Als Mann schwamm SIE hinterher

Von Platz 462 auf 1: Mega-Zoff um Transgender-Gold

Pennsylvania's Lia Thomas gestures as she holds the trophy after winning the 500-yard freestyle at the NCAA swimming and diving championships Thursday, March 17, 2022, at Georgia Tech in Atlanta. Thomas is the first known transgender woman to win an NCAA swimming championship. (AP Photo/John Bazemore)
Lia Catherine Thomas
JB, AP, John Bazemore

Wie fair ist es, wenn eine junge Transgender-Frau, die als Mann geboren wurde, in ihrer Sportart in der Damenkonkurrenz an den Start geht – und ihre Rivalinnen dadurch chancenlos sind? Diese Frage beherrscht aktuell die Schwimm-Welt in den USA. Denn Lia Catherine Thomas schwimmt bei den Collage-Wettkämpfen den Mädels davon. Als erste Transgender-Frau holt sie sich den Titel. Sie belohnt sich damit selbst für ihren wahnsinnigen Mut, zu ihrem Wunsch, als Lia zu leben, öffentlich zu stehen. Sorgt aber auch für viel Frust und Zoff.

Trotz Hormon-Therapie: Als Lia musste sie weiter bei den Männern schwimmen

Als Mann galt Thomas früher als talentiert. Seit sie fünf Jahre alt ist, schwimmt sie für ihr Leben gern. 2017 folgt dann der Start der professionellen Karriere im Freistil an ihrer Uni in Pennsylvania. Doch ohne Erfolg. Thomas reiht sich auf Plätzen zwischen 200 und 500 ein. Der Traum, ein Top-Schwimmer zu werden? Platzt.

Denn: 2019 entschließt sie sich, zu ihrem wahren „Ich“ zu stehen und eine Hormon-Therapie zu beginnen. Thomas will fortan als „Lia“ durchs Leben gehen. Dennoch schwimmt sie zwei weitere Jahre in der Männerkonkurrenz. Aus Liebe zum Schwimmen. Stark!

University of Pennsylvania transgender athlete Lia Thomas swims in a preliminary heat for the 500-yard freestyle at the NCAA Swimming and Diving Championships Thursday, March 17, 2022, at Georgia Tech in Atlanta. (AP Photo/John Bazemore)(AP Photo/John Bazemore)
Thomas schwimmt zum Sieg
JB, AP, John Bazemore

Neue Regeln: Darum darf Lia zu den Mädels wechseln

Doch nun der Wechsel zu den Damen. Neue Regeln machen’s möglich: Das IOC verabschiedet sich von Hormon-Grenzen zur Einordnung und gibt Thomas damit die Chance, als Transgender-Frau auch bei den Mädels ins Becken zu springen.

Und auf einmal wird die absolute Außenseiterin zur Favoritin.

Dass sie bei den Collage-Meisterschaften in Atalanta auf Anhieb den Titel über die 500 Yards Freistil holt? Auch für Thomas eine Riesen-Überraschung: „Ich war einfach glücklich, hier zu sein und Rennen zu schwimmen, so gut ich konnte.“

Pennsylvania's Lia Thomas does a television interview after winning the women's 500-yard freestyle at the NCAA swimming and diving championships Thursday, March 17, 2022, at Georgia Tech in Atlanta. Thomas is the first known transgender woman to win an NCAA swimming championship. (AP Photo/John Bazemore)
Lia Catherine Thomas nach ihrem Rennen.
JB, AP, John Bazemore
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"Biologisch hat Lia einen unfairen Vorteil"

So wichtig und außer Frage stehend diese Inklusion auch ist – so sehr wird die Fairness bezweifelt. In einem öffentlichen Brief äußern sich andere Schwimmerinnen von Thomas‘ Uni dazu: „Lia hat jedes Recht, ihr Leben authentisch zu leben.“ Aber: „Biologisch hat Lia einen unfairen Vorteil gegenüber der Konkurrenz in der Frauenkategorie, wie ihre Platzierungen belegen, die von Platz 462 bei den Männern auf Platz 1 als Frau gestiegen sind.“

Auch Ex-Tennis-Star Martina Navratilova, die mit einer Frau verheiratet ist, sieht das so: „Es geht nicht um sie persönlich. Es geht darum, dass sie als Mann als 200., 300., 400. ins Ziel kam. Jetzt wird sie Erste. Die Regeln müssen geändert werden. Das ist kein fairer Kampf“, sagt sie gegenüber Newsnation.

Schwimmerin Reka Gyorgy geht sogar noch einen Schritt weiter: In einem Brief an die National Collegiate Athletic Association (NCAA) kritisiert sie die Regeln, dass Thomas bei den Damen starten kann, meint, dass dies gegenüber biologischen Frauen „nicht respektvoll“ wäre und sie deshalb um ihre Teilnahme am Finale von Thomas „beraubt“ wurde.

"Nicht entscheiden zwischen dem, was sie sind, und dem Sport, den sie lieben"

Diese Stimmen machen es für Thomas nicht leicht: „Ich versuche, es so gut wie möglich zu ignorieren. Ich versuche, mich auf mein Schwimmen zu konzentrieren.“ Eine Herausforderung.

Auch von der Tribüne gibt es nicht nur Applaus, auf einem der Transparente gegen Thomas ist zu lesen „Rettet den Frauensport“. Während anfangs ihre Rivalinnen im Becken noch gratulieren und zum Großteil bei der Siegerehrung auch applaudieren, stehen die Top Vier auf einem Foto gemeinsam zusammen – Thomas bleibt außen vor. Selbst wenn es keine Absicht war, so ist es zumindest symbolisch.

Im Interview mit „Sports Illustrated“ spricht Thomas aber auch über das absolut positive Zeichen, das von ihren Starts bei den Damen ausgeht: „Ich möchte Trans-Kids und jüngeren Trans-Sportlern einfach zeigen, dass sie nicht allein sind. Sie müssen sich nicht entscheiden zwischen dem, was sie sind, und dem Sport, den sie lieben...“ Und genau diese Message ist so wichtig! (ana)