Bundesgesundheitsminister in Erklärungsnot

Wollte Jens Spahn Billig-Masken an Bedürftige verteilen?

 Jens Spahn, Bundesminister fuer Gesundheit, CDU, PK zu - 100 Tage Corona-Warn-App, DEU, Berlin, 23.09.2020 *** Jens Spahn, Federal Minister of Health, CDU, PK on 100 days Corona Warn App, DEU, Berlin, 23 09 2020
Sein Ministerium soll vergangenes Jahr vorübergehend vorgehabt haben, schlecht geprüfte Corona-Masken an Menschen mit Behinderung und Obdachlose zu geben.
www.imago-images.de, imago images/Jens Schicke, Jens Schicke via www.imago-images.de

Mehrere Hundert Millionen Masken in Wert von mehr als einer Milliarde Euro soll das Bundesgesundheitsministerium Anfang letzten Jahres, also zu Beginn der Corona-Pandemie, in China bestellt haben. Doch dann stellte sich laut einem Medienbericht heraus: Die Masken waren mangelhaft und somit nutzlos. Daraufhin habe das Ministerium versucht, die untauglichen Masken an Obdachlose, Menschen mit Behinderung und Hartz-IV-Empfänger zu verteilen, heißt es. Die Opposition reagierte mit heftiger Kritik. Spahn wehrt sich gegen die Vorwürfe.
+++ Alle aktuellen Informationen zum Coronavirus finden Sie in unserem Live-Ticker auf RTL.de und rund um die Uhr im Stream auf n-tv +++

Spahn: Sicherheit von Schutzmasken habe im Ministerium absolute Priorität

Spahn wies die Vorwürfe aus einem Bericht des „Spiegel“, wonach sein Ministerium die angeblich minderwertigen Corona-Masken an Bedürftige verteilten wollte, am Sonntag strikt zurück. Die Schutzmasken, um die es gehe, seien intensiv geprüft worden und hätten alle nötigen Eigenschaften, sagte der Gesundheitsminister. Spitzenvertreter des Koalitionspartners SPD und der Opposition hatten sich zuvor „schockiert“ und „zutiefst erschüttert“ über Spahns angebliches Fehlverhalten gezeigt.

Spahn erwiderte: „Dass einige nun bewusst Obdachlose und Menschen mit Behinderung verunsichern, um Stimmung zu machen, sagt mehr über den Zustand der SPD als über die Qualität der Masken aus.“ Die Sicherheit von Schutzmasken habe im Ministerium absolute Priorität. Die Vorwürfe des Koalitionspartners bezeichnete Spahn als „empörend“.

Was wird Spahn vorgeworfen?

Der „Spiegel“ hatte berichtet, dass die Regierung im Frühjahr 2020 angesichts des großen Mangels an Schutzmasken nach Beginn der Pandemie Millionen Masken in China bestellt habe, die nicht nach hohen Standards getestet worden seien. Teils seien sie beim TÜV Nord mit einem Verfahren geprüft worden, bei dem auf bestimmte Prüfschritte verzichtet worden sei. Bei einem Schriftwechsel zwischen Gesundheitsressort und Arbeitsministerium habe Spahns Ministerium solche Masken auch für Menschen mit Behinderung und für Obdachlose vorsehen wollen.

SPD-Chefin Saskia Esken warf Spahn nun „beispiellose Verachtung“ für Teile der Gesellschaft vor. „Mit dieser menschenunwürdigen Haltung hat man in der Politik nichts verloren“, sagte sie dem „Tagesspiegel“ (Sonntag). Der Co-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans sagte der „Bild am Sonntag“, CDU-Chef Armin Laschet müsse sagen, „ob dieses skandalöse Vorgehen von Jens Spahn für eine Partei mit einem christlichen Etikett noch tragbar ist“.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt twitterte, dass Menschen mit Behinderung und Obdachlose „mit unzulänglichen Masken“ beliefert werden sollten, „erschüttert mich zutiefst“.

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Wie reagiert das Gesundheitsministerium auf die Vorwürfe?

Das Bundesgesundheitsministerium betonte am Sonntag in einem „Faktenblatt“, für die Masken aus China sei ein für die Pandemie in der Notlage 2020 entwickelter Prüfmaßstab angewendet worden. Institute wie der TÜV Nord führten demnach ein mehrstufiges Prüfverfahren durch. Dass solche Masken für Einrichtungen für Menschen mit Behinderung oder Obdachlose vorgeschlagen wurden, bestreitet Spahns Ressort nicht. Doch sie hätten nachweislich die Anforderungen des Infektionsschutzes erfüllt.

In den fraglichen Einrichtungen sind die Masken aus China dann aber doch nicht gelandet. Stattdessen wurden dorthin FFP2-Masken versandt, die in Deutschland seit Sommer 2020 produziert wurden, wie das Gesundheitsressort mitteilte. Hintergrund waren den Darstellungen zufolge Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Regierung. Das SPD-geführte Arbeitsministerium, das für Arbeitsschutz zuständig ist, und das Spahn-Ressort gerieten in Fragen von Prüfverfahren und -standards offenkundig deutlich aneinander, wie vom „Spiegel“ zitierte Mails und die Darstellung des Gesundheitsressorts ahnen lassen.

Spahns Haus schreibt, wegen der damaligen Forderungen des Arbeitsressorts hätten die Masken aus China nachgeprüft werden müssen, was aber „extrem zeitaufwendig“ gewesen wäre. Das Arbeitsressort habe aber zugleich auf eine „zügige Belieferung“ der Einrichtungen für Obdachlose und Menschen mit Behinderung gedrängt. Also habe das Gesundheitsministerium selbst vorgeschlagen, die „mittlerweile ausreichend verfügbaren“ FFP2-Masken zu nehmen.

Was ist mit den Masken aus China passiert?

Inzwischen wurde der in der Notlage 2020 entwickelte Prüfmaßstab zum Infektionsschutz, dem diese Masken genügten, im Infektionsschutzgesetz verankert. Spahns Ministerium betont, der Kabinettsbeschluss sei „einvernehmlich von allen Bundesministern“ gefällt worden. Diese Masken würden nun mit weiteren Masken in der vor rund einem Jahr vom Kabinett beschlossenen Nationalen Reserve Gesundheitsschutz eingelagert. (dpa/mor)

Podcast: Wir gegen Corona

10 Fakten zur Corona-Impfung

Für viele Menschen rückt der erste Corona-Impftermin immer näher. Aber noch sind viele Fragen offen und täglich kommen neue hinzu. Wann kann ich mir einen Termin machen? An wen kann ich mich für einen Impftermin wenden? Worauf müssen Menschen mit Krebserkrankung und Schwangere achten? Darf ich mir meinen Wirkstoff selbst aussuchen und muss ich nach der Impfung die AHA-Regeln beachten? Sollte ich mich impfen lassen, obwohl ich schon Corona hatte? Diese und mehr Fragen beantworten wir in unserer Web-Story hier. (dpa/mor)