Was hat es mit "Sheriff" auf sich?Sensation ja, Fußball-Märchen nein

Verkehrte Welt in der Champions League! Ein Neuling aus Moldawien, genauer gesagt Transnistrien (dazu später mehr), fügt Real Madrid die erste Pflichtspielniederlage in dieser Saison zu. Sheriff Tiraspol steht nach zwei Spielen und zwei Siegen tatsächlich an der Spitze der Gruppe D in der Champions League. Klingt alles nach einem tollen Fußball-Märchen, einer Cinderella-Story – ist es aber ganz und gar nicht. Ein mächtiges Unternehmen machte den Club groß.
Keine Fußball-Feelgood-Story
Ja, die Augen dürften sich viele Fußball-Fans und -experten gerieben haben, als das Endergebnis der Partie Real Madrid gegen Sheriff Tiraspol aufleuchtete. 2:1. Für Sheriff. Viel mehr Underdog ging eigentlich nicht. Ein krasser Außenseiter aus einem fernen unbekannten Land gegen den Rekordsieger. Ex-Profi Dirk Kuyt (u.a. Liverpool) sagte erst im August: „Teams wie Sheriff haben nichts in der Champions League zu suchen.“
Naja, für einen Sieg gegen Real hat es dann doch gereicht. Mit einem – das sei gerne erwähnt – Traumtor kurz vor Schluss. Sicherlich war es ein Überraschungssieg, eine Sensation. Allerdings ist der Aufstieg von Sheriff, jetzt wird es enttäuschend, keine Fußball-Feelgood-Story.
Ohne Sheriff geht nicht viel in Transnistrien
Wer ist dieser Sheriff eigentlich?
Der Club ist der alles dominierende Serienmeister in Moldawien. Wobei sich der Landstrich um Tiraspol schon in den 1990ern von Moldawien losgesagt und eine eigene Republik namens Transnistrien deklariert hat – sie wird aber von keinem anderen Land offiziell anerkannt, hat aber eigenes Militär, eine Regierung und eine eigene Währung. Ihr wird auch eine Nähe zu Russland nachgesagt. Der Landstreifen um Tiraspol liegt an der Grenze zur Ukraine, rund 500.000 Menschen sollen dort leben. 1992 gab es einen kurzen Krieg zwischen dem abtrünnigen Transnistrien und Moldawien.
Hinter „Sheriff“ steht das dubiose Unternehmen „Sheriff“, das im Land nahezu allmächtig ist und überall seine Finger im Spiel hat. Tankstellen, Supermärkte, das Mobilfunknetz, Medien, Bäckereien und vieles mehr gehören zum Firmengeflecht. Auch enge Drähte in die örtliche Politik werden Sheriff nachgesagt. Die Unternehmensgruppe kontrolliert quasi Transnistrien. Oder anders gesagt: Ohne Sheriff geht nix in Transnistrien. Auch im Fußball.
19 Titel seit 2001
Gegründet wurde Sheriff vor 30 Jahren als Sicherheitsfirma, was auch den ulkig klingenden Namen erklärt. Der heutige Staatschef Wadim Krasnoselski stieg einst als Sicherheitschef bei Sheriff auf.
Und überhaupt Transnistrien: Der selbst ausgerufene Staat ist nun nicht wirklich oft in den Schlagzeilen, aber kein unbeschriebenes Blatt. Es gibt Berichte über Korruption und Menschenrechtsverletzungen, der dünne Landstreifen im Osten Europas gilt als sicherer Hafen für Schmuggler.
Da ist man schnell beim Thema Sportswashing. Also dem Ablenken von staatlichen Problemen bzw. Menschenrechtsverletzungen sowie Korruption durch Sportevents, die das dann Überstrahlen. Da passt es doch aus Sicht der Staatslenker gut, dass Sheriff nun auch in der Königsklasse kickt, dann auch noch gegen große Clubs wie Real Madrid und Inter Mailand.
Mit Spielern aus der ganzen Welt an die Spitze
Was für ein sportlicher Aufstieg: Der Club wurde 1996 gegründet, ein Jahr später erhielt er den Namen Sheriff. Seit 2001 hat der mächtige Club 19-mal den moldawischen Meistertitel gewonnen, qualifizierte sich dann erstmals für die Europa League (2009/10, zuletzt 2017/18), nun die Krönung durch die Champions League. Die anderen Teams in Moldawien haben wenig zu melden. Als einziger Club verfügt Sheriff über ein modernes Stadion und Trainingsplätze. Die Dominanz manifestiert sich.
Das Team ist aus vielen internationalen Spielern zusammengestellt. Zum Beispiel die Offensivmännner Momo Yansane (Guinesa), Frank Castaneda (Kolumbien) oder Sebastien Thill (Luxembug), moldawische Profis gibt es kaum im Verein. Thill war es auch, der das entscheidende Tor gegen Real erzielte. Ein Treffer für die Geschichtsbücher – Tiraspol wird gefeiert, eine Sensation, ein Märchen! Naja, Letzteres eher nicht.
Es sei ein neuer Sheriff in der (Fußball-)Stadt, war allenthalben zu lesen. Aber wie das dann so ist. Dann wird auch genauer hingeschaut und wenn Western etwas gelehrt haben, dann wohl: Der Sheriff ist nicht immer der sauberste. (msc)




