"Das kann auch zurückschlagen"
Virologe Drosten mahnt zur Vorsicht bei Corona-Lockerungen

Die aktuellen Corona-Zahlen machen Hoffnung. Immer mehr Bundesländer lockern angesichts fallender 7-Tage-Inzidenzen und dem Fortschritt der Impfkampagne die Corona-Beschränkungen. Aber ist dieses Tempo richtig oder lockert Deutschland zu schnell? Virologe Christian Drosten fordert bei weiteren Öffnungsschritten Umsicht. Der jetzige Zustand sei für die Politik eine der schwierigsten Phasen der gesamten Pandemie.
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Laut Drosten könnten zu viele Lockerungen zurückschlagen
Drosten hält es für schwierig, die aktuelle Pandemie-Entwicklung zu deuten. Ihren weiteren Verlauf vorherzusagen, hält er angesichts zunehmender Impfungen für heikel. Deswegen plädiert Drosten weiterhin für vorsichtiges politisches Handeln. Die Politik müsse mit gewissem Augenmaß fahren, sagte der Leiter der Virologe an der Charité am Donnerstag. Maßnahmen der Kontaktreduktion seien zwar wirksam. Sie aber zu schnell zurücknehmen, bleibt aber laut Drosten riskant: „Das kann sonst zurückschlagen.“

"Eine der schwierigsten Phasen für die Politik überhaupt"
Bei wieder steigenden Inzidenzen (Fallzahlen pro 100 000 Einwohner) stelle sich künftig die Frage, was das bedeutet - denn die dahinterstehende Krankheitslast in der Bevölkerung werde mit der Zeit durch die zunehmenden Impfungen immer weiter reduziert. „Das ist jetzt eigentlich eine der schwierigsten Phasen überhaupt für die Politik, das Ganze zu navigieren“, sagte Drosten.
In Deutschland sei der Impffortschritt zwar noch nicht so groß wie in Großbritannien. Bei Menschen über 70, die ein höheres Risiko für schwere Krankheitsverläufe haben, sei der Fortschritt aber schon recht ausgeprägt. Drosten sieht vor diesem Hintergrund Modellierungen, die über den Winter wichtige Grundlagen für das Ergreifen von Maßnahmen gewesen seien, zunehmend erschwert.
Drosten: Coronavirus wird Impflücken nutzen
Schon länger gibt es Vorschläge von Experten, künftig weniger auf die Sieben-Tage-Inzidenzen und mehr auf Klinikeinweisungen wegen Covid-19 oder auf die Inzidenzen bei Menschen ab 60 Jahren zu blicken. Krankenhausaufnahmen seien allerdings nach seiner Kenntnis bisher nicht meldepflichtig, sagte Drosten. Er regte an, erst bei einem größeren Schutz der Risikogruppen durch Impfung, etwa nach dem Sommer, beim Blick auf die Parameter einen fließenden Übergang einzuleiten. Eine Zeit lang könnten etwa Neuinfektionen und Neuaufnahmen parallel erhoben werden, um sich abzusichern. Bisher habe die gemeldete Inzidenz aber die Krankheitslast sehr gut vorausgesagt, betonte Drosten.
Auf lange Sicht rechnet der Virologe damit, dass sich das Virus wie ein Erkältungs-Coronavirus verhalten werde. In den kommenden zwei bis vier Jahren seien Übergangszustände zu erwarten - das Virus werde Impflücken nutzen. Politisches Nachtarieren werde künftig beinhalten, dass ab einer gewissen Verringerung der Krankheitslast auch mehr Infektionen toleriert werden könnten. Die Frage sei, wie weit das gehen könne und wie intensiv man dies mit PCR-Tests verfolgen wolle. (dpa/jra)
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