Nur noch raus!

RTL-Reporter erklärt: Wie die katholische Kirche meine Eltern und mich verloren hat

RTL-Reporter Daniel Spliethoff mit seiner Familie
RTL-Reporter Daniel Spliethoff und seine Familie haben genug von der katholischen Kirche.
RTL

Mein Vatter Dieter – ja, wichtig: mit Doppel-T – sagt gerne diesen einen Satz: „Egal, was die da in Rom machen: Wir bleiben katholisch!“ Das sagt man mit einem gewissen Stolz. Meine Eltern sind Pfadfinder, haben sich dort kennengelernt. Pfadfinder organisieren sich unter dem Dach der Kirche, gehören aber nicht zu ihr. Natürlich bedeutet das trotzdem eine große Nähe zur Kirche. Eine Nähe, die jetzt weg ist.

Kirchenaustritt: Kein Termin wie beim Friseur

Und warum ausgerechnet bei den beiden? Sie sind gläubig, haben sich lange in der Kirche engagiert und wollen jetzt raus, weil die Homophobie, die Diskriminierung von Frauen und der Umgang mit den Missbrauchsfällen in Deutschland unerträglich geworden sind. Wenn Menschen wie meine Eltern nicht mehr Teil der katholischen Kirche sein wollen, dann hat diese Kirche ein Problem.

Meine Mutter Hille – die hat das Doppel-T ja schon so drin – hat mir am Telefon vor dem Interview gesagt, dass sich ihre Finger fast geweigert hätten, den Kirchaustrittstermin in ihren Kalender einzutragen. „Mir geht das echt rauf und runter“, sagt sie mir. „Das ist kein Termin wie beim Friseur oder so – das war ne ganze Zeit lang unser Leben!“

RTL-Reporter ist mit der katholischen Kirche groß geworden

Ich selbst bin in unserer Heimatgemeinde St. Barbara getauft worden, bin zur Erstkommunion gegangen und wurde auch gefirmt – mitsamt Abschlussfahrt mit der Gemeinde nach Kroatien. Ich habe sogar im angehängten Jugendzentrum meinen Zivildienst gemacht. Aber auch für mich gilt: Ich kann kein Katholik mehr sein.

Anfang des Jahres hat der Papst einen offenen Brief geschrieben. Darin heißt es unter anderem, dass Gott homosexueller Liebe keinen Segen spenden könnte, weil das Sünde sei. Das muss man sich mal vorstellen! Im Jahr 2021.

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Das sagt Pfarrer Böckmann zum Kirchenaustritt der Familie

In St. Barbara heißt der Pfarrer Christian Böckmann. Er steht mitten im Leben, war früher selbst bei den Pfadfindern. Meine Meinung: Gäbe es in Rom mehr von seiner Sorte, ich wäre wohl noch Katholik, meine Eltern auch.

"Wir als Seelsorger bleiben auf der Seite der Menschen und werden uns auch an so eine römische Vorgabe erstmal nicht halten", sagt er über den Brief aus Rom; Hier bekommt jeder seinen Segen. Der Austritt meiner Eltern mache ihn traurig: „Das trifft mich persönlich immer sehr, das verletzt mich auch, das tut mir leid. Das kann ich oft von der persönlichen Lebensgeschichte gut nachvollziehen und hab auch viele Punkte, die ich auch an meiner Kirche kritisiere."

Viel kaputt gegangen im Verhältnis zur Kirche

Bei vielen Christen ist sehr viel kaputtgegangen im Verhältnis zu ihrer Kirche. Oft genug liegt das nicht an den engagierten Menschen vor Ort. Nur ist es Demokraten im Jahr 2021 eben kaum mehr zuzumuten, eine Organisation zu unterstützen, die weder Frauen höchste Ämter ermöglicht, noch geschiedenen Männern und Frauen eine erneute kirchliche Hochzeit gestattet oder auch nur offiziell den Segen eines liebenden Gottes über zwei sich liebende Menschen zu legen, nur weil deren Geschlechtsteile sich zu sehr ähneln.

„Ich glaube, dass ich absolut unglaubwürdig geworden wäre, wenn ich weiter einfach auf dem Weg geblieben wäre. Und sich das einzugestehen, das fand ich wirklich irgendwann heftig", sagt meine Mutter zum Schluss unseres Besuches in St. Barbara. Traurig, oder?