Thomas Müller vor Comeback bei Jogi

Aber wo soll er denn spielen?

Bundestrainer Joachim Löw hat Thomas Müller offenbar das Zeichen zur Rückkehr in die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gegeben. Sportlich ist das eine sehr nachvollziehbare Entscheidung, sie kann aber auch zum Problem werden. Eine Analyse.

Dichtes Drängen im deutschen Zentrum

Wenn Joachim Löw auf sein Luxusproblem angesprochen wird, dann gerät er ins Schwärmen. Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Ilkay Gündogan und Toni Kroos – ja, das ist schon klasse, betont der Bundestrainer. Und er sieht kein Problem darin, dass es für die vier herausragenden Fußballer nur drei Plätze in seinem System gibt. Das besteht im zentralen Mittelfeld meistens aus einem defensiveren Part, in der Regel ist das Kimmich. Dort ist der ewig gallige Antreiber unverzichtbar, eine Rückversetzung zum Rechtsverteidiger ist zwar eine charmante Idee (dort gibt es durchaus Bedarf), aber nicht zielführend für den Erfolg des DFB-Teams.

Vor dem defensiven Kimmich gibt es zwei offensiver spielende Akteure. Da fällt die Wahl dann entweder auf den dynamischen Power-Tower Goretzka oder auf die eher strategischen Kroos und Gündogan. Auch Kai Havertz wäre eine Option, zuletzt bekam er seine Chancen aber auf den offensiven Außenbahnen oder auch als Sturmspitze.

Das Problem: Die Müller-Position gibt es im System Löw nicht

ARCHIV - 03.04.2021, Sachsen, Leipzig: Fußball: Bundesliga, 27. Spieltag, RB Leipzig - Bayern München in der Red-Bull-Arena Leipzig. Münchens Mittelfeldspieler Thomas Müller reagiert. (zu dpa: "Bayerns Müller vor möglicher Meisterentscheidung: «Hunger geholt»") Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Thomas Müller im Trikot der Nationalmannschaft.
woi, dpa, Jan Woitas

Ja, das ist schon reichlich Luxus, den Löw da besitzt. Mehr als auf jeder anderen Position in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Nimmt man mal die Torhüter raus. Dort ist die Dichte an Weltklasse mit Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen sogar noch ein wenig größer. Und mit Bernd Leno und Kevin Trapp als Optionen dahinter ebenfalls noch prächtig. Nun könnte sich der Löw’sche Luxus bei der anstehenden EM, seiner letzten Mission für den Deutschen Fußball-Bund (DFB), noch ein wenig vergrößern. Denn wie die „Bild“ nun berichtet, hat der Bundestrainer Thomas Müller signalisiert, dass er sich nach dem Saisonende mit dem FC Bayern für weitere Aufgaben bereithalten soll. Bedeutet also: Rückkehr ins DFB-Team nach über zwei Jahren.

Sportlich ist die Entscheidung natürlich völlig unstrittig. Müller spielt seit über anderthalb Jahren herausragend. Das hängt ganz eng mit Trainer Hansi Flick zusammen. Der hatte ihn nach zermürbenden Jahren und der Notnagel-Degradierung durch Niko Kovac wieder zum ungreifbaren Müllerthomas gemacht. Er hatte ihm wieder die Rolle anvertraut, die er am besten kann: Flick hatte Müller den Raum hinter Robert Lewandowski anvertraut. Ein Raum für spezielle Aufgaben. Spezielle Aufgaben, die nur ein Thomas Müller mit seinem eigentlich nicht zu definierenden Spiel lösen kann. 15 Tore und 22 Vorlagen in 44 Pflichtspielen. Das ist eine Bilanz, die für die Nationalmannschaft unverzichtbar ist.

Aber ist auch Thomas Müller mit seiner Rolle als Thomas Müller für die Nationalmannschaft unverzichtbar? Denn tatsächlich funktioniert er so herausragend nur, wenn man ihn so spielen lässt wie es die Münchner tun lassen. Diese Position aber gibt es im System Löw nicht. Und das könnte durchaus ein Problem werden. Es ist weder so dynamisch wie Goretzka, noch so strategisch wie Kroos und Gündogan. Er ist die freigeistige Schleichkatze, immer unterwegs, taktisch mit seinen Stärken nicht in ein festes Korsett zu zwängen. Was also bleibt? Klar, die offensiven Außenbahnen (rechts) oder das Sturmzentrum. Beide Positionen hat der 31-Jährige beim FC Bayern schon gespielt, allerdings jeweils mit überschaubarem Erfolg.

Sein 100. und bislang letztes Länderspiel (38 Tore) bestritt Müller übrigens am 19. November 2018 in der Nations League gegen die Niederlande (2:2), ehe er im März 2019 gemeinsam mit Jérôme Boateng und Mats Hummels ausgebootet wurde. Damals wurde Müller für seinen Münchner Teamkollegen Serge Gnabry eingewechselt, spielte Rechtsaußen – und das ohne erinnerungswürdigen Arbeitsnachweis.

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Aber: Müller bringt Führungsqualitäten mit

Apropos: Rechts ist der Platz bei Jogi ohnehin durch Gnabry besetzt, der ja von Löw eine Einsatzgarantie ausgesprochen bekam. Niemand sonst im Kader außer Neuer kann sich seines Platzes also so sicher sein wie der Flügelstürmer. Im Sturmzentrum ist die Lage dagegen etwas anders. Dort galt Timo Werner lange als Mann der Wahl. Doch kämpft der beim FC Chelsea mit Form und vor allem mit Konstanz. Das hatte auch Folgen für das DFB-Team, dort verzichtet Löw zuletzt auf Startelfeinsätze seines Stürmers. Eine richtig gute Alternative gibt es nicht. Auch weil Kevin Volland weiterhin keine Rolle spielt, trotz einer erneut richtig guten Saison. Mittlerweile für die AS Monaco.

Was indes für Müller spricht, für seine Unverzichtbarkeit im DFB-Team: Er bringt Führungsqualitäten und vor allem Lautstärke mit. Zwei Dinge die seit längerer Zeit vom Bundestrainer vermisst werden. Das Schweigen der Männer war im vergangenen Jahr zum großen Thema geworden. „Radio Müller“ wäre die perfekte Lösung für dieses Problem.

Und dann kann der Rumtreiber noch eine Sache besser als vermutlich jeder andere Spieler in der Nationalmannschaft: Er kann ein gnadenlos effektives Pressing anleiten. Beim FC Bayern orchestriert er seit Monaten beeindruckend. Tja, bleibt nur noch die Frage: Wo soll er denn hin, der Thomas Müller?

TNO