Was ist dran an den Vorwürfen?

Schwangere (32) angeblich wegen Corona-Infektion abgewiesen - jetzt ist sie tot

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Dönüş K. hatte sich im neunten Monat ihrer Schwangerschaft mit dem Coronavirus infiziert.
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Dönüş K. hatte sich im neunten Monat ihrer Schwangerschaft mit dem Coronavirus infiziert. Als die Geburt losging, brachte ihr Mann sie ein Krankenhaus in Istanbul – doch dort soll das Paar wegen der Covid-Erkrankung abgewiesen worden sein. Auch ein anderes Krankenhaus soll ihnen „die Tür vor der Nase zugeschlagen“ haben. Erst bei einer Privatklinik hatten sie Glück, doch da war es für Dönüş bereits zu spät. Das Krankenhaus dementiert die Darstellung.

Schwangere wegen Corona-Infektion abgewiesen

Die 32-Jährige hatte ihre Vorsorgeuntersuchungen im Medipol-Krankenhaus in Istanbul gemacht, doch als sie dort zur Geburt eintraf, soll man die Frau abgewiesen haben. „Als ich sagte, dass meine Frau Coronavirus hat, ließen sie uns nicht einmal durch die Tür herein“, sagt ihr Mann Ramazan K.. „Also rief ich den Krankenhausdirektor an. Er sagte zu mir: ‘Wir nehmen keine Covid-19-Patienten auf, um die anderen Patienten zu schützen. Wir sind kein Pandemiekrankenhaus.’“ Die Schwangere solle wiederkommen, wenn ein negativer Corona-Test vorliege.

Dem türkischen Nachrichtenportal „Gazete Duvar“ sagte K., nach der Abfuhr sei er mit seiner Frau noch zu einem weiteren Krankenhaus gerast, doch auch dort habe man die kranke Gebährende nicht aufnehmen wollen. In der Marmara-Universitätsklinik sagte man, man habe vom Gesundheitsministerium eine Quote zur Aufnahme von Coronapatienten erhalten, die man „nicht überschreiten“ dürfe.

Am Ende habe Ramazan K. seine schwangere Frau in ein privates Hospital auf der europäischen Seite Istanbuls gebracht, wo sie sofort operiert worden sei. Doch zu spät. Die Frau starb am 03. November 2020 auf dem OP-Tisch, ihr Baby überlebte.

Dönü? K?l?nçs Mann will rechtliche Schritt gegen die Krankenhäuser einleiten.
Dönüş' Mann will rechtliche Schritt gegen die Krankenhäuser einleiten.
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"Sie haben uns im Stich gelassen"

„Sie sagten uns, dass wir das Baby auch verloren hätten, wenn wir noch länger gewartet hätten“, so der Witwer, der sein Kind nun alleine großziehen muss. Der Nachrichtenseite zufolge soll er rechtliche Schritte gegen das Medipol-Krankenhaus in Istanbul eingeleitet haben, in dem Dönüş Patientin war. „Wir haben eine Frau verloren, die ihr Leben jahrelang Kindern und Bildung gewidmet hat. Dieser Staat hat einen Lehrer verloren, ein Kind seine Mutter. Sie haben uns im Stich gelassen."

Die vom türkischen Gesundheitsminister Fahrettin Koca gegründete „Medical Health Group“, zu der auch das Medipol-Krankenhaus in Istanbul gehört, das die Frau angeblich abwies, dementiert die Vorwürfe und hat eine Erklärung veröffentlicht. Darin heißt es, Dönüş K. sei zwar tatsächlich Patientin des Hauses gewesen, dort nach dem positiven PCR-Test am 29. Oktober aber nicht mehr vorstellig geworden. Es habe also keinen solchen Vorfall gegeben. Hier steht die Aussage des Ehemannes gegen das Dementi der Klinik.

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Türkei erlebt laut Ärztevereinigung einen "Tsunami"

Fakt ist: Die Türkische Ärztevereinigung TTB prangert schon seit langem an, dass manche private Kliniken, die zu Pandemiekrankenhäusern erklärt wurden, selektiv vorgehen. Behandlungen dort seien mit hohen Kosten für den Patienten verbunden. Das Medipol-Krankenhaus in Pendik jedoch ist kein Pandemiekrankenhaus und darf somit auch keine Coronapatientin aufnehmen. Sollten sich die Schilderungen des Mannes, wonach er und seiner Frau „die Tür vor der Nase zugeschlagen worden“ sei, jedoch bewahrheiten, stellt sich zumindest die Frage, weshalb die Medipol-Klinik nicht den Platz in einer Pandemieklinik organisierte und die Frau auf direktem Wege dorthin brachte. Denn der Umweg über die Marmara-Uniklinik hat das Ehepaar wertvolle Zeit gekostet. Zeit, die Dönüş K. am Ende vielleicht das Leben gekostet hat.

Zurzeit liegt die tägliche Zahl an Neuinfizierten in dem 83-Millionen-Land bei rund 30.000 Fällen, doch die TTB zweifelt die Zahlen der Regierung an und geht von täglich mindestens 50.000 neuen Fällen aus. Schon mehrfach warnte die TTB, dass staatliche Kliniken voll belegt seien. Die Angabe der Regierung, dass nur rund 70 Prozent der Intensivbetten belegt seien, widerspreche den Erhebungen der TTB, hieß es in einer Erklärung. „Patienten warten manchmal tagelang auf ein Bett auf einer Intensivstation.“ In manchen Provinzen würden Patienten auf den Korridoren oder Kantinen behandelt, es sei aber nicht ausreichend Personal und Ausstattung vorhanden, um sie zu versorgen. Das Land erlebe zurzeit einen „Tsunami“, vor dem die TTB seit Monaten gewarnt habe.