Kommentar zu Ampel-Verhandlungen
Jetzt wird es Kindergarten!

Seit heute tagen 22 nach Themen sortierte Arbeitsgruppen in Berlin, bestückt mit jeweils insgesamt zehn bis 15 Vertretern von SPD, Grünen und FDP. Ort(e): Geheim. Uhrzeit: Geheim. Die Gruppen organisieren sich selbst und wollen die Treffpunkte wechseln. Wie beim Drogendealen. Oder wie im Kindergarten.
Geht’s noch?
Die Bürger haben mehr verdient als einen Koalitionsvertrag Anfang Dezember

Natürlich brauchen Verhandlungen ein gewisses Maß an Vertraulichkeit, damit man am Tisch auch einmal laut denken kann, ohne dafür gleich öffentlich gerade stehen zu müssen. Und natürlich ist nicht alles, was in einem „Hinterzimmer“ passiert, gleich auch eine Verschwörung. Geschenkt.
Dafür haben die meisten Journalisten Verständnis. Ebenso dafür, dass FDP und Grüne aus den geradezu traumatischen Erfahrungen der Koalitionsverhandlungen 2017 lernen wollen. Aber wahr ist auch: Die damaligen Verhandlungen sind nicht an einem Übermaß von Beobachtung oder Transparenz gescheitert – sondern an schlechter Verhandlungsführung und politisch unüberbrückbaren Gegensätzen.
Man wird den Verdacht also nicht los, dass sich die drei Ampel-Parteien nach den ersten Runden nun an der eigenen Harmonie und ihrer Wir-sagen-nix-Show berauschen. Und so sieht das Ganze aus wie eine Wagenburg nach dem Motto: „Wir hier drinnen. Die da draußen.“
Mit dem großen Haken: „Die da draußen“ – das sind die Wähler. Und die wüssten gern, was auf da auf sie zukommt. Sie wüssten gern, ob die Partei, die sie gewählt haben, wirklich für die Dinge kämpft, die auf den Wahlplakaten standen. Die Bürger haben mehr verdient als nur einen fertigen Koalitionsvertrag irgendwann Anfang Dezember. Wenn die Koalitionäre einander vertrauen ist das gut. Wenn sie dabei das Vertrauen der Wähler verspielen, ist aber gar nichts mehr gut.