Belgier in Sorge

Sorge um Charly Musonda: Das mysteriöse Verschwinden eines Fußball-Talents

Essevee's new player Charly Musonda pictured during a training session ahead of the 2022-2023 season, of Belgian first division soccer team Zulte Waregem, Wednesday 15 June 2022 in Waregem. BELGA PHOTO KURT DESPLENTER
Wo ist Charly Musonda?
Kurt Desplenter, picture alliance/dpa/BELGA | Kurt Desplenter, dpa

Belgien sorgt sich um einen ehemaligen U21-Nationalspieler: Charly Musonda stand nach einem erfolgreichen Vorspiel im Juni kurz vor einem Engagement beim belgischen Erstligisten Zulte Waregem, doch vor der Vertragsunterzeichnung reiste Musonda unter Verweis auf "familiäre Gründe" wieder ab - und ist seitdem nicht mehr auffindbar, wie der Verein mitteilte. "Wir wissen nicht, wann er zum Training zurückkommt. Kommt er überhaupt jemals zurück? Wir haben keine Ahnung", verkündete Klubchef Eddy Cordier gegenüber englischen Medien. Kontakt gab es nach den ersten Trainingseinheiten und einem überzeugenden Testspiel nicht mehr: "Seither ist er einfach nicht mehr aufgetaucht, und wir haben auch nichts von ihm gehört", wird Cordier zitiert.

"Jeder Tag ist ein Schritt näher an der Rückkehr"

Musonda musste sich im Sommer nach einem neuen Klub umsehen, nachdem sein Vertrag beim FC Chelsea ausgelaufen war. Zehn Jahre spielte der 25-Jährige für den Klub des deutschen Trainers Thomas Tuchel, konnte sich aber nie nachhaltig an der Stamford Bridge durchsetzen. Dabei galt der Belgier mit sambischen Wurzeln als großes Versprechen für eine große Zukunft: Als Musonda mit 15 Jahren in London unterschrieb, war das ein Coup für den Klub, der sich gegen den FC Barcelona, Manchester City und Real Madrid im Ringen um den Fußballer durchsetzte. Doch letztendlich lief der Offensivspieler nur dreimal für den Champions-League-Sieger von 2021 in der Premier League auf, auf das Debüt 2017 folgten mehrere Leihen: Musonda spielte für Vitesse Arnheim, Celtic Glasgow, und Betis Sevilla.

In Arnheim verletzte sich Musonda schwer, nach einem Riss des hinteren Kreuzbandes fiel er 2020 lange aus und bangte sogar um die Fortsetzung seiner Karriere. "Ich fühle mich jetzt wie ein Boxer, der sich auf einen Boxkampf vorbereitet. Es wäre ein unglaubliches Comeback - eine unglaubliche Geschichte. Jeder Tag ist ein Teil der Reise, jeder Tag ein Schritt näher an der Rückkehr. Ich bin auf dem richtigen Weg", sagte der Spieler der BBC 2021, nachdem er sich wieder herangekämpft hatte. "Ich glaube, dass ich, wenn ich einen Lauf habe und zurückkomme, gut 10 Jahre lang spielen kann. Ich bin immer noch 24 - wenn ich in der Blüte meiner Karriere zurückkomme, kann ich einen Lauf hinlegen - das ist mein Ziel."

"Mein Vater war wütend"

In dem langen Text, den die BBC über das einstige Supertalent 2021 schrieb, als der Spieler seine Zukunft noch beim FC Chelsea gesehen hat, berichtete Musonda auch von seiner eigenen bemerkenswerten, schicksalshaften Familiengeschichte: "Mein Vater hatte ein Qualifikationsspiel für Sambia für die Weltmeisterschaft 1994", sagt Charly Jr. "Er hatte Probleme mit seinem Knie, wollte aber spielen. Als sie zu dem Spiel reisten, stürzte das Flugzeug ab und alle starben. Die Mannschaft, das Personal, alle. Mein Vater hatte Glück, denn der Besitzer von Anderlecht sagte ihm, er solle nicht mitfahren. Mein Vater war wütend. Zwei Tage später stürzte das Flugzeug ab. Wäre er in dem Flugzeug gewesen, wäre ich jetzt nicht hier."

Seine eigene Karriere, so sagte Musonda, solle ein anderes Ende nehmen, als die des Vaters, der seine schwere Knieverletzung letztlich nie überwinden konnte. "Er ist einer der Gründe, warum ich versuche, zurückzukommen", sagt Charly Jr. "Ich will nicht, dass meine Geschichte mit einer Knieverletzung endet. Ich möchte zeigen, dass meine Geschichte dieselbe war, aber dass ich zurückgekommen bin. Jeden Tag, wenn ich zur Reha ging, habe ich daran gedacht. Ich habe an meinen Vater gedacht und an all die Menschen, die es nicht geschafft haben. Er ist meine Inspiration. Jeden Tag tue ich es für ihn." In seiner letzten Saison für den FC Chelsea reichte es jedoch nur für zwei Einsätze in der zweiten Mannschaft.

Ob er nun jemals für Zulte Waregem spielen wird, ist unklar. "Ich weiß nicht, ob wir weiter auf ihn bauen sollen, weil er seit dem Training vor ein paar Wochen nicht mehr da war und es keinen Kontakt gab", erläutert Klubboss Cordier die Lage. (tno/ter)