Wo man hinpinkeln darf - und wo nichtMann sollte für Wildpinkeln 60 Euro zahlen - das sagt ein Gericht dazu

Pinkeln oder nicht pinkeln – das ist hier die Frage!
Wer länger unterwegs ist und das ein oder andere Getränk zu sich nimmt, wird irgendwann urinieren müssen. Ein natürlicher Vorgang, der jedoch ohne verfügbares Klo zur Herausforderung wird. So auch unlängst bei einem Mann, der sich in seiner Not in die Ostsee erleichterte. Der Fall ging vor Gericht. Was entschieden wurde und wo man sonst hinpinkeln darf – und wo nicht: ein Überblick.
Mann uriniert in die Ostsee und soll Bußgeld zahlen
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen an einem warmen Sommerabend mit Freunden am Strand, das Lagerfeuer knistert, es wird gelacht und gescherzt, man trinkt Bier. Die Stimmung ist ausgelassen, doch irgendwann drückt die Blase. Was nun?
Ein junger Mann wählte am Strand von Travemünde im Juli 2021 den nächstmöglichen Ausweg: Er urinierte in den sogenannten „Spülsaum“, Überbleibsel der Flut, der Ostsee. Unglücklicherweise wurde er dabei von mehreren Ordnungsamt-Mitarbeitern gesehen. Diese erlegten ihm kurzerhand ein Bußgeld von 60 Euro auf. Doch der Wildpinkler ließ das nicht auf sich sitzen – und zog vor Gericht.
Gericht urteilt: Mann durfte in die Ostsee pinkeln

Das Amtsgericht Lübeck untersuchte den Fall genau. So ging es etwa um die Frage, ob andere Menschen gestört wurden – dem war nicht so, der Mann sei in der Dunkelheit kaum zu sehen gewesen.
Auch habe es keine Verschmutzung gegeben. Schließlich habe sich der Pinkler ja ins Wasser der Ostsee erleichtert. Der Verdünnungsgrad sei hier „so hoch, dass eine belästigende Verschmutzung oder Geruchsbeeinträchtigung ausgeschlossen ist“, heißt es im Urteil.
Schlussendlich entschied das Gericht zugunsten des Mannes: Er muss kein Bußgeld zahlen, obwohl er in die Ostsee gepinkelt hat. So heißt es vonseiten der Justiz unter anderem in der Begründung: „Der Mensch hat unter den Weiten des Himmelszeltes nicht mindere Rechte als das Reh im Wald, der Hase auf dem Feld oder die Robbe im Spülsaum der Ostsee.“
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An welchen Orten ist Wildpinkeln erlaubt - und worauf sollte man achten?
„Erst einmal überrascht die Entscheidung schon, da ‚Wildpinkeln‘ in Deutschland eigentlich grundsätzlich verboten ist“, sagt Anwältin Nicole Mutschke RTL. „Das Gericht hat hier aber die besonderen Umstände des Einzelfalls gewertet, wie zum Beispiel die Dunkelheit, den Abstand zu anderen Personen und die örtlichen Gegebenheiten.“
Heißt: Wer sich unauffällig in der Natur erleichtert, muss seltener Konsequenzen fürchten. Oder wie Anwältin Mutschke sagt: „Natürlich werden Behörden beim Wildpinkeln im Wald, vielleicht sogar schon bei Dunkelheit, eher ein Auge zudrücken, als wenn am helllichten Tage in Gegenwart von Kindern gegen eine Hauswand gepinkelt würde.“
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Tatsächlich gibt auch das aktuelle Gerichtsurteil des Amtsgerichts Lübeck Hinweise, wo und wann Wildpinkeln okay ist. Dort heißt es nämlich: „Eine gewisse Üblichkeit und Duldung ist (...) etwa bei Wanderungen benennbar, bei Arbeiten in Feld und Flur, bei Jägern und Pilzesammlern, Radsportlern und Radtourlern, Badenden an Seen und Flüssen und bei sonstigen naturnahen Beschäftigungen.“
Wem also bei der langen Wanderung die Blase drückt, darf sich – unauffällig – erleichtern.
Im Video: „Wasche Hände nach Pinkeln nicht“
Welche Strafen drohen beim Wildpinkeln?
Grundsätzlich jedoch ist und bleibt Wildpinkeln verboten und in der Regel wird, wenn man erwischt wird, auch ein Bußgeld fällig. Dessen Höhe variiert je nach Fall und Ort. „Zwischen 5 und 5.000 Euro sind grundsätzlich möglich. Je öffentlicher und ‚ungehöriger‘ das Ganze vonstattengeht, desto höher wird das Bußgeld sein“, so Anwältin Mutschke. Um eine grobe Orientierung zu bekommen, kann der Bußgeldkatalog der jeweiligen Kommune helfen.
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Allerdings: Wer sich wirklich nicht zusammenreißen kann, und wahllos pinkelt, kann zusätzlich zum Pinkeln noch wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses belangt werden. „Nach § 183a StGB kann das mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden“, betont Mutschke.
Fazit? Pinkeln in der Natur ist, wenn niemand Sie sehen kann, in der Regel in Ordnung. Sich in der Stadt an einem belebten Ort öffentlich zu erleichtern, ist hingegen strafbar. Wer auch bei der Notdurft seinen Verstand einsetzt, ist vermutlich am besten beraten.