So hart war Paris-Roubaix noch nie
Colbrelli triumphiert in der "Hölle des Nordens"

Nils Politts Hoffnungen versanken jäh im tiefen Schlamm, John Degenkolb krachte schmerzhaft auf den spiegelglatten Untergrund: Der legendäre Klassiker Paris-Roubaix hat seinem Beinamen "Hölle des Nordens" bei der denkwürdigen 118. Auflage alle Ehre gemacht und nicht nur die deutschen Radprofis in die Knie gezwungen.
Rutsch bester Deutscher auf Platz elf

Beim von vielen Stürzen und Defekten geprägten Kampf gegen die Elemente hatte Sonny Colbrelli das beste Ende für sich. Der italienische Europameister vom Team Bahrain-Victorious überquerte dreckverschmiert nach 257,7 km die Ziellinie im berühmten Velodrom von Roubaix und durfte wenig später die begehrte Pflasterstein-Trophäe in die Höhe stemmen.
Das Podium komplettierten Florian Vermeersch (Belgien/Lotto-Soudal) und Mitfavorit Mathieu van der Poel (Niederlande/Alpecin-Fenix). Bester Deutscher wurde Jonas Rutsch (EF Education-Nippo/+ 1:16 Minuten) als Elfter.
Auch Degenkolb erwischt's

Ein Unwetter in der Nacht zu Sonntag hatte die holprigen Feldwege in Nordfrankreich in regelrechte Schlammpisten verwandelt. An den Rändern der insgesamt 55 km langen Paves bildeten sich teils tiefe Pfützen, der matschige und rutschige Untergrund verlangte hohe Aufmerksamkeit und fahrerische Höchstleistungen.
Stürze blieben dennoch unvermeidlich. Zu den vielen betroffenen Fahrern zählten auch Ex-Sieger Degenkolb (Gera/Lotto-Soudal), der deutsche Meister Maximilian Schachmann (Berlin/Bora-hansgrohe), Max Walscheid (Neuwied/Qhubeka-NextHash) und der dreimalige Weltmeister Peter Sagan aus der deutschen Bora-Mannschaft.
Deutscher Hoffnungsträger Politt fällt früh zurück
Regen und Windkanten hatten das Rennen allerdings schon weit vor dem ersten Pave-Sektor nach 96,3 km bei Troisvilles unglaublich erschwert. Dennoch gelang einer Gruppe die Flucht, zu der auch Walscheid zählte. Der deutsche Hoffnungsträger Politt, bei der vorherigen Ausgabe im Frühjahr 2019 Zweiter, war schon vorher zurückgefallen und hatte früh keine Siegchance mehr.
An der Spitze verkleinerte sich die Gruppe der Ausreißer. Dahinter machten die Top-Favoriten Tempo. Im gefürchteten Wald von Arenberg bei Kilometer 162, in dem das Pflaster für besonders heftige Einschläge sorgt, drückte van der Poel aufs Tempo und riss erstmals eine Lücke zu seinem nominell schärfsten Rivalen Wout Van Aert.
Der Niederländer van der Poel, Enkel der französischen Rad-Ikone Raymond Poulidor, zeigte sich auch in der Folge als einer der stärksten Fahrer im Feld. Nach einem Radwechsel schloss der 26-Jährige scheinbar mühelos die Lücke.
Im Finale führte Cross-Weltmeister van der Poel die Jagd auf Gianni Moscon an, der als Solist den Sieg vor Augen hatte. 30 Kilometer vor dem Ziel kostete den Italiener erst ein Reifenschaden wertvolle Zeit, dann stürzte Moscon.
16 km vor dem Ziel, auf dem letzten schweren Pave Carrefour de l'Arbre, hatten die Verfolger aufgeschlossen. Die Entscheidung fiel im Sprint im Velodrom. Colbrelli wurde dabei seiner Favoritenrolle gerecht.
Paris-Roubaix war im Vorjahr wegen der Corona-Pandemie abgesagt worden. In diesem Jahr wurde der Termin aus dem Frühjahr in den Herbst verlegt. Am Samstag hatte bei der überfälligen Premiere des Frauenrennens die Britin Elizabeth Deignan (Trek-Segafredo) nach 116,4 km als Solistin triumphiert. Bahn-Olympiasiegerin Lisa Brennauer (Durach/Team Ceratizit-WNT) verpasste das Podium als Vierte knapp. (sid)