Reiseexperten schätzen die Lage ein

Wegen gestiegener Ticketsteuer: Ryanair fordert Nachzahlungen - wer muss wirklich blechen?

von Ralf Benkö und Svenja Hoffmann

Möchte Ryanair seine Kunden SO von sich überzeugen?
Die Erhöhung der Ticketsteuer für Flüge aus Deutschland seit dem 1. Mai scheint eine Fluggesellschaft besonders zu ärgern: die Billig-Airline Ryanair. Die Konsequenz? Das irische Unternehmen gibt offenbar die gestiegenen Kosten nachträglich (!) an seine Kunden weiter und fordert Nachzahlungen ein. Ist das rechtens? Wir haben uns für euch schlau gemacht. Im Video gibt es eine Zusammenfassung unserer Rechercheergebnisse.

Die Erhöhung der Ticketsteuer findet Ryanair „lächerlich“

Diverse Medien hatten bereits berichtet, dass Ryanair Mails an Kunden herausgeschickt haben soll, in denen Nachzahlungen aufgrund der gestiegenen Ticketsteuer seit dem 1. Mai 2024 gefordert wurden. Die Forderungen sollen demnach zwischen rund drei und zwölf Euro liegen. Auch wenn das Kleinbeträge sind – das Vorgehen von Ryanair schlägt hohe Wellen.

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Warum wählt die Airline diesen Weg? Empörung dürfte das passende Wort sein, wie aus einem Statement hervorgeht, das Ryanair RTL auf Nachfrage zukommen lässt. Darin heißt es: „Aufgrund der lächerlichen Entscheidung der deutschen Regierung, die Luftverkehrssteuer um ungerechtfertigte 24 % zu erhöhen, müssen alle Passagiere, die ab dem 1. Mai 2024 von Deutschland abfliegen, die erhöhte Luftverkehrssteuer der deutschen Regierung zahlen, unabhängig davon, wann sie ihren Flug gebucht haben.“

Rechtsanwalt erklärt: Ryanair muss bei Nachforderungen bestimmte Fristen einhalten

„Unabhängig davon, wann sie ihren Flug gebucht haben“? Ganz so leicht kann es sich Ryanair rein rechtlich gesehen nicht machen – auch wenn die Airline verschiedenen Berichten zufolge angibt, derartige Preiserhöhungen in ihren AGB verankert zu haben.

Denn wie Paul Degott, Anwalt für Flugrecht aus Hannover, im RTL-Interview erklärt, seien „derartige Erhöhungsklauseln unwirksam [...], wenn die Erhöhung des Entgelts für eine Flugleistung gelten soll, welche innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss erbracht werden soll.“

Demnach seien Nachforderungen nur für Flüge möglich, die bis zum 31. Dezember 2023 für den Zeitraum nach dem 1. Mai 2024 gebucht wurden.

Neues Ticketsteuer-Gesetz erst seit dem 28. März in Kraft

Doch im Fall der Flugsteuer-Erhöhung gelte noch eine andere Regel, die das Unternehmen Ryanair in seinen Nachforderungen einschränken dürfte. Wie der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft e. V. auf RTL-Nachfrage erklärt, bestehe „bei vor dem 28. März verkauften Tickets [...] keine rechtliche Möglichkeit seitens der Luftfahrtunternehmen, die Differenz in der Steuerhöhe bei bereits verkauften Tickets vom Passagier rückwirkend einzufordern“.

Der Grund: Erst am 28. März wurde die Gesetzesänderung im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und trat damit in Kraft.

Es gibt also einige Rahmenbedingungen, die Ryanair in der Nachzahlungs-Thematik einschränken. Dennoch ist fraglich, ob Passagiere wegen drei bis zwölf Euro rechtliche Schritte einleiten würden – selbst, wer eine Rechtsschutzversicherung hat, zahlt im Zweifel mehr für die Selbstbeteiligung als er durch einen Rechtsstreit gewinnen würde.

Nachträgliche Zahlungen bei Komplettreisen: Müssen auch Pauschalurlauber Nachforderungen fürchten?

Wie sieht es bei Pauschalreisen aus? Können auch hier Nachzahlungen drohen? Wir haben Rechtsanwalt Paul Degott dazu befragt.

„Im Bereich der Flugpauschalreisen, also bei Reisebuchungen, welche Hin- und Rückflüge beinhalten, gelten eigene Regelungen“, so der Experte. Demnach könne der Reiseveranstalter den Reisepreis einseitig nur hochsetzen, wenn beispielsweise eine Erhöhung von Steuern oder sonstigen Abgaben für vereinbarte Reiseleistungen angefallen sei – bei der gestiegenen Luftverkehrssteuer wäre das der Fall.

Aber: Eine solche Preiserhöhung sei nur dann wirksam, wenn Reisende früher als 20 Tage vor Reisebeginn darüber informiert werden. Außerdem müsse eine solche Preiserhöhungsmöglichkeit in den AGB des Reiseanbieters geregelt sein, und „die Reise-AGB müssten auch Bestandteil des Reisevertrages geworden sein“, so Paul Degott. Zu guter Letzt dürfe eine Preiserhöhung nur bis zu einer Höhe von acht Prozent des Reisepreises einseitig vorgenommen werden. „Darüber hinausgehend muss der Reisende zustimmen und hat bei fehlender Zustimmung die Möglichkeit, deswegen vom Reisevertrag zurückzutreten.“

So schützt ihr euch vor unrechtmäßigen Nachforderungen

Rechtsanwalt Paul Degott rät Reisenden, die von einer Preiserhöhung betroffen sind, zu folgenden Schritten:

  • Lasst euch die Höhe der Nachforderung von eurer Fluggesellschaft bzw. dem Reiseveranstalter vorrechnen.

  • Überprüft, ob die Nachforderung in die Zeitrahmen der vorgenannten Fristen passt oder ob sie wegen Nichtbeachtung möglicherweise unwirksam sind.

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Und was planen andere Airlines?

Neben Pauschalurlaubern fürchten möglicherweise auch Kunden anderer Airlines Nachzahlungen nach dem Ryanair-Vorbild. Doch der Internationale Verband der Fluggesellschaften in Deutschland (Board of Airline Representatives in Germany, kurz BARIG) gibt zumindest für seine Mitglieder Entwarnung – allein schon wegen des hohen Verwaltungsaufwandes, der damit einhergehen würde, würden sie die höhere Luftverkehrssteuer ihren Kunden nicht nachträglich berechnen wollen.

Zu den Mitgliedern gehören unter anderem: TUI Fly, Sun Express, Brussels Airlines, Eurowings Discover, Condor u.v.m.

Auch die Deutsche Lufthansa habe auf Nachfrage von airliners.de bestätigt, dass Kunden keine Nachforderungen fürchten müssen.

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