Diese Filme wurden komplett übergangen bei den 95. Academy AwardsOscars 2023: "Banshees Of Inisherin", "Die Fabelmans", "Elvis" und "Tár" gehen komplett leer aus. Warum?

Die Academy hat in „Everything Everywhere All At Once“ ihren Liebhab-Film 2023 gefunden – und ihn mit sieben Oscars bedacht. Auch „Im Westen nichts Neues“ bekam immerhin vier Oscars, darunter den für den besten fremdsprachigen Film. Aber was war eigentlich mit „The Banshees Of Inisherin“, „Elvis“, „Die Fabelmans“ oder „Tár“?
Oscar-Verlierer 2023: Null Goldjungen für "The Banshees Of Inisherin" (bei neun Nominierungen)
Martin McDonaghs „The Banshees Of Inisherin“ ging als einer der Favoriten ins Rennen – mit neun Nominierungen, genauso viele wie der deutsche Beitrag „Im Westen nichts Neues“. Doch während letzterer immerhin 4 der Nominierungen vergolden konnte, gingen die „Banshees“ komplett leer aus. Bilanz: Null Oscars. Dabei hatte das Drama bei anderen Preisen gut gepunktet, etwa bei den Golden Globes – und ist zudem genauso ein Antikriegs-Film wie „Im Westen nichts Neues“, nur etwas subtiler versteckt in einer Parabel. Vordergründig geht’s um zwei Freunde, die wegen einer scheinbar nichtigen Sache zu Erzfeinden werden. Schon eskaliert die Spirale der Gewalt – im Grunde wie beim irischen Bürgerkrieg von 1923, der hier in Sichtweite von Inisherin aus auf dem Festland tobt. Was die Juroren nicht mochten? Vielleicht, dass keine der Hauptfiguren wirklich nett ist – außer Kerry Condon als grundsympathische Film-Schwester von Colin Farrell, die aber gegen Jamie Lee Curtis in der Oscar-Kategorie „Beste Nebendarstellerin“ verlor.
2. Oscar-Verlierer 2023: Null Oscars für "Elvis" (bei acht Nominierungen)
Lange Gesichter auch bei Baz Luhrman und seinem Hauptdarsteller Austin Butler: Gerade letzterer hatte vorher einige Filmpreise vom BAFTA bis zum Golden Globe abgeräumt und galt einigen als Favorit für den „Besten Hauptdarsteller“, musste sich aber „The Whale“-Star Brendan Fraser geschlagen geben. Dabei hatte Austin Butler doch alles gegeben für seinen Elvis: Seine Stimme verändert, ultrasexy die Hüften und die Tolle geschwungen und sich mit Höschen bewerfen lassen, ja sogar Tom Hanks’ Versuch gekontert, ihn an die Wand zu spielen. Aber Brendan Frasers Performance in „The Whale“ war einfach das stärkere Oscar-Material. Eine berühmte Person zu spielen ist das eine, aber „Die Mumie“-Star Brendan Fraser feiert mit „The Whale“ nicht nur ein fulminantes Comeback mit einer emotionalen und warmherzigen Darstellung, sondern hat sich optisch auch bis zur Unkenntlichkeit verunstalten lassen (der zweite „Whale“-Oscar ging konsequenterweise an das Make-up- und Hairstyling-Department des Films).
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3. Oscar-Verlierer 2023: Null Oscars für "Die Fabelmans" (bei sieben Nominierungen)
Da macht Steven Spielberg einen warmherzigen und spielbergigen Film übers Filmemachen, über die Liebe zum Film – und am Ende über sich selbst, was Punkt eins und zwei inkludiert. Und was macht die Academy? Nominiert’s – und ignoriert’s. Sieben Nominierungen gab es für das feinfühlige Drama, das mit Michelle Williams als kreativer Mama auch eine Kandidatin in der Kategorie beste weibliche Hauptrolle am Start hatte. Die sah auch recht enttäuscht aus, als der Oscar an Michelle Yeoh ging. Und Meister Spielberg selbst? Ach, der hat schon drei Goldjungen daheim stehen und dürfte es mit Fassung getragen haben.
4. Oscar-Verlierer 2023: Null Oscars für "Tár" (bei sechs Nominierungen)
Mit immerhin sechs Nominierungen wurde „Tár“ im Vorfeld bedacht – darunter in den Königskategorien „Bester Film“, „Beste Regie“ und „Beste Hauptdarstellerin“. Aber die Bilanz für Regisseur Todd Field („Little Children“): null Oscars, obwohl er allein gleich für drei goldene Statuen im Rennen war. Seine Hauptdarstellerin Cate Blanchett galt als Favoritin für den Hauptrollen-Oscar – wie sie sich in dem sezierenden Drama selbst zerlegt, ist ganz große Schauspielkunst. Aber „Tár“ ist ein unterkühltes Meisterwerk in technischer Perfektion, das uns Zuschauern als #metoo-Film mit einer weiblichen Täterin viel zumutet: Schließlich ist Lydia Tár keine Frau zum Liebhaben oder Identifizieren, sondern ein Machtmensch, der sein ganzes Umfeld dominiert und manipuliert – auch wir im Kinosaal gehen ihr zunächst auf den Leim. Genial gemacht, aber natürlich unangenehm.
Weitere Verlierer bei den Oscars: "Triangle Of Sadness" und "Top Gun: Maverick"
„Top Gun: Maverick“ war auch sechsfach nominiert, konnte aber wenigsten einen Oscar abstauben – in der Kategorie bester Ton. Branchenkenner hatten dem Flieger-Film aber auch keine hohen Chancen ausgerechnet – nicht genug Drama für die Academy. Publikumsliebling „Triangle Of Sadness“ ging komplett leer aus – bei drei Nominierungen. Komödien und bitterböse Satiren mit viel Kotzerei haben es bei den Oscars allgemein eher schwer.
Warum konnten "Everything Everywhere All At Once" und "Im Westen nichts Neues" punkten?
Am Ende kann man nur spekulieren, warum den Jurorinnen und Juroren der eine oder andere Film besser gefallen hat – schließlich waren auch wir in der Redaktion nicht einig bei unseren Favoriten.
Die Vermutung liegt nahe, dass der Gewinner der Herzen und des Abends, „Everything Everywhere All At Once“, so beliebt war, weil er eine grundpositive und trotzdem tiefsinnige Botschaft hat: Michelle Yeoh muss ihren Ehemann und ihre Tochter so akzeptieren, wie sie sind, um sie zurückzugewinnen – und zwar in zig Universen mit unzähligen Facetten ihrer Persönlichkeit. Denn sie hat ihre Einwanderer-Familie völlig überfordert mit ihrem Traum vom American Dream. Dass wir immer trotzdem versuchen sollten, ihn zu leben und uns zu fragen, welche Version von uns selbst wir sein wollen, das zeigen die Regisseure und ihr mutiges Darsteller-Ensemble mit Hunderten genialer Anspielungen – ein cineastisches Feuerwerk für Schnelldenker, das so erfrischend anders ist, dass ihm die stimmberechtigten Mitglieder offenbar den Vorzug gaben vor etwa dem anderen Cineasten-Film „Die Fabelmans“.
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„Im Western nichts Neues“ hingegen traf als plakativer Antikriegsfilm offenbar besser den Nerv der Academy-Mitglieder als etwa „The Banshees Of Inisherin“, der den Konflikt auf eine private Ebene herunterbricht. Wenngleich vor dem Ukraine-Krieg gedreht, zeigt Regisseur Edward Berger in „Im Westen nichts Neues“ doch in aller Brutalität die Sinnlosigkeit von Krieg am Beispiel der Grabenkämpfe im Ersten Weltkrieg: schonungslos, blutig und desillusionierend. Somit kann man die Stimmen der Jurorinnen und Juroren auch als Statement in Richtung Russland lesen.