Ein Fußball-Fachgespräch
Mesut Özil postet erneut ein Foto mit Präsident Recep Tayyip Erdogan

Die Begeisterung für den aktuellen Instagram-Schnappschuss von Mesut Özil ist groß. Binnen 14 Stunden haben über eine Million Follower Gefallen an dem Foto gefunden, das den ehemaligen deutschen Nationalspieler gemeinsam mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zeigt. Auch in den Kommentaren gibt es viel Liebe für den Spielmacher von Fenerbahce Istanbul. Immer wieder blinken rote Herzchen der Begeisterung auf. Aber es mischt sich auch Empörung und Wut in die Kommentare.
Bis heute hat Özil einen schweren Stand in Deutschland
Natürlich tut es das. Und Mesut Özil wird gewusst haben, dass dieses Bild polarisieren wird. Denn schon einmal hatte ein Treffen des Fußballers mit dem international umstrittenen Politiker für Aufsehen gesorgt. Nicht nur das. Das Foto, das kurz vor der Weltmeisterschaft 2018 veröffentlicht worden war und auf dem auch Nationalspieler İlkay Gündoğan zu sehen war, war zur nationalen Angelegenheit geworden. Es lag als schwerer Schatten auf dem völlig vergeigten Turnier. Während Gündoğan einen Weg fand, nicht zur Hassfigur zu werden, wurde Özil eben jene. Der Spielmacher trat aus dem DFB-Team zurück und entfachte durch die Art des Abgangs - eine persönliche Abrechnung via Twitter - eine enthemmte und für alle Seiten und Beteiligten nicht mehr zu kontrollierende Rassismus-Debatte.
Bis heute hallt das nach. In Deutschland ist Özil weiter kein gern gesehener Gast. Als er zuletzt mit Fenerbahce Istanbul in der Europa League bei Eintracht Frankfurt spielte, da gab es immer wieder laute Pfiffe gegen den mittlerweile 33-Jährigen. Nun wird das aktuelle Foto, auf dem auch der ehemalige Nationalspieler und Fener-Legende Rıdvan Dilmen zu sehen ist, nicht wieder für eine ähnliche Eskalation wie 2018 sorgen. Denn Özil ist kein Nationalspieler mehr. Eine Debatte über eine mögliche Vorbildfunktion und einen Umgang mit sensiblen und brisanten Themen damit hinfällig. Er spielt im deutschen Fußball auch keine Rolle mehr. Sein Wirken und Leben findet fernab in der Türkei statt.
Und die Sache ist ja so, auch wenn es manch einer nicht hören mag: Dass sich Özil erneut mit Erdogan trifft und mit dem glühenden Fußballfan austauscht (so heißt im Kommentar zum Foto), ist kein Verbrechen. Özil macht sich damit lediglich zum Botschafter des Präsidenten. Deren Beziehung ist ohnehin sehr intensiv. Bei der Hochzeit des Spielers mit der Ex-Miss-Türkei Amine Gülse vor zwei Jahren war Erdogan dabei, als Özils Trauzeuge.
Sportlich läuft es überhaupt nicht rund

An der Fähigkeit zu polarisierenden Meinungsäußerungen, dazu gehört eben auch ein Foto, mangelt es Özil nicht. Vor der Bundestagswahl hatte er etwa mit der Ansage überrascht, dass er die Partei "Team Todenhöfer", die vom Bestsellerautor und Friedensaktivisten Jürgen Todenhöfer gegründet worden war, wählen werde. Özil postete bei Twitter zu einem "Treffen mit Deutschlands mutigstem Politiker" ein gemeinsames Foto mit dem 80-Jährigen. Dieser habe hinter ihm gestanden, als er vor drei Jahren bei der WM in Russland eine schwere Zeit erlebt habe. "Nun stehe ich hinter ihm", fügte Özil hinzu.
Auch sportlich hatte Özil zuletzt polarisiert. Denn bei Fenerbahce läuft es nicht wie gewünscht. Präsident Ali Koc sah sich sogar in der Pflicht, seinen Starspieler zu verteidigen. "Mesut ist hierhergekommen, um der Leader der Mannschaft zu werden und Fenerbahce nach sieben Jahren wieder zur Meisterschaft zu führen. Er wird das auch tun und der Welt zeigen, wer er ist", sagte Koc Anfang Oktober. Vorausgegangen waren Medienberichte über angebliche Differenzen zwischen Özil und Trainer Vitor Pereira. Der Coach hatte beim Ligaspiel gegen Kasimpasa auf den Weltmeister von 2014 verzichtet. Nachdem er sich stolze 40 Minuten vergeblich auf seinen Einsatz vorbereitet hatte, warf Özil enttäuscht sein zusammengeknülltes Aufwärmleibchen vor Pereira zu Boden.
Und vor zwei Wochen gab es den nächsten Aufreger. Nach seiner Auswechslung gegen Royal Antwerpen in der 66. Minute hatte Özil wütend mehrere Wasserflaschen umgetreten und danach sein Trikot zu Boden geworfen. Später relativierte er seinen Ausbruch bei Twitter: "Liebe Fenerbahce-Fans, die Reaktion, die ich nach meiner Auswechslung gestern gezeigt habe, entstand ausschließlich aus der Spannung dieses wichtigen Spiels, das wir hätten gewinnen müssen. Ich hätte das nicht tun sollen und wollte niemanden damit angreifen. Kämpft weiter für Fenerbahce!" (tno)