisch sein (lacht).

Ihr seid alle 30 Jahre alt geworden. Bedeutet euch diese Zahl etwas?
Harry McVeigh: Irgendwie schon, ja. Es ist eine neue Dekade. Man denkt über vieles anders, aber trotzdem sind wir natürlich auch immer noch dieselben wie früher. Auf Tour sein und Musik machen hält einen jung, denke ich (lacht).

Einige Songs auf dem neuen Album "Five" klingen ganz neu, anders als die früheren White Lies–Songs. Ist es euer "erwachsenstes" Album bis jetzt?
Harry McVeigh: In Teilen, ja. Aber es sind ja auch Songs auf dem Album, die wiederum sehr auf die früheren White Lies-Stücke zurückführen. "Believe It" zum Beispiel oder "Denial" erinnern sehr an frühere Songs von uns. Es ist uns auch wichtig, darauf zu achten, dass sich die Songs wirklich nach White Lies anhören. Gleichzeitig ist es aber auch schön, neue Richtungen zu finden.

Manche eure Songs – zum Beispiel "Tokyo" – erinnern an den Sound der 80er. Haben euch die 80er musikalisch inspiriert?
Harry McVeigh: Ja, natürlich. Gerade bei "Tokyo" ist es sehr offensichtlich. Wir hören viel Musik aus den 80ern und wir bewundern vieles an dieser Musik. In den 80ern ging es um Exzesse, die Musik klang oft sehr bombastisch. Da wurde meist alles herausgeholt. Wir haben eine große Affinität zu dieser Art Musik. Aber wir hören natürlich auch andere Musik, aus anderen Zeiträumen.

Mit "Time To Give" habt ihr einen außergewöhnlichen Opener auf dem Album "Five". Warum habt ihr euch dafür entschieden?
Harry McVeigh: Der Song zeigt, wo wir sind und wo wir als Band hingehen. Es ist ein sehr ungewöhnlicher Song, nicht nur für die White Lies, sondern generell. Wir waren uns alle sehr sicher mit dem Stück, daher haben wir uns auch entschieden, es als ersten Song auf das Album zu nehmen. Wir haben ihn schon vorab veröffentlicht, nicht als Single, aber zum Anhören. Wir waren nicht sicher, wie er ankommt, aber die Reaktionen der Fans waren sehr gut.

Der letzte Song auf dem Album, "Fire And Wings", ist sehr überraschend, sehr neu. Wie hat er sich entwickelt?
Harry McVeigh: Ja, der Song ist wirklich sehr neu, er ist mein persönlicher Lieblingssong auf dem Album. Wir haben viel von Scott Walker gehört und wir wollten ein bisschen was in diese Richtung machen. Wie die Melodien rüberkommen gefällt uns sehr, das klingt oft richtig ungewöhnlich. Ein weiterer Einfluss war, dass Charles und ich große Metalfans sind. "Fire And Wings" ist sehr heavy, eigentlich der härteste Song, den wir jemals geschrieben haben. Wir sind sehr froh, dass wir das gemacht haben und dass der Songs auf das Album passt.

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White Lies: Album Nummer Fünf und eine besondere Tour zum Album Nummer Eins (Foto: © Steve Gullick)
Steve Gullick, Steve Gullick

Harry, bei unserem letzten Gespräch hast du erzählt, dass du klassisches Klavier lernst und dich viel damit beschäftigst. Hast du das weiter verfolgt? Und hat das die Arbeit an "Five" beeinflusst?
Harry McVeigh: Ja, ich mache das noch, und es hat die Arbeit hier und da schon ein bisschen beeinflusst. In "Time To Give" zum Beispiel habe ich das einfließen lassen. Zuhause spiele ich sehr viel Klavier, am liebsten Bach. Eigentlich nichts anderes – er ist meiner Meinung nach einer der besten Komponisten, die jemals gelebt haben. Wenn ich ihn spiele, dann denke ich mir oft, wie schön es ist, auf dieser Welt zu sein!

Harry, du lebst in San Francisco. Wie organisierst du das mit dem Leben auf Tour und mit der Band in London? Wünschst du dir manchmal, du könntest dich mal eben wohin beamen?
Harry McVeigh: Ja, ich bin natürlich sehr viel auf Reisen. Ich fliege an die sechs Mal von San Francisco nach Europa und zurück. Aber ich nehme mir dann auf Tour meine Auszeiten und relaxe einfach. Ich bin sowieso eher etwas faul veranlagt und mache dann oft einfach nichts außer Lesen oder Podcasts hören. Wenn wir einen Tag frei haben, gehen die anderen oft Laufen. Ich mache das nicht, ich mache gar keinen Sport (lacht). Ansonsten, wenn wir in London arbeiten, dann bleibe ich mehrere Wochen am Stück und fliege dann wieder zurück. Das geht schon.

Was ist für euch der größte Erfolg in den vergangen zehn Jahren?
Harry McVeigh: Erstmal die Tatsache, dass wir nach all den Jahren immer noch da sind, dass wir immer noch Musik machen. Jedes Mal, wenn wir ein Album herausgebracht haben und damit auf Tour gehen, sind die Fans wieder da. Sie bleiben bei uns, und das ist ein wirklich gutes Gefühl. Für mich ist das der größte Erfolg, dass die Fans immer noch die Songs hören, die Musik lieben und daran teilhaben.

Was bedeutet euch euer Debüt- Album "To Lose My Life" heute?
Charles Cave: Es zeigt sehr viel von der Seele und der Identität der Band. Es war der Grundstein für das, was wir wurden und wo wir hingehen. Es hat uns so viele Möglichkeiten gezeigt, wie man arbeiten kann, wir hatten Leute wie Ed Buller und Alan Moulder dabei. Die Songs haben die ganze Zeit weitergelebt – zehn Jahre! – und wir spielen sie heute noch genauso gerne wie damals.

Wie kam es zu der Idee, nochmal mit dem ersten Album „To Lose My Life“ auf Tour zu gehen?
Charles Cave: Die Idee kam eigentlich von unseren Fans. Wir wurden im Laufe der Jahre mit Anfragen überschüttet, ob es eine Neuauflage der Platte geben wird. Und wir wussten immer, dass wir damit nochmal etwas machen wollen. Dann kam auch immer wieder die Frage nach einer Tour mit dem Album auf, was auch Sinn macht, denn “To Lose My Life” versteht sich als Ganzes. Es ist mit Sicherheit unser dunkelstes Album, das am meisten in die Gothic-Richtung geht. Es fühlt sich gut an, es jetzt nochmal als Ganzes live zu spielen.

Die vergangenen Monate wart ihr noch mit dem Album "Five" auf großer Tour. Was war das bisher verrückteste Erlebnis, das ihr auf einer Tour hattet?
Harry McVeigh: Hm, eigentlich ist das ganze Tourleben verrückt! Kein Tag ist wie der andere. Aber an eines erinnere ich mich: Als wir in den USA auf Tour waren und lange Strecken im Bus durch wirklich abgelegene und einsame Gegenden zurückgelegt haben, stoppten wir irgendwo im Niemandsland in North Dakota. Es war wirklich bizarr. Wir stiegen in einem kleinen Ort aus, um Pause zu machen, und haben direkt mal die Zahl der Menschen dort verdoppelt (lacht). Es ist immer außergewöhnlich, wenn man an solchen Orten anhält, wo man sonst niemals im Leben hinkommen würde.

Gibt es ein Land oder einen Ort, an dem ihr noch nie gespielt habt und unbedingt mal hinwollt?
Harry McVeigh: Ja, einige! Die Welt öffnet sich ja auch immer mehr für Musik. Wir waren noch nie in Indien, zum Beispiel. Ich würde überhaupt gerne mehr in Asien spielen, vielleicht Vietnam. In Afrika waren wir auch noch nicht oft, nur mal in Südafrika, aber nicht wirklich woanders. Das wäre auf jeden Fall interessant.

Welche Rolle spielt Großbritannien in der Welt, bezogen auf die Musik?
Harry McVeigh: Eine sehr große! Das ist etwas, worauf Großbritannien wirklich stolz sein kann: Die kulturelle Verbindung zur Musik. So viel großartige Musik kommt von dort. Wir lassen das Thema "Brexit" jetzt mal weg, das ist natürlich ein Desaster. Dadurch wird die kulturelle Verbindung mit dem Rest der Welt schnell gekappt. Und das ist eigentlich eine der besten Dinge in Großbritannien, die Musikszene dort. Es wäre eine Schande, das zu verlieren.

Wenn ihr ein heutiges Konzert von euch im Vergleich von vor zehn Jahren anschaut: Was hat sich geändert?
Charles Cave: Es wäre interessant, eines unserer Konzerte aus dem Jahr 2009 zu sehen und dann einen der Gigs aus 2019. Ich wage mal zu behaupten, dass wir heute viel besser sind. Das haben wir auch schon öfter von Fans gehört. Bei den kommenden Konzerten kann man uns in Bestform erleben, und wir spielen eines der Alben, das von den Fans am meisten geschätzt wird. Eine schöne Zeit!

Vielen Dank für das nette Interview!

Hier könnt ihr die White Lies mit ihrem "To Lose My Life"-Programm in Deutschland sehen: 22.11.2019 Dresden (Reithalle), 22.11.2019 Frankfurt (Gibson), 3.12.20019 Berlin (Tempodrom)

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