Triumph mit Goldpferd Chakaria
Springreit-Europameister Thieme mit süßer Schmeichelei: „Ich liebe sie genauso wie meine Frau, damit muss sie leben"

Andre Thieme herzte seine kleine Tochter Johanna, er küsste sein Goldpferd Chakaria, und am liebsten hätte der neue Europameister der Springreiter wohl die ganze Welt umarmt. "Wie geht denn sowas? Ich weiß es auch nicht. Auf einmal ist es passiert, und wir haben es gar nicht richtig mitgekriegt", sagte Thieme im ZDF: "Ein Leben lang habe ich davon geträumt, für Deutschland solche Championate zu reiten. Das bedeutet mir so unendlich viel." Und dann gab es noch eine süße Schmeichelei für Chakaria: „Ich liebe sie genauso wie meine Frau, damit muss sie leben.“
"Ein Traumergebnis für uns"
14 Jahre nach Meredith Michaels-Beerbaum und ihrem legendären Shutterfly hat der 46-jährige Thieme erstmals wieder den Titel nach Deutschland geholt - vor Titelverteidiger Martin Fuchs aus der Schweiz mit Leone Jei und Peder Fredricson aus Schweden mit Catch Me Not. Christian Kukuk mit Mumbai und David Will mit C Vier auf den Plätzen vier und sieben rundeten die hervorragende deutsche EM-Bilanz ab. "Ein Traumergebnis für uns", sagte Bundestrainer Otto Becker im ZDF: "Das ist wirklich sensationell, dass Andre den Sack tatsächlich zugemacht hat."
Der viermalige Olympiasieger Ludger Beerbaum, Hausherr in Riesenbeck und Veranstalter der EM, hatte es schon vor dem entscheidenden zweiten Umlauf geahnt: "Wenn Andre ruhig bleibt und das nach Hause bringt, ist er ganz klar der Favorit." Da lag Thieme nach einem fehlerfreien ersten Umlauf in Führung und hatte festgestellt, dass "ich jetzt gar nicht mehr so locker drauf bin, wie ich das eigentlich heute Morgen noch gedacht hatte". Im zweiten Umlauf startete Thieme als Letzter, er durfte sich einen Abwurf leisten, bei zweien wäre der Traum vom großen Coup geplatzt. "Dann kommt tatsächlich dieser Fehler am fünften Hindernis", sagte der Reiter, "und plötzlich war es tatsächlich gar nicht mehr so einfach, ruhig zu bleiben, aber es ist uns super gelungen".
"Manchmal zu langsam und zu verträumt"

Und so steht Andre Thieme, der stille Mann aus Mecklenburg-Vorpommern, dem viele seiner Bekannten nachsagen, "dass ich manchmal zu langsam und zu verträumt für das richtige Leben bin", nun in einer Reihe mit Größen wie Fritz Thiedemann, Hans Günter Winkler, Paul Schockemöhle oder Ludger Beerbaum. Dabei hatte er eigentlich überlegt, nach der Enttäuschung bei Olympia in Tokio eine Pause einzulegen und erst beim CHIO in Aachen wieder an den Start zu gehen. "Gottseidank", sagte Otto Becker, "haben wir ihn überzeugen können, die EM zu reiten".
Nicht ganz so glücklich waren Christian Kukuk und David Will mit ihren Plätzen vier und sieben. Kukuk hatte sich bereits mit einem Abwurf im ersten Umlauf nahezu aller Chancen auf eine Medaille beraubt. Will stürzte vor dem zweiten Umlauf auf dem Abreiteplatz "nach einem kleinen Missverständnis zwischen mir und meinem Pferd" aus dem Sattel und büßte dabei alle Konzentration ein. Am Dienstag wird Europameister Thieme in Lübz, einer 5000-Seelen-Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern, übrigens wie jede Woche zum Fußballtraining mit seiner Altherren-Mannschaft antreten. Und vermutlich die eine oder andere Runde ausgeben. (tno/sid)