Arzt vor Richter
Sterbehilfe laut Staatsanwaltschaft nicht erlaubt
Ein Mann leidet unter Depressionen und Schizophrenie. Der 42-Jährige will deshalb sterben. Laut Staatsanwaltschaft ist der Mann durch seine psychische Erkrankung aber nicht in der Lage diese Entscheidung auch wirklich zu treffen. Trotzdem hat ihm ein Arzt beim Sterben geholfen. Deshalb steht der Mediziner seit heute in Essen vor Gericht.
Sterbebegleitung ist in Deutschland grundsätzlich erlaubt
„Ich habe nichts falsch gemacht.“, sagt Mediziner Johann S. heute vor den Richtern in Essen. An ihn wenden sich Menschen, die sterben wollen. Hunderte hat der 81-Jährige schon auf ihrer letzten Reise begleitet - vielen beim Sterben geholfen. Das ist in Deutschland erlaubt - vorausgesetzt, der Sterbewillige entscheidet sich aus freiem Willen. In diesem Fall bezweifelt das die Staatsanwaltschaft aber:
"Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten nun vor, die Verantwortlichkeit des Geschädigten zu Unrecht bejaht zu haben, die der Suizidwunsch des Geschädigten habe, nämlich auf der krankheitsbedingten Annahme beruht, dass seine Sehstörung und seine psychische Erkrankung nicht heilbar seien. Tatsächlich hätten jedoch Heilungsaussichten bestanden, wie sich aus den ärztlichen Befundberichten ergebe. Die habe der Angeklagte jedoch, jedenfalls zum Teil nicht eingesehen.", sagt Thomas Kliegel vom Landgericht Essen.
Psychische Erkrankungen als Grenzfall
Der 42-Jährige versuchte zuvor dreimal sich selbst das Leben zu nehmen - erfolglos. Schlussendlich wendet sich der Mann an den Angeklagten. Bekommt nach mehreren Gesprächen einen Tropf gelegt, über den er sich selbst eine tödliche Medikamentendosis verabreicht. Johann S. ist Facharzt für Psychiatrie. Er beteuert heute vor Gericht, der 42-Jährige habe sich nicht in einem Schub befunden und seinen Wunsch zu Sterben mehrfach klar geäußert und begründet. Aber gerade in der Schizophrenie sieht die Staatsanwaltschaft ein Problem, so Thomas Kliegel vom Landgericht Essen: "Eine psychische Erkrankung kann natürlich dazu führen, dass er ohne da wirklich die Urteilsfähigkeit zu haben, zu dem Ergebnis kommt, ich muss mich selbst umbringen, aber bei richtiger Behandlung dieses diesen Schluss vielleicht gar nicht fassen würde."
Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland nach Angaben des „Vereins Sterbehilfe“ 139 begleitete Selbsttötungen. Nur vier aus psychischen Gründen. Gerade diese Erkrankungen sind im Bereich der, ohnehin heiß diskutierten Sterbehilfe ein schwieriges Thema, sagt Ursula Bonnekoh von der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben - kurz DGHS. Außerdem sei es nicht einfach ärztliche Hilfe dabei zu bekommen: "Es ist immer noch schwierig für Menschen in Deutschland, einen Arzt zu finden, der bereit ist, ihnen beim Freitod zu helfen. Wenn jetzt ein Arzt verurteilt wird, wird das natürlich die niedergelassenen Ärzte noch vorsichtiger machen."
Nicht die erste Anklage nach Sterbehilfe
Johann S. stand schon 2012 wegen eines ähnlichen Falls in Hamburg vor Gericht. Damals wurde er freigesprochen. Ein Urteil in diesem Fall wird Ende Januar erwartet. Sollte der Mediziner wegen Totschlags schuldig gesprochen werden, könnte er für bis zu 15 Jahre ins Gefängnis kommen.