Neue Studie zeigt
Deutlich weniger Deutsche fühlen sich frei
Nur noch 36 Prozent der Deutschen fühlen sich in ihrem Leben frei
Die Welt verändert sich rasant. Besonders in den letzten beiden Jahren gab es weitgreifende Veränderungen, die unseren unmittelbaren Alltag in grundlegenden Dingen beeinflusst haben. Die Corona-Pandemie, der Klimawandel – auch Diskussionen über genderneutrale Sprache – all das verändert unsere Welt, nicht ausschließlich zum Guten. Dass solche Veränderungen nicht nur praktische Auswirkungen auf unseren Alltag haben, sondern auch das Gefühl von Freiheit im eigenen Land beeinflussen könnten, zeigt eine neue Studie. Nur noch 36 Prozent der Deutschen fühlen sich laut der Umfrage noch frei, vier Jahre zuvor waren es noch 51 Prozent. Woran liegt das?
Freiheitsindex 2021
Die Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach, deren Ergebnisse RTL/ntv exklusiv vorliegen, untersucht im so genannten „Freiheitsindex 2021“ neben dem subjektiven Freiheitsgefühl auch Daten zur Einstellung gegenüber dem Staat, die Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung, sowie die Pflicht zum gesellschaftlichen Engagement. Die Daten der Befragten sind aus dem Juni 2021 und spiegeln somit auch die Gefühle der Bevölkerung wenige Monate vor der Bundestagswahl wider.
Es wird immer mehr über Freiheit gesprochen
Wie frei fühlt sich Deutschland im Jahr 2021? Im Alltag fällt das Wort „Freiheit“ jedenfalls immer häufiger. Besonders beim Thema Corona, wenn es um mehr Freiheiten für Geimpfte geht, um die freie Wahl, in welches Land man reisen möchte oder ganz grundsätzlich: Ob man zu einem bestimmten Zeitpunkt überhaupt vor die Tür gehen darf, Stichwort: Ausgangssperre und Lockdown. Hat all das Einfluss auf unser Gefühl von Freiheit?
Die Studie spiegelt eine klare Tendenz wider: Nur noch 36 Prozent der Deutschen fühlen sich frei. Ein deutlicher Einbruch: 2017 waren es noch mehr als die Hälfte (51 Prozent). Es ist zudem der schlechteste Wert seit 2005. Einem Jahr, in dem die Deutschen – laut der Studie – schon einmal Einschränkungen zum Beispiel in der Reisefreiheit durch die Folgen von Terrorangriffen zu spüren bekommen haben. Was hat sich seitdem geändert?
Roland Schatz, Studienleiter des Allensbach-Instituts sieht die Gründe für den Einbruch klar in der Coronapandemie: „Der Hauptgrund ist natürlich das Erleben seit 16 Monaten wie die Bundesregierung [...] in den Alltag von Privatpersonen eingreift“. Er könne das Gefühl gut nachvollziehen, dass Viele der Meinung seien: Hier stimmt etwas nicht.
Auch bei einer weiteren Frage erkennt man einen Abwärtstrend: „Haben Sie das Gefühl, dass man heute in Deutschland seine politische Meinung frei sagen kann […]?“. Nur 45 Prozent der Deutschen antworten bei dieser Frage mit „Ja“. Der bisher niedrigste Wert seit der ersten Durchführung dieser Studie vor 31 Jahren. 2017 waren es noch 63 Prozent. Laut dem Studienleiter sinke dieser Wert allerdings schon stetig seit drei Jahrzehnten. Studienleiter Schatz sieht aber auch hier einen Zusammenhang mit der Coronapandemie. Allein die Frage „Lässt du dich impfen oder lässt du dich nicht impfen?“, sei schon politischer Natur.
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Was bedeutet Freiheit?
Was Freiheit für einen Menschen bedeutet, zeigt sich aktuell sehr bildlich an den Zuständen in Afghanistan. Die Aussicht auf den Verlust beispielsweise von Meinungsfreiheit und Gleichberechtigung, veranlasst Tausende dazu das Land zu verlassen. Laut den Studienleitern entwickele sich Freiheit erst, wenn sie verloren gegangen ist. Freiheit sei das Gegenteil von Eingesperrt sein.
Wichtig ist aber hier festzustellen, dass die Studienleiter lediglich das Gefühl von Freiheit in Deutschland abgefragt haben. Die Möglichkeiten zu Meinungsfreiheit und Mitspracherecht sind in Deutschland zu jedem Zeitpunkt gegeben. Warum fehlt das Gefühl so vielen Befragten dann trotzdem? Studienleiter Schatz hat da eine Vermutung. Er selbst habe Zeiten miterlebt, in denen man beispielsweise nicht so frei war von Ost nach West zu reisen. Trotzdem gebe es Punkte - beispielsweise die Impfdebatte, die das Vertrauen in die Bundesregierung schmälern.
Befragte glauben mehr Einfluss zu haben
Neben den bereits genannten Punkten haben sich andere aber auch zum Positiven entwickelt: So hat sich die Einstellung zum Staat bei den Befragten verbessert: Der Aussage „Der Staat, das sind wir alle, es liegt an uns Bürgern, wie sich Deutschland entwickelt“ stimmen 10% mehr Leute zu, als noch 2012. Auch die Meinung zum Einfluss eines Einzelnen: „Hat man als Bürger Einfluss auf das, was hier am Ort geschieht, oder ist man da machtlos?“, ist von 22 Prozent (1992) auf 47 Prozent gestiegen. Gestiegen ist auch die Bereitschaft zum gesellschaftlichen Engagement. Laut der Studie sprechen sich 74 Prozent der Befragten für ein gesellschaftliches Engagement aus, seit 2012 ist die Zahl nochmals gestiegen. Die egoistische Position ist also auf dem Rückzug.
Studienleiter: "Wir begreifen uns als diejenigen, die verantwortlich sind für ihr Leben“
Das Gefühl von Freiheit ist bei vielen Menschen gesunken, das Gefühl Einfluss auf den Staat zu nehmen allerdings nicht. Auf das scheinbare Nicht-Zusammenpassen dieser beiden Meinungen antwortet Schatz: „Wir sind verfasst als Individuen. Wir begreifen uns als diejenigen, die verantwortlich sind für ihr Leben“, das könne auch eine Bundesregierung nicht kaputt machen. (khe)