Aufnahmestopps und lange Warteliste

„Voll bis zum Anstrich“: Tierschutzbund warnt vor Folgen heillos überfüllter Tierheime

ARCHIV - 10.12.2021, Hessen, Kassel: Mischlinge stehen in einem Gehege im Tierheim "Wau-Mau-Insel". Derzeit warten in der «Wau-Mau-Insel» etwa 80 Hunde, 60 Katzen und 40 Kleintiere wie Kaninchen oder Vögel auf ein neues Zuhause. (zu dpa: «Probleme in Tierheimen häufen sich: am Ende der Kapazitäten») Foto: Swen Pförtner/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Viele Tierheime in Deutschland sind am Limit. Einige haben bereits ein Aufnahmestopp verhängt.
spf cam, dpa, Swen Pförtner

Deutschlands Tierheime sind am Limit. Denn immer häufiger trennen sich Besitzer von ihren Haustieren. Und so sind Aufnahmestopps und lange Wartelisten aktuell in vielen Tierheimen der Normalfall. Der Tierschutzbund warnt nun vor den Folgen restlos überfüllter Tierheime.

„Gerade Hunde, die Erziehungsdefizite oder schon einmal gebissen haben, sammeln sich in den Tierheimen“

Das Tierheim Süderstraße in Hamburg nimmt seit Kurzem gar keine Hunde und Katzen mehr auf, nicht einmal solche, die auf der Straße gefunden oder vom Veterinäramt beschlagnahmt wurden. Auch in Berlin sind die Kapazitäten ausgeschöpft, hier werden aktuell mehr Tiere versorgt, als es Platz gibt, wie eine Sprecherin erklärt. „Voll bis zum Anstrich“ ist laut Leiter Michael Sperlich das Tierheim in Leipzig.

In München gebe es zwar keinen formalen Aufnahmestopp, aber eine sogenannte Warteliste, sagt Leiterin Eva-Maria Natzer. Halter, die ihre Tiere abgeben wollen, müssen in Einzelfällen Wochen oder Monate warten. „Gerade Hunde, die Erziehungsdefizite oder schon einmal gebissen haben, sammeln sich in den Tierheimen“, weiß Natzer aus eigener Erfahrung. Hunde, die als schwierig wahrgenommen werden und kaum zu vermitteln sind - sie stellen eines der größten Probleme dar.

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„Der Haustierboom, den wir in der Corona-Zeit erlebt haben, zeigt seine Folgen aktuell mit voller Wucht“

Ein Grund: Während vermeintlich anstrengende Hunde die Zwinger der Tierheime füllen, suchen Menschen bei unseriösen Züchtern oder Quellen im Ausland nach unkomplizierten Vierbeinern - die es oft doch nicht sind. Weshalb auch diese Hunde letztlich häufig im Tierheim landen. „So vergrößert sich die Zahl der Tiere immer mehr“, erklärt Ursula Gericke, Leiterin des Tierheims Ludwigsburg in Baden-Württemberg.

Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, sieht noch einen anderen Grund für die dramatische Überfüllung der Tierheime: „Der Haustierboom, den wir in der Corona-Zeit erlebt haben, zeigt seine Folgen aktuell mit voller Wucht“. Tiere, die in dieser Zeit ohne Sinn und Verstand von den Menschen angeschafft wurden, säßen nun in den Tierheimen, sagt Schröder dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Gleichzeitig mahnt er: „Wenn Tierheime an ihre Grenzen stoßen und nicht mehr anders können, als Tiere abzuweisen, die von ihren Haltern nicht mehr gewollt sind, birgt das natürlich eine Gefahr für die Tiere selbst“.

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Neue Gebührenordnung der Tierärzte treibt Behandlungskosten in die Höhe

Für immer mehr verzweifelte Tierhalter geht es außerdem ums Geld. Seitdem im November 2022 eine neue Gebührenordnung der Tierärzte (Got) in Kraft getreten ist, sind viele Behandlungen und Eingriffe teurer geworden. „Bei uns im Raum Stuttgart bekommen Sie eine Katze nicht mehr für unter 200 Euro kastriert, bei einer Hündin muss man mit 1.000 Euro rechnen. Das ist Wahnsinn“, meint Gericke.

Zuschüsse für Menschen mit geringem Einkommen gibt es kaum, vielfach bleibt als einzige Lösung nur das Tierheim. Für viele chronisch kranke Tiere ist es die Endstation. (nri/dpa)

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