Sie wehrt sich gegen Nacktszenen
Psychologin stellt klar: Nastassja Kinskis Rolle war Missbrauch

Eine Szene, die sie über Nacht berühmt machte, soll heute verschwinden – für immer.
Nastassja Kinski will die Nacktszenen aus dem Tatort-Klassiker „Reifezeugnis“ verbieten lassen. Die heute 63-jährige Schauspielerin verkörperte 1977 die Rolle der 17-jährigen Schülerin Sina, die von ihrem Lehrer (Christian Quadflieg) verführt wird. Etwas, das die Psychologin und Vorstandsvorsitzende der Organisation „Innocence in Danger e. V.“, Julia von Weiler, unglaublich stark findet. Denn: Dieser Tatort war „Missbrauch“, erklärt sie im RTL-Interview.
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Nastassja Kinski will Nacktszene nie wieder im Tatort sehen müssen
„Zunächst einmal finde ich es großartig, dass Nastassja Kinski jetzt diesen Weg geht. Manchmal dauert es so lange, bis man sich klar wird ‘Ich bin damit nicht fein. Ich finde es nicht in Ordnung, wie man damals mit mir umgegangen ist’. Aus heutiger Sicht geht alles, was damals passiert ist, überhaupt nicht“, stellt Julia von Weiler, Psychologin und Vorstandsvorsitzende der Organisation „Innocence in Danger e. V.“ klar. Sie weiß: Eine Minderjährige ohne Begleitung einer erziehungsberechtigten Person halbnackt oder nackt vor die Kamera zu stellen ist nicht in Ordnung. Weiler findet außerdem, dass Kinski damals als „Sex- und Lolita-Symbol inszeniert“ wurde. Und genau dieses Narrativ möchte Kinski nicht mehr bedienen. Das berichtete das Magazin Spiegel.
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Kinski verlangt, dass der Film künftig nur noch ohne ihre Nacktszenen ausgestrahlt wird. Ihr Anwalt hat sich demnach mit dem verantwortlichen NDR in Verbindung gesetzt. Bis heute zählt der Kieler Skandalkrimi „Tatort: Reifezeugnis“ (1977) von Regisseur Wolfgang Petersen (1941-2022) zu den am meisten wiederholten Sonntagskrimis.
Psychologin Julia Weiler stellt klar: „Das ist Missbrauch!“
Die bei den Dreharbeiten erst 15-jährige Tochter der streitbaren Schauspiel-Legende Klaus Kinski (1926-1991) verkörperte in „Reifezeugnis“ die 17-jährige Schülerin Sina Wolf, die sich in ihren verheirateten Lehrer Helmut Fichte (Christian Quadflieg, 1945-2023) verliebt. Eine Liebesszene zwischen den beiden, in der auch viel nackte Haut gezeigt wird, sorgte schon bei der ersten Ausstrahlung am 27. März 1977 für mächtig viel Aufregung. Kein Wunder, findet auch die Psychologin Julia von Weiler: „Also Anfang der siebziger Jahre sind wir noch quasi in den Ausläufern der Achtundsechziger Revolution. Sexualität sollte frei gelebt werden und aus heutiger Sicht sage ich: Als Frau war es vor allen Dingen die männliche Sexualität, die sehr frei ausgelebt werden sollte und die männlichen Fantasien, die sehr frei ausgelebt werden sollten. Und das sieht man tatsächlich auch in diesem Tatort, wo es ja, zu einem Missbrauch von einem Lehrer an einer Schülerin kommt!“ Ganz schön harter Tobak.
Doch Julia von Weiler erklärt weiter: „Eine ihm anvertraute Schutzbefohlene verwickelt er in eine sexuelle Handlung. Das ist Missbrauch! Aber inszeniert wird sie als die Lolita, die den Lehrer verführt. Den armen Mann, der gar nicht anders kann. Und daran sehen wir auch noch mal, dass eigentlich die wirklich sehr männlichen, männlich dominierten Fantasien umgesetzt wurden, auch
filmisch, eben auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.“
Im Video: Nastassja Kinski wehrt sich gegen Nacktszenen
„Inszeniert wurde sie als ein Sexualobjekt für erwachsene Männer“
Es ist Missbrauch, weil, so Julia von Weiler, Nastassja Kinski mit 15 Jahren gar nicht freiwillig entscheiden konnte, ob sie das wirklich möchte oder nicht. „Wie freiwillig hat denn Nastassja Kinski mit 15 Jahren dem überhaupt zustimmen können? Noch minderjährig sein, ohne Begleitung sein, von einem berühmten Regisseur, renommiertes öffentlich-rechtliches Fernsehen sagt dir ‘Du musst dich aber vor der Kamera ausziehen’, also wie freiwillig ist da eigentlich noch freiwillig?“
Weiter stellt die Psychologin klar: „Inszeniert wurde sie als ein Sexualobjekt für erwachsene Männer. Das müssen wir mal so deutlich aussprechen.“ Und genau das schien der Schauspielerin ganz offensichtlich nicht klar gewesen zu sein. Doch von Weiler ist sich auch sicher, dass dieser Schritt von Kinski genau überlegt war und dass es eine Weile gebraucht habe zu begreifen, dass man das, was man sich da Jahr für Jahr anschauen muss, nicht möchte. Die heute 63-Jährige würde für ihr „jugendliches Selbst“ einstehen. „Ein sehr mutiger Schritt“, findet die Psychologin. Einer, der vor allem auch hoffentlich vielen anderen Menschen, die von sexualisierter Ausbeutung in irgendeiner Form betroffen sind, Mut machen wird.(msu)