Nötigung, Bedrohung und Nachstellung
Stieg durch Corona die Gewalt in Partnerschaften? Neue Zahlen des Bundeskriminalamtes überraschen

Jahre voll von Existenzängsten, wenig Ablenkung und vor allem Kontaktbeschränkungen liegen zurück. Im Lockdown wurden die Kontakte auf ein Minimum reduziert – oft waren Partner oder Partnerin die einzigen Kontaktpersonen. Gleichzeitig verbreitete sich die Sorge über einen rapiden Anstieg der Gewalt in Beziehungen und Partnerschaften. Jetzt liegt der Bericht zur Partnerschaftskriminalität vom Bundeskriminalamt aus dem Jahr 2021 vor – und die Zahlen überraschen.
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Trotz weniger Gewaltdelikte als im Vorjahr: Fallzahlen erschrecken
Im Vergleich zum Vorjahr sind die Fälle von Gewalt in Partnerschaften gesunken – und zwar um 2,5 Prozent. Trotzdem sind die aktuellen Fallzahlen erschreckend: 143.016 Menschen wurden im vergangenen Jahr Opfer von partnerschaftlicher Gewalt – davon hauptsächlich Frauen (80,3 Prozent). Insgesamt hat die Bedeutung dieser Gewaltdelikte in den letzten Jahren zugenommen. In den meisten Fällen liegt eine vorsätzliche einfache Körperverletzung vor. Trotzdem gibt es 3.618 Menschen, die 2021 sexueller Gewalt zum Opfer gefallen sind und für 369 Menschen endete die Gewalt in der Partnerschaft sogar tödlich.
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Die kriminalistische Auswertung ergab außerdem: Täter werden vermehrt über das Internet gewalttätig. Das Tatmittel Internet verzeichnet einen deutlichen Anstieg – vor allem auch im Vergleich zu 2020, das den bisherigen Höchststand an Fallzahlen verzeichnet. Nötigung, Bedrohung und Nachstellung: 2021 war das World Wide Web für die Täter ein beliebtes Mittel zum Zweck.
Hatte Corona Einfluss auf Gewalt in Partnerschaften?

Die Zahlen sagen: Nein! Bei der Auswertung wurden die Fallzahlen in Bezug auf die Lockdown-Monate betrachtet und das Ergebnis ist überraschend. Es gab keinen Anstieg von Gewaltdelikten mit Tatzeit während der Lockdowns. Doch die Aussagen sind mit Vorsicht zu genießen. Es wird vermutet, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist. Außerdem wurde das Anzeigeverhalten durch Dritte während des Lockdowns beeinflusst. Denn: Weniger Kontakte bedeutet auch weniger Menschen, die etwas von den Übergriffen mitbekommen. Somit hat sich das Dunkelfeld in diesem Bereich womöglich sogar vergrößert. (xas)
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Anlaufstellen und Hilfe für Frauen, die von Gewalt betroffen sind
Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen
Das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben steht betroffenen Frauen rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr, zu allen Formen von Gewalt zur Seite. Unter der Rufnummer 08000 116 016 und über die Online-Beratung unter hilfetelefon.de können sich Betroffene, aber auch Menschen aus dem sozialen Umfeld der Betroffenen und Fachkräfte beraten lassen – anonym, kostenlos, barrierefrei und in 18 Sprachen. Auf Wunsch vermitteln die Beraterinnen an eine Unterstützungseinrichtung vor Ort.
BIG Hotline
Hilfe bei häuslicher Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder. Die BIG Hotline ist täglich erreichbar von 8 bis 23 Uhr unter: 030 611 03 00, auch am Wochenende und an den Feiertagen. Die Hotline ist ein Unterstützungsangebot für alle Frauen und deren Kinder, die in ihrer Beziehung Gewalt erleben, nach ihrer Trennung immer noch von ihrem Ex-Partner bedroht und belästigt werden oder Übergriffen ausgesetzt sind. Auf Wunsch können Dolmetscher für eine Beratung eingesetzt werden.
Weißer Ring
Weißer Ring ist eine Organisation, die Opfern jeglicher Art hilft. Auf ihrer Website weisser-ring.de und unter der Nummer 116 006 ist die Organisation zu erreichen. Sie bietet eine Erstberatung, begleitet die Opfer aber auch zu Gerichtsterminen und bietet dauerhafte Unterstützung an. Außerdem stellt der Weiße Ring kostenlos die App „No Stalk“ zur Verfügung. Hier können Video-, Ton- oder Fotoaufnahmen als Beweismittel bei Stalking gemacht werden. Diese landen mit nur einem Klick auf dem Server der Opferschutzorganisation und können somit nicht verloren gehen, egal ob die Dokumente vom Telefon gelöscht werden oder das Handy kaputt geht.