Ein Team, das keiner mag
Das sind unsere jungen EM-Helden
Yes, Deutschland ist Fußball-Europameister. Nein, keine Sorge Sie haben nichts verpasst. Es geht nicht um die Mannschaft von Joachim Löw. Es geht um unseren Nachwuchs. Mit viel Leidenschaft und Tempo ringt die U21 in einem hochklassigen EM-Endspiel Portugal nieder. Trainer Stefan Kuntz hat eine verschworenes Team zusammengestellt, mit einigen Top-Talenten.
Wirtz und Baku sind eigentlich schon bei den "Großen"

Stefan Kuntz war selbst überrascht. "Diesem Jahrgang hat man am wenigsten zugetraut. Das heute war die Krönung von dem, was die Spieler ab der Gruppenphase gezeigt haben", sagte der Trainer der deutschen U21-Nationalmannschaft. Kuntz sagte das mit brüchiger Stimme. Angefasst vom Titel bei der Europameisterschaft, nach einem knappen 1:0 (0:0)-Erfolg gegen Portugal, in einem hochklassigen Finale. Tatsächlich kommt dieses Team nicht über die herausragende Klasse der Masse an Einzelspielern. Dieses Team ist nicht so ein großes Fußball-Versprechen wie die Europameister von 2009 um Manuel Neuer, Mats Hummels, Jérôme Boateng und Mesut Özil. Und dennoch gibt es auch in dieser Mannschaft Spieler, denen eine große Karriere möglich scheint.
Das ist natürlich ganz vorne Weg Florian Wirtz. Das Top-Talent von Bayer Leverkusen. Nach seiner Gala inklusive Doppelpack im Halbfinale gegen die Niederlande wurde er schon als „weltklasse“ abgefeiert. Tatsächlich ist er ja auch längst im Blickfeld der A-Nationalmannschaft. Bundestrainer Joachim Löw hatte den 18-Jährigen für die Länderspiele Ende März nominiert. Zum Einsatz kam er zwar noch nicht. Aber mit seinen Fähigkeiten im Abschluss, in der Vorbereitung und im Erspüren von Räumen machen ihn zum Kandidaten mit den schnellsten Aufstiegschancen.
Zumindest wenn man davon ausgeht, dass Ridle Baku eigentlich schon ein fester Bestandteil der „Großen“ ist. Der Rechtsverteidiger galt schließlich auch als aussichtsreicher Kandidat für einen fixen Platz in Löws EM-Kader. Dass der scheidende Bundestrainer auf den defensiv und offensiv gleichermaßen starken und dynamischen Wolfsburger verzichtete, es war womöglich eine größere Überraschung als die Nicht-Nominierung der zuletzt eher unauffälligen Julian Brandt (Borussia Dortmund) und Julian Draxler (Paris St. Germain).
Zwei echte Stürmer bringen sich in Stellung

Einen ganz schnellen Aufstieg könnte es auch für Lukas Nmecha geben. Nicht nur wegen seines Treffers im Endspiel. In 20 Spielen für die deutsche U21 hat er beeindruckende zwölf Tore erzielt. Angesichts des Mangels an echten Stürmern in Deutschland ist das eine mächtige Bewerbung. Was dem schnellen und bulligen 22-Jährigen noch helfen könnte: Ein Wechsel aus Belgien, ein Wechsel vom RSC Anderlecht in eine Top-Liga. Womöglich ja in die Bundesliga. Kleine, indes spannende Randnotiz: Der in Hamburg geborene Nmecha spielte von der U16 bis zur U21 für England, ehe ihn Kuntz überzeugte, doch für seine „Heimat“ die Töppen zu schnüren.
Ein Stürmer mit Perspektive ist auch Mergim Berisha. Bei einem Blick in seine Fußballer-Vita kann einem allerdings schwindelig werden. Zahlreiche Vereine, kein Durchbruch. Bis zur vergangenen Saison. Für RB Salzburg legte er dann sensationelle Statistiken auf, erzielte in 42 Pflichtspielen 22 Tore und bereitete 14 vor. RB Salzburg ist, das weiß man, ein ziemlich stabiles Sprungbrett für Sturmtalente. Borussia Dortmunds Tormonster Erling Haaland ist das Stichwort.
Zu den Spielern, die auf dem großen Transfermarkt interessant geworden sind, gehört auch Niklas Dorsch, der Sechser. Und abschreiben sollte man mutmaßlich auch Arne Maier nicht, selbst wenn die Karriere des einstigen Supertalents von Hertha BSC bislang nicht das erfüllt hat, was sie einst versprochen hatte. Die Anlagen des Spielmachers sind herausragend. Weniger prächtig sieht es dagegen bei den Torhütern aus. Warum? Das lesen Sie hier.
"Keiner kann Hyänen leiden, aber die kriegen immer, was sie wollen"
Den Schlüssel für den Erfolg sieht Kuntz aber tatsächlich in der Stärke der Mannschaft. Nach dem Titel berichtete der Trainer übrigens von einer besonderen Kabinenansprache, von einem besonderen Vergleich. Vor dem Spiel gegen die Niederlande motivierte er seine Mannschaft, dass sie eine „Hyänenbande“ sein soll.
Die Begründung: "Keiner kann Hyänen leiden, aber die kriegen zum Schluss immer, was sie wollen. Vorne beißt eine dem Gnu in den Huf, die kriegt zwar noch einen Schlag ab, aber dann kommen von hinten schon wieder vier neue". Die Spieler hätten bei diesem Vergleich "natürlich gelacht, aber das haben wir beibehalten“. (tno)