Klimakiller Schiff: Mit Volldampf in die Katastrophe

ARCHIV - Der Schiffsneubau AIDAluna des Rostocker Kreuzfahrt-Unternehmens AIDA Cruises läuft am 08.05.2009 erstmals das Ostseebad Warnemünde an. Die Rostocker Kreuzfahrt-Reederei AIDA Cruises bleibt auf Wachstumskurs. Wie das Unternehmen am Mittwoch (23.12.2009) berichtete, stieg der Umsatz 2009 im Vergleich zum Vorjahr um 27,6 Prozent auf 722,1 Millionen Euro. 414 000 Gäste seien in diesem Jahr mit den Schiffen des deutschen Branchenführers gereist. Dies waren 23,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Foto: Bernd Wüstneck dpa/lmv/lno/lni (zu dpa 0724 vom 23.12.2009)  +++(c) dpa - Bildfunk+++
Große Kreuzfahrtschiffe schädigen unser Klima enorm, indem sie Unmengen an Schwefel und Ruß in die Athmosphäre blasen.

Kreuzfahrten haben Saison. Der Trip durch Mittelmeer, Karibik und Ostsee wird immer beliebter – und immer billiger. Auch das Costa-Concordia-Unglück und die Finanzkrise haben dem Business bisher nichts anhaben können. Mittlerweile haben Kreuzfahrten den Otto-Normal-Urlauber erreicht, selbst bei Tchibo kann man den Cruise buchen. Doch Umweltschützer warnen: Es gibt kaum eine schädlichere Reise als die mit dem Schiff. Und das gilt gleichermaßen für das Klima wie für den Reisenden selbst.

Generell wurde der Ausstoß klimaschädlicher Gase in der Schifffahrt jahrelang unterschätzt, stets blickte man auf den Flugverkehr. Doch es sind vor allem die Schiffe, die immer noch Schwefel und Ruß in die Atmosphäre blasen. Der Naturschutzbund Nabu hat berechnet, dass die mit Schweröl betriebenen 15 größten Seeschiffe der Welt jedes Jahr mehr Schadstoffe wie Schwefeldioxid und Rußpartikel ausstoßen als weltweit alle Autos zusammen.

"Das größere Problem sind nach wie vor die Handelsschiffe", sagt Dietmar Oeliger vom NABU Hamburg im Gespräch mit RTLaktuell.de. Doch weil das Kreuzfahrt-Business boomt, gehen jedes Jahr mehr und mehr Passagierschiffe auf die Reise und die werden zu einem Faktor beim Klimawandel. Die meisten Schiffe fahren mit Schweröl, das billiger ist als der durchaus zur Verfügung stehende Schiffsdiesel und sauberes Flüssiggas. Schweröl ist ein Abfallprodukt der Ölindustrie. Einzig aus Kostengründen fahren die Luxusliner damit und tragen so erheblich zur Verschmutzung der Atmosphäre bei.

Denn bei der Verbrennung des Schweröls wird vor allem Ruß ausgestoßen, aber natürlich auch CO2 und Schwefeldioxid. "Ein Luxusliner stößt täglich umgerechnet so viel Ruß- und Schwefelpartikel aus wie 12.000 Pkw, bei einzelnen Schadstoffen sogar so viel wie 350.000 Autos. Solche Werte sind für die Anwohner lebensbedrohlich, für das Weltklima verheerend und daher an Land längst verboten", sagt der Vorsitzende des NABU Hamburg, Alexander Porschke.

Während also an Land immer strengere Richtlinien gelten, wird auf See weiterhin rausgeblasen. Und zwar derart, dass Greenpeace die Riesenpötte einmal als 'Fahrende Müllkippen' bezeichnete. Das Problem ist aber auch, dass die großen Passagierschiffe in den citynahen Häfen vor Anker gehen, um den Touristen den heiß ersehnten Landgang zu ermöglichen. "Im Vergleich zu den Frachtern legen die Kreuzfahrtschiffe mitten in den Städten wie in Hamburg zum Beispiel in der Hafenstadt an. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat im vergangenen Jahr bestätigt, dass die Rußpartikel in den Abgasen stark krebserregend sind", sagt Oeliger zu 'RTLaktuell.de'. Die Schiffe bringen also den Dreck direkt in die City. Städte wie Hamburg leiden daher unter besonders hohen Feinstaubkonzentrationen.

Es gilt als bewiesen, dass Schiffsabgase etwa 50.000 Todesfälle pro Jahr in Europa verursachen. Umweltorganisationen kämpfen deshalb seit Jahren für die sogenannte Landstromversorgung, dann könnten die Schiffe ihre Motoren wenigstens in den Häfen abstellen. Enorme Mengen Treibstoff werden für die Klimaanlagen und die Freizeitbereiche an Bord benötigt.

Ohnehin gesetzliche Maßnahmen werden als Umweltschutz verkauft

Was können die Reedereien tun, was kann aber auch der Kunde tun? "Man kann nicht wirklich wählen zwischen einem sauberen und einem dreckigen Schiff. 2013 kommt Hapag Lloyd mit der MS Europa II auf den Markt. Dieses Schiff hat dann einen Stickoxyd-Filter. Da wird dann der Stickoxyd-Ausstoß auf null zurückgefahren. Das ist neu. Ansonsten sind die Schiffe alle schlecht. Man muss natürlich sagen, je neuer ein Schiff ist, umso besser ist es", so Oeliger.

Monika Griefahn, Direktorin für Umwelt und Gesellschaft bei Aida Cruises, sagte zu 'RTLaktuell.de': "Die beste Tonne Treibstoff ist die, die wir nicht verbrauchen." Die großen Reedereien sind natürlich bemüht, ihre Schiffe als umweltverträglich zu verkaufen. Aida beispielsweise macht eine große Kampagne auf der Website über die erfüllten Umweltstandards. Doch vom NABU kommt sofort der Konter. "Aus unserer Sicht sind die Fotos allesamt retuschiert. Man ist sich bei Aida des Problems bewusst und versucht dem Kunden eine saubere Welt vorzugaukeln. Vieles von dem, was dort auf der Website als Umweltschutzmaßnahme verkauft wird, ist ohnehin gesetzlich vorgeschrieben. Da steht dann, man wolle bis 2020 weg vom Schweröl. Aber das ist sowieso so, dass bis 2020 nicht mehr mit Schweröl gefahren werden darf", erklärt Oeliger.

Ein anderes Problem beim Ausstoß der Schadstoffe ist, dass sich der Kreuzfahrtpassagier unmittelbar den Abgasen aussetzt. "Die Passagierschiffe befördern keine Waren, sondern Menschen. Die Deutsche Lungenstiftung riet den Passagieren sogar, sich vor den Schornstein zu setzen, weil die Abgase ja hinter das Schiff ausgestoßen werden", sagt Oeliger.

"Als Kunde kann man nur Druck ausüben, indem man die Reederei anschreibt und Änderungen wünscht", meint der Experte vom NABU. Immerhin kann man zum Beispiel bei atmosfair.de Ausgleichszahlungen leisten. Aber die sind nur für den produzierten CO2-Ausstoß. Es geht da nicht um Ruß, Schwefel und Stickstoffe. "Und außerdem ist das ja eine Maßnahme, die der Kunde trifft, nicht die Reederei, die eigentlich gefordert wäre", so Oeliger.

Schaut man sich die Zahlen bei atmosfair.de an, vergeht einem ohnehin die Lust auf eine Kreuzfahrt. Dort wird vorgerechnet, dass schon bei einer neuntägigen Reise pro Passagier rund 2.370 Kilogramm CO2 freigesetzt wird, mehr als ein Autofahrer im ganzen Jahr erzeugt. Wer zur Mittelmeer- oder Karibik¬kreuzfahrt mit dem Flugzeug anreist, belastet das Klima gleich doppelt, schreibt Greenpeace in einem Infobrief.

Doch die Buchungszahlen steigen. Für 2013 sind nach Feststellung des Deutschen Reiseverbandes (DRV) erheblich mehr Kreuzfahrten als 2012 im Voraus gebucht worden. Im Vorjahr hatte die Havarie der Costa Concordia im Mittelmeer vor der italienischen Insel Giglio der Branche kurzzeitig eine Buchungsdelle gebracht. Die deutsche Kreuzfahrtbranche kommt auf 2,4 Milliarden Euro Jahresumsatz (2011) und rund 1,4 Millionen Gäste. In Hamburg sollen in diesem Jahr 173 Schiffe anlegen.

Oliver Scheel