Mindestlohn in Deutschland: Was tun, wenn der Chef nicht zahlt?

Der Mindestlohn ist da. Das Gesetz zum Mindestlohn sieht vor, dass jeder Arbeitnehmer mindestens 8,50 Euro pro Stunde verdienen soll. Insgesamt sollen 3,7 Millionen Beschäftige in Deutschland, die unter 8,50 Euro pro Stunde verdient haben, vom Mindestlohn profitieren. Allerdings hat die Große Koalition Ausnahmen vorgesehen.

ARCHIV - ILLUSTRATION - Eine Frau hält am 16.10.2013 in Frankfurt (Oder) (Brandenburg) 8,50 Euro in ihrer Hand. Foto: Patrick Pleul/dpa (zu dpa «Mindestlohn: Land hat keine Daten zur Umsetzung des Vergabegesetzes» vom 01.06.2014) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Viele Arbeitnehmer werden von einem Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro/Stunde profitieren.

Das die wichtigsten Fragen zum Mindestlohn:

Was tue ich, wenn mir mein Chef den Mindestlohn nicht zahlen will?

In diesem Fall können Sie bei zwei Hotlines anrufen. Es gibt eine Hotline vom Arbeitsministerium (Tel. 030/60 28 00 28) und eine weitere vom Gewerkschaftsbund (0391/408 80 03). Hier werden alle Fragen zum Ortstarif beantwortet.

Kriegen alle 8,50 Euro?

Leider nein! Ausnahmen vom Mindestlohn gelten für unter 18-Jährige ohne Ausbildung, für Lehrlinge und Praktikanten im Pflichtpraktikum bis maximal drei Monate. Außerdem haben Langzeitarbeitslose erst nach sechs Monaten in einem neuen Job Anspruch auf den Mindestlohn.

Wann wird der Mindestlohn angehoben?

Viele Gewerkschaftler halten auch den neuen Mindestlohn für zu wenig. Bis 2017 ist der Mindestlohn jedoch einstweilen fest. Erst danach wären Erhöhungen möglich.

Wer kontrolliert, ob auch tatsächlich der Mindestlohn gezahlt wird?

Die Kontrolle, ob auch tatsächlich der Mindestlohn gezahlt wird, übernimmt die ‚Finanzkontrolle Schwarzarbeit‘ des Zolls.

Bis 2017 wird es eine Übergangszeit geben, für die die Tarifpartner (Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände) auch Stundenlöhne unter 8,50 Euro für die jeweiligen Branchen vereinbaren können. So liegen die tariflichen Mindestlöhne in Niedriglohnbranchen wie Wach- und Sicherheitsgewerbe, Wäschereidienstleistungen oder Friseure derzeit bei 7,50 Euro. Auch in der Systemgastronomie liegen die Tarifverträge derzeit nur knapp drüber.

Ab 2017 soll der Mindestlohn für alle Arbeitnehmer gelten. Allerdings wird es auch hier Ausnahmen geben.

Mindestlohn: Ausnahmen für Praktikanten, Jugendliche und Langzeitarbeitslose

Praktikanten: Freiwillige Praktika während Ausbildung und Studium zur Berufsfindung dürfen drei Monate dauern, ohne dass ein Mindestlohn anfällt. Ursprünglich waren sechs Wochen vorgesehen. Auch Pflicht-Praktika im Rahmen von Schule, Ausbildung oder Studium bleiben Mindestlohn-frei. Wer nach Ausbildung und Studium ein Praktikum anfängt, hat dagegen Anspruch auf den Mindestlohn.

Jugendliche: Der Mindestlohn gilt nicht für Jugendliche unter 18 Jahren. Ein Grund ist das Jugendarbeitsschutzgesetz.

Lehrlinge: Keinen Anspruch auf den Mindestlohn haben auch Auszubildende sowie Ehrenamtliche.

Langzeitarbeitslose: Wer mehr als zwölf Monate arbeitslos war, soll in den ersten sechs Monaten des neuen Jobs nicht unter den Mindestlohn fallen. Derzeit gibt es rund eine Million Langzeitarbeitslose. Zuletzt fanden bis zu 180.000 aus eigener Kraft und ohne Zuschüsse einen Job im ersten Arbeitsmarkt.

Saisonarbeiter: Saisonarbeiter, wie etwa Erntehelfer, sollen prinzipiell den Mindestlohn gezahlt bekommen. Allerdings ist eine Dienstanweisung geplant, wonach die Landwirte Kosten für Kost und Logis davon abziehen dürfen. Die Jobs für die Saisonkräfte sollen zudem 70 statt wie ursprünglich geplant 50 Arbeitstage lang sozialabgabenfrei sein.

Zeitungsausträger: Den Zeitungsverlagen soll die Umsetzung des Mindestlohns erleichtert werden, indem sie 8,50 Euro erst ab dem 1. Januar 2017 an ihre etwa 160.000 Zusteller zahlen müssen. 2015 dürfen sie den Mindestlohn etwa um 25 und 2016 um 15 Prozent unterschreiten. Das bedeutet für 2015 einen Mindestlohn von 6,37 Euro.

Verdi weist jedoch darauf hin, dass diese Einschränkung nur für Zusteller gilt, die ausschließlich Zeitungen oder Anzeigenblätter in Briefkästen werfen. Sobald von Austrägern außerdem auch Werbung und Briefe zugestellt werden, hätten diese Anspruch auf den vollen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro.

Selbständige und Freiberufler

Jeder Mensch soll von seiner Arbeit leben können, lautet das Leitmotiv für den Mindestlohn. Darunter fallen aber nicht die Menschen, die als Selbständige oder Freiberufler ihr Auskommen verdienen. Laut einer Untersuchung des Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) haben 25 Prozent aller 4,4 Millionen Selbständigen in Deutschland Stundenlöhne von weniger als 8,50 Euro. Das betrifft eine bunte Mischung, darunter viele Friseure, Kioskbesitzer, Wirte, Betreiber kleiner Läden und Pflegekräfte, aber auch Anwälte, freischaffende Künstler oder Dozenten. Bekannt sind auch die Fälle von Paketzustellern, die als Sub-Sub-Sub-Unternehmer für große Konzerne Pakete ausfahren und noch nicht einmal auf 6 Euro die Stunde kommen.