Nach Uni-Skandal in den USA: Wie werden Untersuchungen im Intimbereich in Deutschland erlernt?

In den USA haben zwei Medizinstudentinnen ihre Hochschule verklagt, weil sie gezwungen worden sein sollen, sich innerhalb eines Ultraschallkurses gegenseitig nackt mit einem Ultraschallstab zu untersuchen. Das Argument der Uni dazu war, dass man solch eine Vaginaluntersuchung später besser durchführen könne, wenn man sie vorher sozusagen am eigenen Leib erlebt hat. Aber müssen angehende Ärzte sich wirklich in ihre Intimsphäre eingreifen lassen, um gute Mediziner zu werden?
Für Prof. Dr. Christian Drosten, Studiendekan der Uniklinik Bonn, wurden die Grenzen in diesem Fall ganz klar überschritten. "In keiner Universität wird jemand gezwungen sich selbst als Modell zur Verfügung zu stellen, um intime Untersuchungen zu demonstrieren. Innerhalb des Studiums gibt es heute genug Möglichkeiten, um Untersuchungen ausreichend zu unterrichten, ohne Schamgrenzen zu überschreiten. Viele Untersuchungsmethoden werden mithilfe von Demonstrationspuppen erlernt, bevor man "echte" Patienten untersucht."
Untersuchungen in der Intimsphäre wie beispielsweise in der Gynäkologie würden aber sowieso nur von den Ärzten praktisch durchgeführt, die sich im Laufe ihrer Ausbildung auf diesen Teilbereich spezialisieren. Im Rahmen der normalen Medizinausbildung ohne Spezialisierung würden gegebenenfalls vorgefertigte und anonymisierte Ultraschallbilder von Vaginaluntersuchungen ausgewertet werden.
Kölner Medizinstudent: "Mehr als eine Jeans wurde nie ausgezogen"

Max Lechmann ist Student der Universität zu Köln und studiert Medizin im neunten Fachsemester. "In meinen Gynäkologie- und Ultraschallkursen habe ich bislang noch nie mitbekommen, dass andere Studenten oder Patienten als Versuchsmodelle zu irgendetwas gezwungen wurden", sagt er. Außerdem berichtet auch er von speziellen Dummys in speziellen "Simulationszentren", an Hand derer man sogar eine Geburt nachstellen könne. Laut Drosten könnte man diesen künstlichen Patienten jede Krankheit 'einbauen', womit sie sich besonders zum Üben eignen. "Sogar ein fehlerhaftes EKG kann man von diesen Dummys erstellen", so der Experte.
Natürlich komme es aber vor, dass Studenten Untersuchungen an sich selbst ausprobieren oder vorführen, um ihre eigenen echten Erfahrungen zu sammeln. Die Uniklinik Bonn und auch Medizinstudent Max versicherten aber, dass diese Untersuchungen immer freiwillig seien und niemand auch nur ansatzweise zu etwas verpflichtet werden würde. "Natürlich verbietet auch kein Arzt, Versuche an sich selbst zu machen - aber jeder Student muss für sich selber entscheiden, wie weit er gehen will", so Drosten. Wenn sich ein Student oder ein Patient innerhalb eines Kurses als 'Versuchskaninchen' meldet, dann gehe es dabei meistens um sehr harmlose Dinge - wie zum Beispiel Bauchabtasten und Gelenkuntersuchungen, erzählt Max Lechmann. "Vielleicht hat dann schon mal jemand seine Jeans ausgezogen, damit man die Knie besser sieht, aber das war dann auch alles."
Drosten, der selbst Virologe ist, kann sich aber noch an einen Fall aus seinem eigenen Studium erinnern, bei dem zwei Studentinnen darum gebeten haben, einen gynäkologische Ultraschalluntersuchung an sich gegenseitig durchzuführen zu dürfen. Die beiden Frauen seien dann aber in einen extra Raum gegangen und mussten selbst im Nachhinein nicht öffentlich über ihre Erfahrungen oder Ergebnisse berichten. "Das haben die beiden wirklich nur für und unter sich gemacht", erinnert sich Drosten, und vermutet, dass auch der Hintergrund des Falls in den USA ähnlich gelagert sein könnte.
Für den ausgebildeten und den angehenden Mediziner ist der Fall aus den USA schwer nachvollziehbar, keine Uni könne einen Studenten zu Untersuchungen zwingen. Trotz der Empörung kann Max das Argument der amerikanischen Universität ansatzweise nachvollziehen, denn er glaubt auch, dass es immer besser für die Zukunft ist, Untersuchungen an einem echten Körper selbst auszuprobieren. Jedoch stellt er seine Privatsphäre auf jeden Fall vor den Job und schützt seine Intimsphäre. "Das meiste lernt man sowieso nach dem Studium in der Praxis und nicht innerhalb eines Kurses. Eine echte Übung mehr oder weniger im Studium macht keinen besseren Arzt aus mir. Die meisten Details hat man nach kurzer Zeit sowieso wieder vergessen, da man sie nur einmal geprobt hat."