Weniger arbeiten, mehr Freizeit

Island testet Vier-Tage-Woche - mit Erfolg

Pretty business lady giving high five to her colleague
Feldexperiment zur Viertagewoche in Island zeigt: Arbeitnehmer sind produktiv und ausgeglichen.

von Melanie Trimborn
Weniger arbeiten, mehr Freizeit und gleich viel verdienen. Wäre das nicht auch für Sie ein Traum? Doch für viele Unternehmen klingt es wie ein Alptraum. Ein neues Experiment aus Island zeigt aber: Das Modell scheint für beide Seiten positiv zu sein. Denn es macht sogar produktiver.

Arbeitszeit wird auf 36 Stunden verkürzt

Island selbst gilt nicht als das Positiv-Beispiel für Work-Life-Balance. 15 Prozent der Angestellten arbeiten mehr als 50 Stunden pro Woche. In Deutschland sind das im Vergleich gerade mal vier Prozent, die das Pensum abarbeiten. Auch wenn sich auch unsere Arbeitswelt gerade in der Pandemie verändert hat.

Entsprechend groß ist schon seit Jahren der Druck von Gewerkschaften und Bürgerorganisationen. 2015 wurden kleine Feldexperimente ins Leben gerufen, dann startete Island ein großes. Bei beiden nahmen schließlich insgesamt 2.500 städtische Angestellte unterschiedlicher Arbeitgeber teil. Ihre Arbeitszeit wurde von 40 auf 36, teils 35 Stunden verkürzt.

Die Frage: Wie wirken sich diese Arbeitszeiten bei gleichbleibendem Lohn auf Produktivität und Work-Life-Balance aus?

Produktivität bleibt, Work-Life-Balance wird besser

Nun liegen die ersten Ergebnisse der Experimente vor. Die Studie zeige, dass die Verkürzung der Arbeitswoche „ein überwältigender Erfolg“ gewesen sei, zitiert die BBC Will Stronge, den Leiter der Forschungsabteilung des Thinktanks Autonomy. Die Teilnehmer waren demnach weniger gestresst, wollten weniger in Teilzeit wechseln und waren zu mehr Überstunden bereit. Viele berichteten, mehr Zeit für ihre Familien, Freizeit und Hobbys zu haben.

Und während sich das Wohlbefinden der Angestellten steigerte und die Work-Life-Balance besser wurde, blieb das Produktivitätsniveau gleich und stieg teilweise sogar an. Die Wissenschaftler sprechen euphorisch von einer Blaupause für die ganze Welt.

Anzeige:
Empfehlungen unserer Partner

Strategien zur Zeiteinsparung

Wichtig ist den Autoren dabei, dass sie ein weit verbreitetes Argument der Unternehmen entkräften konnten: Dass kürzere Arbeitswochen zu Mehrarbeit und Überarbeitung führen. Das widerlege die Studie.

Denn die reduzierte Arbeitszeit habe tatsächlich dazu geführt, dass weniger gearbeitet wurde. Um in weniger Zeit aber gleich viel zu schaffen, wurden in dem Experiment Aufgaben neu strukturiert. Meetings wurden kürzer gehalten oder direkt durch E-Mails ersetzt, wo es sinnvoll schien und es wurde gezielt nach Aufgaben gesucht, die sich ersatzlos streichen lassen.

Konzept auch für Deutschland

Wie belastbar die Erkenntnisse aus Island für andere Volkswirtschaften sind, lässt sich nicht sagen – auch wenn die Studienmacher von einer „Blaupause“ sprechen. Kritiker monieren, dass unter den Autoren der Studie kein Ökonom dabei war. Außerdem könnten andere Länder mit einer komplexeren Wirtschaftsstruktur als Island auch andere Ergebnisse liefern.

In Island auf jeden Fall hat das Ergebnis zu einem Umdenken geführt: Die Gewerkschaften und ihre Verbände setzten bereits dauerhafte Arbeitszeitverkürzungen für Zehntausende ihrer Mitglieder im ganzen Land durch. Insgesamt haben etwa 86 Prozent der gesamten isländischen arbeitenden Bevölkerung nun entweder kürzere Arbeitszeiten oder sie haben das vertragliche Recht, ihre Arbeitszeit zu verkürzen.

Alles zum Thema Burnout

Das Burnout-Syndrom ist eine psychische Reaktion auf langfristig andauernden Stress. Betroffene leiden unter Erschöpfung und verminderter Leistungsfähigkeit. Alles was sie sonst noch zum Thema Burnout wissen müssen, haben wir hier zusammengefasst.