Prozess in Zwickau
Pfefferspray-Einsatz wegen Klingelstreich: Polizist drehte durch - jetzt fiel das Urteil

Sollte sich jemand, der Polizist werden möchte, nicht besser unter Kontrolle haben? Diese Frage schwingt mit bei dem Prozess im Amtsgericht Zwickau. Angeklagt ist Polizeimeister Patrick B., zur Tatzeit Polizeianwärter. Er hat einen Mann verfolgt, zu Boden gerungen, verletzt und mit Pfefferspray besprüht. Weil Jens S. (32) bei ihm mehrfach Sturm klingelte und dann davongelaufen ist, ein Dummer-Jungen-Streich. Urteil: Patrick B. muss wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstoß gegen das Waffengesetz 6.570 Euro Geldstrafe bezahlen.
Anklage fordert Bewährungsstrafe für Pfefferspray-Attacke
Der Vorfall ereignet sich im April 2020. Laut dem Polizisten klingelt es wieder einmal penetrant in der Wohnung, in der er gemeinsam mit seiner Freundin lebt. Nicht zum ersten Mal, dass jemand "Klingelmännchen" spielt, wie der Volksmund sagt. Oder "Mäuseklingeln" macht. Patrick B. ist genervt, außerdem glaubt er, dass jemand seine Freundin stalkt, wie er sagt. Angeblich habe er "Todesangst" gehabt.
Nach dem dritten Klingelstreich an diesem Abend greift er sein Pfefferspray, das zu seiner Ausrüstung als Polizeianwärter gehört. Er verfolgt den mutmaßlichen Stalker, wirft ihn zu Boden und wendet dann erhebliche Gewalt an. B. setzt sich auf Jens S., drückt dessen Kopf auf den Boden und besprüht ihn mit Pfefferspray. Der Mann erleidet Schürfwunden sowie Reizungen in Augen und Rachen.
"Dick aufgetragen, um den Einsatz des Pfefferspray zu begründen"
Die Staatsanwaltschaft fordert sechs Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung und die Zahlung von 2.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung. "Was haben Sie eigentlich in ihrer Ausbildung gelernt. Wo waren Sie beim Deeskalation-Unterricht gewesen?", fragt die Anlagevertretung rhetorisch. Patrick B. sei " wie ein Berserker" hinter S. hergerannt, habe ihn "in Rambo-Manier" attackiert.
Die Aktion des Polizeianwärters ist alles andere als angemessen, findet Richter Heiko Eisenreich vom Amtsgericht Zwickau. „Sie wussten, dass das Klingeln kein Stalking ist, als agierender Polizist. (…) Sie waren sauer und haben sich auf die Lauer gelegt. (…) Sie haben einfach überreagiert", so der Richter in seiner Urteilsbegründung. Die Rechtfertigungsversuche des Angeklagten wie er zurück. B. habe das Spray extra vom Dienst mit nach Hause genommen, um es einzusetzen. "Sie haben mit ihrer Begründung hier dick aufgetragen, um den Einsatz des Pfefferspray zu begründen. Dass Sie Todesangst hatten, glaube ich nicht", so Eisenreich.
Polizeigewerkschaft: "Man muss mit dem Kollegen darüber sprechen!"

Weil der Kläger nur geringe Verletzungen erlitten habe, sieht das Gericht einen "minderschweren Fall" und belässt es bei einer Geldstrafe. Jens S. ist mit dem Urteil nicht glücklich, findet es nicht angemessen. "So jemand sollte nicht als Polizist arbeiten dürfen", findet der 32-Jährige. Zudem stört ihn, dass der Polizist nicht mit ihm gesprochen habe. "Er hätte sich wenigstens entschuldigen können, aber es kam gar nichts von ihm", sagt er. Der Verurteilte möchte sich nicht zu dem Vorfall äußern.
Cathleen Martin von der Polizeigewerkschaft Sachsen findet deutliche Worte über ihren Kollegen. Er sei "ganz klar einen Schritt zu weit gegangen", findet sie. Die Situation hätte nicht derart eskalieren dürfen, der Einsatz des Pfeffersprays sei "das falsche Mittel" gewesen.
"Diese Sprays, wie die Polizei sie verwendet, sind zur Gefahrenabwehr gedacht, nicht zur Verfolgung." Keinesfalls solle man Menschen damit besprühen, man sollte sie nur in die Umgebung sprühen, um andere auf Distanz zu halten. Sie findet: "Die Eignung des Kollegen für den Polizeidienst sollte intensiv geprüft werden. Man muss mit dem Kollegen darüber sprechen!" Kein Polizist solle sich so verhalten, wie es B. getan habe.