Die DFB-Elf in der Einzelkritik

Und plötzlich sind alle supergut - DFB-Elf im kollektiven Rausch

6:0? Echt jetzt? Ja, echt. Nach einem spektakulären Auftritt beim WM-Quali-Spiel gegen Armenien lief aber auch wirklich alles wie am Schnürchen.Die Highlights vom Gala-Auftritt in Stuttgart gibt’s oben im Video – die Einzelkritik unten im Text:

Tor | Abwehr

Manuel Neuer: Hatte bei seinem 105. Länderspiel ernsthaft Mühe, Schweißperlen auf der Stirn zu kriegen. Hob die Kugel nach 25 Minuten zum ersten Mal vom Boden auf. Eine seiner wenigen Aktionen mit Ball. Selbst bei der zweiten „Chance“ der Gäste in der 78. Minute musste er nicht eingreifen: Geloyans Schüsschen rauschte weit am rechten Pfosten vorbei.

Jonas Hofmann: Zuhause ist ja da, wo das Herz ist, wie man so schön sagt. Also funktionierte der Gladbacher seine Außenverteidigerposition kurzerhand in Heimat um – und machte seinen Job hervorragend. Übernahm in Abstimmung mit Kehrer naturgemäß den offensiven Part. Entsprechend viel ging über rechts. Leitete das 3:0 durch Reus ein. Tackerte die Kugel kurz nach der Pause aus rund 20 Metern in die Maschen und krönte seinen starken Auftritt mit seinem ersten Tor im DFB-Dress.

Antonio Rüdiger: Nicht das dankbarste Spiel für Innenverteidiger, wenn es kaum etwas zu verteidigen gibt. War in der 32. Minute aber hellwach, als er Adamyan beim ersten Abschluss der Armenier entscheidend störte. Am Ende kriegte der Hoffenheimer nur einen Kullerball in Richtung Neuer.

Niklas Süle: Hatte gefühlt keinen Ballkontakt – und machte das sehr gut. Ok, im Ernst: Regelte vieles über physische Präsenz. Stellte Räume zu, organisierte, köpfte die Luft rein und schob ab und zu seine Gräten in die wenigen Angriffsbemühungen der Armenier, schon war Feierabend. Fehlerfrei und Spaß dabei.

Thilo Kehrer: Auch der Paris-Profi musste sich an die linke Außenverteidigerposition erst mal gewöhnen. Das dauerte etwa zehn Sekunden. Spulte danach ein ganz souveränes Programm ab. Nicht weiter auffallen: ein Gütesiegel für Abwehrmänner. Ab 83. David Raum: Letztes Jahr noch 2. Liga, jetzt Hoffenheim – und erstmals in der A-Mannschaft. Premiere für den U21-Nationalspieler im Kreis der Großen, wo definitiv auch noch Platz für Raum ist.

VIDEO: Das sagen die Spieler zum Spektakel-Sieg

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Mittelfeld | Angriff

Joshua Kimmich: Der ästhetischste Ackergaul unter der Sonne. Hinten immer zur rechten Stelle – und vorne mit feinem Fuß. Sein Chip-Ball vor dem 4:0 war wie aus dem Lehrbuch, aber das ist bei Kimmich ja auch keine große Überraschung. Glänzender Strukturknoten in einem Team, das heute so harmonisch wie selten war. Ab 61. Ilkay Gündogan: Verteilte in der letzten halben Stunde mit all seiner Routine die Bälle.

Leon Goretzka: Chef im Ring ist einfach sein Ding. Wuselte wie immer omnipräsent über den Rasen. Bereitete das 1:0 mit einem traumhaften Lupfer auf Gnabry vor. Bediente Werner cool beim 4:0. Stets anspielbar, ballsicher und unaufgeregt.

Serge Gnabry: Auch er neu in der Startelf – und sofort mit Zauber-Wumms am Start. Einen Zuckerangriff schloss der Bayern-Profi zur frühen Führung ab. Sein rechter: einer der facettenreichsten Füße der Welt. Das einzige, was er noch nicht so gut kann, ist häkeln. Strickte aber auch das 2:0 in die Maschen und blieb stets brandgefährlich. Mann des Abends. Ab 71. Karim Adeyemi: Hat schon ganz Salzburg verzückt, durfte jetzt auch sein Debüt in der A-Nationalmannschaft feiern. 20 Minuten später stand er auch schon als Torschütze auf der Anzeigetafel.

Marco Reus: Erstmals seit fast zwei Jahren wieder in der Startelf, merkte man aber nicht. Klebte sich nach 15 Minuten einen Assist aufs Revers und blieb im Raketen-Modus. Knallte nach einer halben Stunde zum 3:0 ein. Am wichtigsten aber: Söhnte sich erfolgreich mit Armenien aus. Beim letzten Aufeinandertreffen beider Teams im Juni 2014 verletzte sich der BVB-Star schwer am Fuß und verpasste die WM in Brasilien. Ab 61. Florian Wirtz: Ging sofort dahin, wo das Spiel zu 95 Prozent stattfand: in die Hälfte heillos überforderter Gäste. Schenkte Debütant Adeyemi sein erstes Tor im ersten Spiel.

Leroy Sané: Präsentierte seinen ganz persönlichen Stabilitätspakt mit sich selbst. Bereitete das 2:0 stark vor, als er den Ball an der linken Außenbahn behauptete. Sein Hammer aus der Distanz (22.) hätte die Latte fast zweigeteilt. Spielte, als habe es nie Diskussionen um ihn gegeben. Arbeitete auch nach hinten gut mit. Verließ nach 60 Minuten unter großem Applaus den Platz. Ab 60. Jamal Musiala: Der beste Mann beim mühevollen 2:0 gegen Liechtenstein fügte sich direkt mit aller Unbekümmertheit ein und sorgte dafür, dass die Armenier keine Luft zum Atmen hatten.

Timo Werner: Hechelte die Defensive der Gäste um den Verstand und schaffte immer wieder Räume für die Kollegen. War bei der Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte engagiert wie eh und je. Verpasste in der 28. Minute knapp das 3:0. Legte wenig später mit irgendwas zwischen Hacke und Po sensationell für Reus auf. Machte in der 82. Minute das halbe Dutzend voll, sein zweiter Treffer des Abends zählte aber wegen einer hauchdünnen Abseitsstellung des Chelsea-Stürmers nicht. (mli)