Unberechenbare Verdauung
Kurioses Stuhlgang-Zitterspiel: Stute Dalera sorgt immer wieder für Stress bei Jessica von Bredow-Werndl

Makellos und unantastbar auf dem Dressur-Viereck, doch eine mächtige und kuriose Sorge trieb Olympiasiegerin Jessica von Bredow-Werndl auch in Hagen die Schweißperlen auf die Stirn: Die Verdauung ihrer Stute Dalera.
"Wir vertrauen uns gegenseitig blind"
Und dann gab es da diesen Moment, als Jessica von Bredow-Werndl wenige Minuten vor ihrer Prüfung die Schweißperlen auf die Stirn traten. "Ich hatte das Gefühl, sie muss mal", sagte die Dressur-Olympiasiegerin, der die unberechenbare Verdauung ihrer Goldstute Dalera schon öfter einen Strich durch die Rechnung gemacht hat: "Ich hab nur gedacht, och nööö, bitte nicht."
Das Flehen half, Dalera erleichterte sich zur großen Freude ihrer Reiterin erst nach dem Grand Prix. Auf dem Viereck zeigten die beiden einen makellosen, traumhaften Zaubertanz, Jessica von Bredow-Werndl und Dalera sind in der Dressur derzeit ohne jede Einschränkung das Maß aller Dinge. "Sie war von der ersten bis zur letzten Sekunde zu 100 Prozent bei mir", sagte die Reiterin über ihre 14-jährige Trakehner-Fuchsstute: "Wir vertrauen uns gegenseitig blind."
Ihr fehlerloser Grand Prix sicherte der deutschen Equipe bei der EM in Hagen a.T.W. das Mannschaftsgold, das zwischenzeitlich ziemlich auf der Kippe stand. Isabell Werth und Weihegold verfehlten nach einem in Teilen unverständlichen Richterspruch die 80-Prozent-Marke, Großbritannien und Dänemark mit den Weltklasse-Reiterinnen Charlotte Dujardin und Catherine Dufour waren gefährlich dicht dran. Doch dann eroberte "JBW" mit Dalera das Viereck im Sturm. "Ich glaube, ich habe Gold geholt", sagte sie fast ein wenig verschämt.
"... weil dann todsicher ein Fehler passiert"

Selbst Isabell Werth, nach drei Jahrzehnten auf absolutem Topniveau die erfolgreichste Reiterin der Geschichte, kommt derzeit nicht an Jessica von Bredow-Werndl vorbei. Sie habe so gehofft, dass "Isabell die 80 Prozent knackt", sagte die Olympiasiegerin - es war freundlich gemeint, aber es klang fast ein wenig wie Majestätsbeleidigung.
Dass sie auch in den Einzelentscheidungen der EM die große Favoritin ist, davon wollte die Chefin von Gut Aubenhausen in der Nähe von Rosenheim nichts wissen. "Ich lebe im Hier und Jetzt, ich lebe mein Leben Tag für Tag", sagte "JBW", die überzeugte Veganerin ist und in ihrer täglichen Routine auf Yoga und Meditation setzt. "Das ist wie in einer Prüfung", erklärte die 35-Jährige: "Man darf nie denken, dass es gut läuft, weil dann todsicher ein Fehler passiert."
Und trotzdem: Für Jessica von Bredow-Werndl geht es im Moment ausschließlich in eine Richtung - nach oben. Sie selbst findet allerdings, dass sie schon so ein bisschen angekommen ist: "Gold bei Olympia, was gibt es denn Größeres? Was ich erreichen wollte, habe ich erreicht, und so aufgeregt wie in Tokio kann ich sowieso nie mehr sein."
Und so geht es die momentan beste Dressurreiterin der Welt ganz gelassen an. In Hagen freute sie sich unter anderem über die persönliche Unterstützung von Daleras Besitzerin Beatrice Bürchler-Keller, der einige Pferde auf Gut Aubenhausen das charakteristische "BB" im Namen verdanken. Diese Initialen trug auch der mächtige Rapphengst Unee BB, mit dem Jessica von Bredow-Werndl 2014 erstmals auf sich aufmerksam machte. Und der gerne in einer Prüfung auf das Viereck äpfelte … (tno/sid)